Der Klinikarzt 2017; 46(07): 309
DOI: 10.1055/s-0043-115363
Berühmte Ärzte
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tierfreund und Nationalsozialist

Konrad Lorenz (7.11.1903–27.2.1989)
Christian Hardinghaus
1   Historiker, Medien- und Literaturwissenschaftler, Osnabrück
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Publication Date:
18 July 2017 (online)

Die für die Medizingeschichte bedeutendste Gans trug den Namen Martina. So genannt hatte sie in seiner Kindheit der spätere österreichische Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz, nachdem er das Tier nicht mehr los wurde. Lorenz beobachtete mit Leidenschaft das Verhalten von Tieren. Als er eines Tages sah, wie sich ein Gänseküken aus dem Ei pellte, fiepte es ihn an. Er legte Martina unter den Bauch ihrer Mutter, aber sie sprang wieder hervor und folgte dem jungen Lorenz auf Schritt und Tritt. Martina war Basis für die später von Lorenz erforschte Prägung, die er auch auf das Lernverhalten von Menschen übertragen konnte. Lorenz, der seine Disziplin selbst als Tierpsychologie beschrieb, erhielt für seine Erkenntnisse in der Erforschung des Instinkt- und Lernverhaltens den Nobelpreis für Medizin. Doch der große Tierfreund wird heute für sein Verhalten kritisiert. Lorenz war bekennender Nationalsozialist und beschäftigte sich als Heeresarzt der Wehrmacht mit „Rassenstudien“ von deutsch-polnischen „Mischlingen“. Ziel war es, zu entscheiden, ob die untersuchten Deutsch-Polen genetisch geeignet waren, unter Ariern zu leben. Trotzdem zählen seine Studien im Bereich der Ethologie zu den wichtigsten Erkenntnissen der Verhaltensphysiologie.