Transfusionsmedizin 2017; 7(01): 17
DOI: 10.1055/s-0043-101152
Aktuell referiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar: Blutspenden: Wie wirkt sich die demografische Entwicklung aus?

Contributor(s):
Michael Müller-Steinhardt
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Publication Date:
13 March 2017 (online)

Die von Andreas Greinacher et. al. durchgeführte erste longitudinale Studie zur Blutversorgung und zum Blutbedarf in Mecklenburg-Vorpommern ist von großem Interesse, da sie die Herausforderungen durch den demografischen Wandel in den kommenden 2 Jahrzehnten adressiert, der nicht nur die neuen Bundesländer, sondern die gesamte Bundesrepublik und viele westliche Industriestaaten betreffen wird. Der Anteil der älteren Bevölkerung (> 65 Jahre), der besonders komplexe medizinische Therapien und damit auch mehr Bluttransfusionen benötigt, wird vor allem durch die geburtenstarken Jahrgänge der 1960iger Jahre in naher Zukunft deutlich anwachsen, während gleichzeitig der Anteil der potenziell spendefähigen Bevölkerung (18–68 Jahre) durch die sinkenden Geburtenraten der letzten Jahrzehnte kontinuierlich abnehmen wird. Die vorliegende Studie veranschaulicht jedoch, dass diese Zusammenhänge komplexer sind, als noch vor wenigen Jahren erwartet, und weitere Faktoren dieses vermeintlich wachsende Ungleichgewicht zwischen Bereitstellung und Bedarf an Blutprodukten beeinflussen. In Mecklenburg-Vorpommern verschärfen z. B. ein durch die Wiedervereinigung besonders deutlicher Rückgang der jungen Bevölkerung zwar einerseits die Gewinnung von Blutprodukten, was andererseits aber bisher sehr erfolgreich durch gesteigerte Aktivitäten der bestehenden und neu gegründeter Blutspendezentren kompensiert werden konnte. Andererseits haben eine zunehmend restriktivere Transfusionspraxis die alterskorrigierte Transfusionsrate pro 1000 Einwohner von 2005 bis 2010 sinken lassen. Dennoch kommt es auch in Mecklenburg-Vorpommern sogar bei einer schrumpfenden Bevölkerung zu einem absoluten Anstieg der Transfusionen von 2005 bis 2010, der allerdings deutlich schwächer ausfällt, als noch wenigen Jahren prognostiziert. Ursache ist und bleibt die überproportionale Zunahme der Über-65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung.