neuroreha 2017; 09(02): 93
DOI: 10.1055/s-0043-109698
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung: Aphasie im Kontext

Contributor(s):
Georg Greitemann
,
Christin Zöllner
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Publication History

Publication Date:
09 June 2017 (online)

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Der von J. Steiner (Leiter des Studiengangs Logopädie an der HfH Zürich) herausgegebene Sammelband versteht sich als „Einführung in die Aphasie unter dem Aspekt der Kontextbezogenheit in der Rehabilitation“ (S. 7). Kontext wird dabei als „Lebens-Alltagswelt“ (S. 39) interpretiert. Steiner arbeitet seit Jahren intensiv auf diesem Gebiet, deshalb verwundert es nicht, dass er (Ko-)Autor von 9 der 13 Beiträge ist.

Der Band vereint Arbeiten, die in sehr unterschiedlicher Weise versuchen, den „Denkrahmen ICF“ (Klappentext) mit (konkreten) Konzepten für die Diagnostik und Therapie bei Menschen mit Aphasie zu füllen. Die Beiträge sind als Mosaiksteine für ein umfassendes Konzept einer ICF-orientierten Aphasietherapie zu verstehen, dessen Entwicklung noch Zeit in Anspruch nehmen wird.

Im ersten Beitrag gibt der Herausgeber einen Überblick über den Stand der Konzepte für „Aphasie auf dem Weg zum Kontext“. Der Beitrag ist das außerordentlich kondensierte Ergebnis jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema und ist für nicht eingedachte Leserinnen und Leser u. U. schwer zu verstehen. Aber die Lektüre lohnt sich: orientiert an den „vier derzeit stärksten theoretischen Strömungen“ (Salutogenese, Shared Decision Making, Evidence Based Practice und ICF (S. 13)) skizziert Steiner eine auf den Lebenskontext der Betroffenen ausgerichtete Aphasietherapie. Detaillierte Ergänzungen zu diesem konzeptuellen Rahmen bieten weitere Beiträge zu dialogischer Diagnostik und Therapie, Gruppentherapie und Einsatz moderner Medien.

In den Beiträgen zur Aphasiediagnostik werden verfügbare Verfahren vorgestellt und in ihrer Relevanz für eine ICF-orientierte Therapie bewertet. Nur der kombinierte Einsatz verschiedener Verfahren liefert ausreichend Informationen für eine möglichst zielgerichtete Therapie. Dabei ist der Gewinn des Einsatzes verschiedener Verfahren umso höher, je besser man das Werkzeug Test kennt. In einigen Beiträgen kommt der Eindruck auf, dass genauere Kenntnisse über Psychometrie etc. den Einsatz noch optimieren könnten.

Beim Thema Aphasietherapie wird die Evidenz der Wirksamkeit von Verfahren angesprochen. Verschiedene Autoren plädieren für eine „praxisbasierte Evidenz“, was u. a. dadurch begründet ist, dass es nur sehr wenige methodisch gute Studien über die Wirksamkeit bestimmter Therapiemethoden gibt. Von besonderer praktischer Relevanz ist sicher der Beitrag über Gruppentherapien (V. Masoud, J. Steiner, D. Zeller), weil Gruppentherapie per se wesentliche Aspekte von Alltagskommunikation integriert.