Sportphysio 2017; 05(02): 94-96
DOI: 10.1055/s-0043-105594
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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12 May 2017 (online)

VERANSTALTUNGSBERICHTE

3. JAHRESTREFFEN DER OS COACHES IN MÜNCHEN

Update Schulter

Am 21.10.2016 begrüßten Oliver Schmidtlein und Matthias Keller die alten und neuen OS Coaches zum dritten Jahrestreffen. Startredner des ersten Themenblocks war Matthias Keller. Er stellte ein Update für den Return-to-Activity-Algorithmus (RTAA) der oberen Extremität vor. Auf Grundlage eigener Untersuchungen, ist die Testbatterie weiter optimiert worden. Durch den Austausch gewisser Tests scheint der RTAA in dem Praxisalltag besser einsetzbar zu sein. Der Return to Activity Algorithmus für die obere Extremität wird noch dieses Jahr in der Manuellen Therapie/Thieme Verlag veröffentlicht.

Wie wichtig die Haltung in Bezug zu Problematiken der oberen Extremität ist, erklärte Oliver Schmidtlein in seinem Vortrag „Reminder Schulter“. Neben den Ursachen für eine Skapuladyskinesie zeigte er, wie das Skapulasetting angeleitet werden muss, bevor ein Schulterpatient mit einem Krafttraining beginnen kann. Außerdem betonte er, dass die Schulterstellung bei jeder Person individuell untersucht und danach korrigiert werden muss. Mit diesem neuen und wieder aufgefrischten Wissen endete der erste Themenblock.

Der zweite Themenblock beschäftigte sich mit aktuellen Therapieformen: Flossing und Kettlebell-Training. Andreas Ahlhorn sprach über „Flossing an der oberen Extremität“. Er erinnerte die Teilnehmer daran, das Flossing-Band nicht einfach nur blind mit dem immer gleichen Zug um Gelenke zu wickeln, sondern sich immer wieder aufs Neue Gedanken zu machen, welche Anlage für den jeweiligen Patienten und seine Pathologie die passende ist. Dabei verwies er auf die vielfältigen Möglichkeiten des Flossing-Bands. Man könne es z. B. auch als Tool zur Regenerationsförderung nutzen und eben nicht nur zur Schmerzlinderung. Das Thema löste eine lebhafte Diskussion aus. Ein Kritikpunkt war die fehlende Evidenz für einen klinischen Einsatz des Flossings. Im Vortrag über das Kettlebell-Training wies der Redner Dr. Till Sukopp auf die Bewegungsqualität hin. Er beschrieb den „einfachen Swing“ sowie den „Turkish Get-up“ als absolute Basisübungen für den Einstieg in ein effektives Ganzkörpertraining.

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Alte und neue OS Coaches probierten in Partnerübungen Techniken des Mulligan-Konzeptes aus. (Foto: S. Meirer)

Spannend wurde es im letzten Themenblock. Der Vortrag über Ellenbogenpathologien von PD Dr. Andreas Lenich räumte mit dem Irrtum auf, dass es sich bei einer Epicondylitis um einen entzündlichen Prozess handelt. Vielmehr sei es eine Epicondylopathie und somit ein pathologischer Umbau des Sehnenansatzes. Injektionen mit Cortison seien daher klar abzulehnen, so der Vorsitzende der Ellenbogenkommission der AGA (Arthroskopie-Gesellschaft).

Das Mulligan-Konzept, als eine mögliche Therapieform der Schulterrehabilitation, stellten anschließend Dr. Claus Beyerlein und Johannes Bessler vor. Die Technik „Mobilisation with Movement“ ist, bei richtiger Indikationsstellung, eine sanfte Behandlungsmethode und kann zu einer deutlichen Funktionsverbesserung führen. Aktiv probierten die Teilnehmer in Partnerübungen Techniken des Mulligan-Konzeptes aus.

Das dritte Jahrestreffen endete mit dem „Update Schultergelenk“, einem Beitrag von PD Dr. Peter Brucker, u. a. Arzt des Deutschen Skiverbands. Dabei stellte er die Frage: Wie viel GIRD gehört bei Wurfsportlern zur physiologischen Adaptation und ab wann ist es eine pathologische Veränderung? Er kam in einer eigenen Studie zu dem Schluss, dass die Grenze bei 15 Grad liegt, die Übergänge allerdings fließend sind und somit eine klare Aussage schwierig zu treffen sei.

Das 4. Jahrestreffen findet am 30.6.2017 in München statt. Die Veranstaltung wird erstmals öffentlich sein. Somit können sich auch interessierte Therapeuten anmelden, die nicht am Seminarsystem teilgenommen haben. Der Themenschwerpunkt des 4. Jahrestreffen wird Return to Sport nach Verletzungen und Beschwerden an der Halswirbelsäule sein

Patrick Lotz und Sven Meirer


# SPORTPHYSIOTAG

physiokongress 2017

Vom 27. bis 29. Januar 2017 fand in Stuttgart auf der TheraPro der physiokongress statt. Für das Programm verantwortlich waren Rosi Haarer-Becker und Uwe Harste, ein eingespieltes Team, das den Kongress nun schon zum 11. Mal gemeinsam organisiert hat. Am zweiten Tag des Kongresses war die Neugier auf die Vorträge beim Sportphysiotag sehr groß. In drei Modulen, zu denen sich die Teilnehmer jeweils individuell anmelden konnten, berichteten die Referenten über neue Erkenntnisse aus der Sportmedizin, die auch wertvolle Informationen für den therapeutischen Alltag in Praxen und Kliniken enthielten.

Wann kann ich wieder Sport treiben? Eine Frage, mit der Therapeuten fast täglich konfrontiert werden – und die oft nicht leicht zu beantworten ist. Doch die drei Referenten im ersten Modul des Sportphysiotages hatten Antworten parat. Eduard Kurz, der zur Rehabilitation nach Verletzungen der unteren Extremität sprach, und Bernd Steinhoff, der den Fokus auf die obere Extremität legte, stellten „Return to Activity“-Algorithmen für die Behandlung verletzter Sportler vor, die sich auch auf Alltagsaktivitäten übertragen lassen. Während traditionell zeitbasierte Konzepte zum Einsatz kommen, bei denen die Vorgaben des Operateurs den Verlauf der Reha beeinflussen, orientieren sich die Referenten des OS Instituts an der Funktion. Genauer gesagt bestimmen quantitative und qualitative Tests nach strengen Vorgaben, wann der Patient oder Sportler von einem Trainingsniveau in das nächsthöhere wechseln und schließlich zum Sport zurückkehren kann. So ermöglicht etwa der „Balance Front Hop Test“ eine klare Entscheidung, ob der Patient nach einer Verletzung am Bein wieder mit dem Laufen beginnen kann. Der neu entwickelte „Wall Hop Test“ erlaubt eine Aussage über die Belastbarkeit von Arm und Schultergürtel. Physiotherapeuten können also mithilfe der vorgestellten Testverfahren eindeutige Aussagen bezüglich der Wiederaufnahme alltäglicher, sportlicher oder beruflicher Belastungen treffen. Ein großer Nutzen für die tägliche Praxis. Nachlesen kann man den Testalgorithmus für die Rehabilitation der unteren Extremität in einem Artikel in der Zeitschrift Sportverletzung – Sportschaden (zu finden auf der Seite www.osinstitut.de).

Mario Bizzini, den Lesern dieser Zeitung als Herausgeber bekannt und dank seiner jahrelangen Erfahrung als Forscher und Autor zahlreicher Publikationen stets am Puls der Zeit, verwies in seinem Referat auf die Schwierigkeiten, den Begriff der Sportfähigkeit und somit auch den Zeitpunkt der Rückkehr zum Sport klar zu bestimmen. Während die Weichen für eine baldige Rückkehr zur vollen Sportfähigkeit („return to performance“) schon unmittelbar nach der Verletzung bei der Erstversorgung gestellt werden, gilt es am Ende des Reha-Prozesses auf sehr unterschiedliche Erwartungen Rücksicht zu nehmen. Im Zentrum der Entscheidung sollten dabei stets das Interesse und die Gesundheit des Sportlers stehen. Dabei spielen nicht zuletzt auch psychologische Faktoren eine wichtige Rolle. Die Diskussion, die sich an die Vorträge anschloss, wurde befeuert durch die kostenlose Ausgabe der Zeitschrift Sportphysio an die Fragenden.

Braucht es den Rehatrainer? Mindestens genauso spannend wie der erste Block war der Beitrag der Schweizer Adrian Rothenbühler und Christian Gutgsell, die in einem launigen Dialog ihr Handeln nach einer Verletzung der schweizerischen Siebenkämpferin Linda Züblin beschrieben. Trainer Rothenbühler war unmittelbar nach der Verletzung auf den Sachverstand und die Kontakte des Sportphysiotherapeuten Gutgsell angewiesen, damit die Verletzung der Sportlerin so schnell wie möglich richtig diagnostiziert und optimal behandelt werden konnte. Danach war ein intensiver Austausch aller Beteiligten nötig, um unmittelbar nach der Verletzung die Weichen für die sportliche Zukunft der Athletin richtig zu stellen. Der intensive Dialog war geprägt von gegenseitigem Respekt und Vertrauen in die Kompetenzen des anderen. Bemerkenswert waren in diesem Zusammenhang die Gedanken von Adrian Rothenbühler über die Rolle eines immer häufiger auftauchenden „Rehatrainers“: eines Physiotherapeuten mit dem Anspruch, Aufgaben des Trainers zu übernehmen. Problematisch ist dieses Bestreben, weil Trainingsprozesse häufig Aktivitäten erfordern, die aus gesundheitlicher Sicht zumindest fragwürdig sind. Sind die Therapeuten dann auch bereit, Verantwortung für mögliche Verletzungen oder Rückschläge zu übernehmen, also in die Rolle der „bad guys“ zu schlüpfen? Oder wäre es nicht besser, als „good guy“ ein Regulativ für die Arbeit des Trainers zum Wohl des Athleten zu bilden? Fragen, die an dieser Stelle unbeantwortet blieben.

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Eindrücke vom Sportphysiotag 2017 in Stuttgart (Fotos: J. Schwarz)

Braucht es Coping? Dieser Frage ging der Physiotherapeut Peter Brem in seinem Vortrag nach, und es war nicht verwunderlich, dass er die Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortete. In seinem Referat stellte er verschiedene Copingstrategien vor, mit denen Elitesportler schwierige Situationen bewältigen. Man erfuhr manches zur Theorie von Coping im Sport und wusste am Ende auch, dass sich die Copingstrategien in unterschiedlichen Sportarten aufgrund verschiedener Anforderungen stark unterscheiden. Was aber fehlte, war der Bezug zum Tätigkeitsfeld des Sportphysiotherapeuten. Den stellte der Mitherausgeber der Zeitschrift Sportphysio, Harald Bant, wieder her. Sein Vortrag zur „Aktiven Reha bei Rückenschmerzen im Sport“ folgte der These, dass die meisten Rückenbeschwerden bei Sportlern infolge einer Instabilität entstehen. Folgerichtig muss der Sportphysiotherapeut sein Augenmerk auf die Wiederherstellung der Stabilität der Wirbelsäule richten, nicht nur in Bezug auf die Haltung („posture“), sondern auch bei dynamischen bis hin zu komplexen sportartspezifischen Bewegungen („movements“). Ähnlich wie die beiden Referenten vom OS Institut orientiert sich Bant dabei an einem Leitfaden, der den jeweiligen Leistungsstand des Sportlers und die Qualität der Bewegungen berücksichtigt. Ziel der Therapie ist immer die volle Leistungsfähigkeit des Sportlers, sodass dieser seinen Rücken in vollem Umfang bei guter Bewegungsqualität belasten kann. „Belastung“ ist auch das richtige Stichwort für den letzten Referenten des Sportphysiotages.

Der mit der Langhantel. Nicht an Selbstbewusstsein mangelt es Martin Zawieja, der als ehemaliger Gewichtheber und heutiger Athletiktrainer den Einsatz der Langhantel zu Therapie- und Trainingszwecken anpries. Bewusst provokant zeigte er Bilder von jungen Turnerinnen, die mit der Langhantel auf den Schultern an ihrer Rumpfstabilität arbeiten. Dass dies keine „vorsätzliche Körperverletzung“, sondern vielmehr im Sinne der Prävention wirksam ist, wenn man auf die Bewegungsqualität achtet, davon ist der Bronzegewinner im Superschwergewicht bei der Olympiade in Seoul 1988 zutiefst überzeugt. Voraussetzung für den Einsatz von Hanteln im Athletiktraining ist allerdings eine genaue Analyse des Status quo der Sportler. So werden individuelle Stärken und Schwächen gezielt aufgedeckt. Beim Training müssen außerdem die unterschiedlichen Adaptationszeiten der verschiedenen Gewebe berücksichtigt werden. Wenig hält Zawieja von der herkömmlichen Einteilung der motorischen Grundeigenschaften, die aus seiner Sicht differenzierter betrachtet werden müssen. Unter dem Stichwort Kraft schlägt er vor, nicht nur die Maximalkraft und Eigenschaften wie die Kraftausdauer oder Schnellkraft zu betrachten, sondern auch die Leistungsfähigkeit, die mehr funktionelle Aspekte berücksichtigt. Letztlich geht es beim Krafttraining wie im gesamten Rehabilitationsprozess darum, nicht nur den Muskel, sondern auch das Nerven-, Stütz- und Bindegewebe zu trainieren. Eine Erkenntnis, die sicher alle Referenten vom Sportphysiotag unterschreiben können.

Johannes Ermel


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