intensiv 2017; 25(03): 109
DOI: 10.1055/s-0042-123970
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
05 May 2017 (online)

Wir sind Fremde – fast überall.

(Arno Reis (*1939), dt. Autor)

Das Thema Kultur spielt in unserem Leben eine zentrale Rolle. Nicht erst seit den Migrations- und Fluchtbewegungen fast überall auf der Welt sind wir im privaten wie im beruflichen Umfeld mit Menschen in Kontakt, die eine andere soziokulturelle Prägung erfahren haben. Eine kultursensible Pflege beginnt mit einem kritischen und reflexiven Umgang mit den eigenen Vorstellungen und Begriffen. Denn wir alle haben Bilder und Vorstellungen im Kopf, die unser Denken und Handeln leiten. Ein unkritischer Umgang mit Kultur führt schnell zu Vorurteilen, Verallgemeinerungen und Stereotypen. Ganz besonders im Umgang mit dem Fremden, häufig gebraucht als Kollektivbegriff für ganze Gruppen (die Araber, die Türken, die Muslime), wird schnell eine Andersartigkeit bescheinigt, die mit der Kultur erklärt wird. Diese Vorstellungen werden oftmals nicht mehr infrage gestellt. Dabei sind solche normativen Vorstellungen abhängig vom politischen und soziokulturellen Kontext und natürlich wandelbar.

Eindeutig abgrenzbare Kulturen gibt es nicht, was sollte auch das Kriterium dafür sein: die Religion? Die Sprache? Die Nationalität? Ein passender Begriff scheint am ehesten der der Transkulturalität zu sein, denn damit werden die Einseitigkeiten der meisten anderen Kulturkonzepte, die von fest abgrenzbaren Kulturen ausgehen, überwunden. Es geht dabei nicht darum, die Unterschiede zwischen den Menschen zu ignorieren, aber sie werden eben nicht verallgemeinert und stereotypisiert. Mit dem Blick auf einzelne Menschen (und nicht auf Bevölkerungsgruppen) gelingt es eher, das Gemeinsame und Verbindende sowie auch das Trennende und Widersprüchliche herauszuarbeiten, um so Ansatzpunkte für gemeinsame Handlungsstrategien zu entwickeln.

In den drei Beiträgen unseres Schwerpunkts beleuchten wir das Thema von unterschiedlichen Blickwinkeln aus. So thematisiert der erste Artikel die Bedeutung von kulturgebundenen Krankheits- und Pflegeverständnissen. Grundlage für den zweiten Text ist eine qualifizierte Forschungsarbeit zur transkulturellen Kompetenz in der Palliative Care. Im letzten Beitrag des Schwerpunkts geht es um die Begleitung muslimischer Eltern während der Sterbephase ihres Kindes auf der Intensivstation.

Wir möchten Sie für diese wichtige Thematik sensibilisieren, nicht nur für Ihre Arbeit auf der Intensivstation oder in der Anästhesie.

Viel Freude bei der Lektüre wünscht Ihnen

Heiner Friesacher