Laryngorhinootologie 2017; 96(11): 810-813
DOI: 10.1055/s-0043-119386
OP-Techniken
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rhinoplastik

M. Eugene Tardy jr.
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Publication Date:
13 November 2017 (online)

Leitsätze

Die ästhetische und rekonstruktive Chirurgie der Nase ist eine große Herausforderung, und zwar die schwierigste der plastisch-chirurgischen Eingriffe im Kopf-Hals-Gebiet. Die fähigsten Chirurgen empfinden diese Eingriffe einerseits als außerordentlich erfüllend, andererseits als stetes Ärgernis, da Abweichungen von weniger als einem Millimeter darüber entscheiden können, ob der Eingriff als erfolgreich oder mißlungen anzusehen ist. Der plastisch tätige Nasenchirurg muß die operativen Einzelschritte erlernen und zudem in der Lage sein, die Dynamik des postoperativen Heilungsvorgangs unter Kontrolle zu bringen und zu beeinflussen. Solche Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln sich nicht kurzfristig, sondern lassen sich nur über Jahre hinweg durch chirurgische Berufserfahrung in dem Maße erwerben, wie der Chirurg sein Operationsergebnis beobachtet, analysiert und seine operative Technik modifiziert.

Das Endergebnis eines rhinoplastischen Eingriffs wird ebenso von der individuellen Anatomie des Patienten als auch von den Fähigkeiten des Operateurs bestimmt. Keine zwei Nasen gleichen einander völlig. Daraus folgt, daß es kein Standardverfahren gibt, um jede Nase perfekt zu rekonstruieren und zu modellieren. Die Fähigkeit, die individuellen Möglichkeiten und Grenzen der Operation an jedem Patienten zu erkennen, ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, konstant sehr gute Ergebnisse zu erzielen und dabei Komplikationen zu vermeiden.

Patienten mit relativ geringfügigen Deformitäten sind fast immer die idealen Kandidaten für optimale postoperative Ergebnisse, da nur wenig chirurgische Manipulationen (und damit eine geringe Traumatisierung) für die angestrebten Verbesserungen nötig sind.

Diese Patientengruppe erwartet und fordert jedoch wegen der Geringfügigkeit der Veränderungen ein perfektes chirurgisches Ergebnis. Bei Patienten, deren Nasendeformität eine deutliche Abweichung vom ästhetischen Ideal darstellt (ein großer Höcker, eine lange Hängenase, eine Schiefnase), sind spektakulärere Ergebnisse möglich. Die letztgenannte Gruppe kann auftretende kleinere Unzulänglichkeiten eher tolerieren, da die insgesamt erzielten Verbesserungen signifikant erkennbar sind. Es liegt deshalb grundsätzlich in der Verantwortung des Operateurs, die Wünsche des Patienten gegen das abzuwägen, was chirurgisch machbar ist, wenn man die Grenzen und Möglichkeiten berücksichtigt, die in der Anatomie jeder Nase gegeben sind.

Der falsche Ehrgeiz, mehr zu verändern, als die strukturellen Voraussetzungen des Nasengewebes hergeben (operative Überkorrektur), führt unvermeidlich zu den nur allzu häufigen Komplikationen, die nach überzogener, aggressiver Nasenchirurgie auftreten.

Das vorliegende Kapitel soll tradierte und moderne Prinzipien und Techniken darstellen, die als effektiv und sicher für die rhinoplastische Chirurgie anerkannt sind.

Diagnostik und präoperative Beurteilung

Bereits zu Beginn der Beurteilung des Patienten sollten seine Motivation, seine Erwartungen sowie die chirurgischen Möglichkeiten in einem offenen, vertrauensvollen Dialog analysiert werden. Wenn die chirurgischen Möglichkeiten durch anatomische Besonderheiten oder durch die individuelle Einschätzung des Operateurs beschränkt sind, sollte eine Rhinoplastik besser nicht durchgeführt werden.

Der Patient sollte in der Lage sein, mit Hilfe eines dreigeteilten Spiegels oder einer Photographie genau hervorzuheben, was ihn an seiner Nase stört beziehungsweise was chirurgisch verändert werden soll. Der Operateur hat dann die Aufgabe, diese Wünsche unter Berücksichtigung der individuellen Anatomie der Nase gegen das chirurgisch Machbare abzuwägen.

Jeder einzelne Chirurg sollte sich eine logisch aufgebaute Checkliste zur anatomischen Beurteilung der Nase und der umgebenden Gesichtsproportionen erarbeiten. Dabei können von ihm angenommene Idealproportionen eine visuelle Grundlage zur Beurteilung seiner Befunde liefern. Die sorgfältige Interpretation der anatomischen Formvarianten zeichnet den erfahrenen Chirurgen aus, der während der Untersuchung und Inspektion kontinuierlich und vorausschauend plant, was machbar ist. Inspektion und Palpation sind die Eckpfeiler der Untersuchung der Nase. Dabei ist hilfreich, wenn man sich die Struktur der Nase aus miteinander verknüpften anatomischen Elementen erklärt, bestehend aus dem bedeckenden Weichteilgewebe, der knöchernen Nasenpyramide (Proc. frontalis maxillae, Nasenbeine und knöchernes Septum), der knorpeligen Nasenpyramide (Septumknorpel mit den ansetzenden oberen Lateralknorpeln) sowie der mobilen Nasenspitze (paarige Flügelknorpel und umgebendes Weichteilgewebe) ([ Abb. 1a u. b ]). Untereinheiten der Nasenspitze oder -basis umfassen die Infratipregion, den Flügelknorpeldom und die Kolumella ([ Abb. 2 ]).

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Abb. 1

a
1 Os nasale
2 Sutura nasomaxillaris
3 Processus frontalis maxillae
4 Dorsum nasi (Rhinion), knöchern-knorpelige Verbindung
5 Dreiecksknorpel (Cartilago nasalis lateralis)
6 „Schwaches Dreieck“ (vorderer Septumwinkel)
7 Kaudale freie Kante des Dreiecksknorpels
8 Sesamknorpel
9 Apertura piriformis, Kante
10 Nasenflügel-Region
11 Flügelknorpel – Crus laterale – lateraler Anteil
12 Flügelknorpel – Crus laterale – zentraler Anteil
13 Punkt, der die Nasenspitze definiert, Übergang vom lat. zum med. Crus
14 „Weiches Dreieck“, knorpelfreie Hautduplikatur
15 Infratip-Region
16 Kolurnella
17 Basis des medialen Flügelknorpels

b
1 Scheitelpunkt des Flügelknorpels
2 Crus mediale – medialer Winkel des Nasendoms
3 Crus laterale – lateraler Winkel des Nasendoms
4 Verbindungssegment zwischen Crus mediale und Crus laterale
5 Crus laterale (Cartilago alaris)
6 Crus mediale (Cartilago alaris)
7 Basis des medialen Flügelknorpels
8 Nasenöffnung
9 Nasenboden
10 Nasenschwelle
11 Laterale Wand des Nasenflügels
12 Nasenflügel (Ala nasi)
13 Nasenflügelbasis-Lippenübergang
14 Vorderer Septumwinkel
15 Kaudale Kante des Septumknorpels
16 Crista nasalis maxillae
17 Spina nasalis anterior
18 Infratip-Region
19 „Facet“-Übergang vom med. zum lat. Crus des Flügelknorpels
20 Crus mediale des Flügelknorpels
21 Laterale Wand des Nasenflügels
22 Mediale Wand des Naseneingangs
23 Nasenflügelbasis
24 Prämaxiila
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Abb. 2

Die Hautbeschaffenheit liefert wichtige Hinweise auf das zu erwartende, mögliche chirurgische Resultat; sie spielt deshalb eine entscheidende Rolle bei der präoperativen Planung. Eine extrem dicke Haut mit vielen Talgdrüsen und einer entsprechenden Subkutis ist am ungünstigsten, um eine gewünschte Veränderung zu erzielen. Obwohl eine dünne Haut mit wenig Subkutangewebe ideal zur Formbetonung der Nase ist, ermöglicht sie fast keine Kaschierung kleinster Unregelmäßigkeiten des Nasenskeletts oder der Nasenkontur. Deshalb ist bei diesem Hauttyp ein nahezu vollkommenes chirurgisches Vorgehen erforderlich, um das gewünschte natürliche Ergebnis zu erzielen. Der ideale Hauttyp liegt zwischen beiden beschriebenen Extremen, indem er weder zu dick und fettig noch zu dünn und empfindlich ist. Die Beurteilung des Hauttyps erfolgt durch Inspektion und Palpation, indem man die Haut vorsichtig über dem Nasenskelett verschiebt und sie sanft zwischen den palpierenden Fingern hin und her bewegt.

Bei jedem Patienten müssen die kritischen Faktoren beurteilt werden, die die Festigkeit und Elastizität der Nasenspitze ausmachen, was als suffiziente Spitzenprojektion angesehen wird. Der Fingerdruck auf die Nasenspitze zur Oberlippe hin ermöglicht einen schnellen und zuverlässigen Test, ob die mobilen Spitzenstrukturen in der Lage sind, zurück in ihre ursprüngliche Position zu springen ([ Abb. 3 ]). Die Größe, Form, Stellung, Symmetrie und Elastizität der Flügelknorpel können auch beurteilt werden, indem man palpiert oder den kranialen und kaudalen Rand des Crus laterale zwischen zwei Finger nimmt, zusammendrückt und sich wieder entspannen läßt. Während dieser Beurteilung stellt der Operateur entscheidende Weichen, ob die präoperativ existente Spitzenprojektion verstärkt, reduziert oder sorgfältig erhalten werden muß.

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Abb. 3

Die Länge der Nasenbeine kann relativ leicht durch Palpation bestimmt werden, ebenso wie das Verhältnis von knöchernem zu knorpeligem Höcker. Die äußere Topographie des Nasenskeletts kann mit einer Abweichung von 1–2 mm zuverlässig zur Orientierung für das chirurgische Vorgehen dargestellt werden.

Die Palpation des Vestibulum nasi und der Kolumella zwischen Daumen und Zeigefinger zeigt uns Verbiegungen und Stauchungen des Septums sowie die Breite und Länge der Kolumella auf und liefert wichtige Informationen, ob und wie sich die Spitze nach kranial rotieren läßt beziehungsweise angestrebten Veränderungen möglicherweise Widerstand leistet.

Dieser Informationsbedarf wird durch eine sorgfältige Untersuchung der Nasenhaupthöhlen vor und nach dem Abschwellen der Mukosa und der Muscheln ergänzt, um geringfügige Septumdeviationen, Mukosaveränderungen, die Größe und Form der Nasenmuscheln und den Zustand der inneren Nasenklappe bei ruhiger und forcierter Inspiration zu erkennen.

Schließlich werden noch Position und Neigung der Nasofrontal- und Nasolabialwinkel, Form und Größe der Nasenflügel, Gesamtbreite des mittleren und oberen Drittels der Nase sowie das Verhältnis und die Beziehung der Nase zu den übrigen Gesichtsproportionen und Orientierungspunkten beurteilt.

Gesichtsasymmetrien und die Beziehung der Kinnprojektion zur Nase sollten dokumentiert werden. Zu diesem Zeitpunkt sollte auch der Patient auf Grenzen der operativen Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden, die sich für das gewünschte postoperative Ergebnis aus den anatomischen Gegebenheiten ergeben. Ein dreigeteilter Spiegel unterstützt dabei das Verständnis.


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Chirurgische Anatomie

Die Interpretation der individuellen chirurgischen Anatomie jedes Patienten ist zwingend erforderlich, um das optimale Vorgehen und die anzuwendende Technik festzulegen. Die Anatomie der Nase unter Berücksichtigung chirurgischer Belange bei der Septorhinoplastik ist in [ Abb. 1 ]–[ Abb. 4 ] dargestellt. Verkleinerung, Vergrößerung oder Positionsänderung der einzelnen anatomischen Bestandteile der Nase werden das Resultat des chirurgischen Vorgehens beeinflussen. Zurückhaltendes Vorgehen im Rahmen der Nasenchirurgie führt ausnahmslos zu besseren Endergebnissen.

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Abb. 4

a u. b

1 Glabella
2 Radix nasi (Nasion), nasofrontaler Winkel
3 Dorsum nasi (Rhinion), knöchern-knorpelige Verbindung
4 Punkt, der die Nasenspitze definiert
5 Infratipregion
6 Kolumella
7 Kolumella-Lippen-Übergang
8 „Facet“-Übergang vom lat. zum med. Crus des Flügelknorpels
9 Nasenflügel (Ala nasi) – laterale Wand
10 Sulcus alaris, Übergang der Nase zur Wange
11 Basis des medialen Flügelknorpels
12 Falte oberhalb des Flügelknorpels
13 Flügelknorpelrand
14 Philtrum
15 Philtrumkamm
16 Supratipregion – Nasenrücken

c
1 Glabella
2 Radix nasi (Nasion)
3 Dorsum nasi (Rhinion), knöchern-knorpelige Verbindung
4 Punkt, der die Nasenspitze definiert
5 Infratipregion
6 Kolumella
7 Kolumellabasis – Lippenübergang
8 „Facet“-Übergang vom lat. zum med. Crus des Flügelknorpels
9 Nasenflügel (Ala nasi)
10 Sulcus alaris, Übergang zur Wange
11 Basis des medialen Flügelknorpels
A Kranial
B Kaudal
C Posterior
D Anterior
E Knöcherner Anteil
F Knorpeliger Anteil

d
1 Nasenspitze definierender Punkt
2 Flügelknorpelzwischenraum; „interdomal area“
3 Infratipregion
4 Kolumella
5 Basis des medialen Flügelknorpels
6 Kolumellabasis-Lippen-Übergang
7 Philtrum
8 Nasenöffnung
9 „Facet“-Übergang vom lat. zum med. Crus des Flügelknorpels
10 Nasenflügel (Ala nasi) – laterale Wand
11 Sulcus alaris – Übergang zur Wange
12 Nasenlochschwelle

Aus: Kastenbauer E. R., Tardy jr., Eugene M. Ästhetische und Plastische Chirurgie an Nase, Gesicht und Ohrmuschel. 3., unveränd. Aufl. 2005.


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