Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(12): 719
DOI: 10.1055/s-0042-120987
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Hirnforschung – Wie das Gehirn Zusammenhänge erkennt

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Publication Date:
12 December 2016 (online)

Eine weiße Kugel schießt über den Billardtisch und stößt eine blaue Kugel an, die daraufhin losrollt und im Loch versinkt. Instinktiv ist uns klar: Der Zusammenprall löste die Bewegung der roten Kugel aus. Forscher am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und dem Exzellenzcluster Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen haben nun Nervenzellen entdeckt, die möglicherweise an der Wahrnehmung von ursächlichen Zusammenhängen beteiligt sind.

„Bislang war nicht bekannt, wie Kausalitätsurteile auf der Ebene von Nervenzellen verarbeitet werden“, erklärt Prof. Martin Giese, Münster. „Man vermutete jedoch einen Zusammenhang mit der Verarbeitung von motorischen Handlungen – in beiden Fällen muss das Gehirn räumlich-zeitliche Zusammenhänge zwischen Reizen auswerten, die sich gegenseitig beeinflussen.“

In ihrer Studie maßen die Wissenschaftler die Aktivität der Spiegelneurone in der motorischen Hirnrinde von Makaken. Während des Experiments wurden den Tieren auf einem Bildschirm natürliche Handbewegungen sowie abstrakte Reize in Form von bewegten Scheiben gezeigt. Der Bewegungsverlauf der Hände und Scheiben wird durch die gleichen kausalen Beziehungen beschrieben. Es zeigte sich: Die Aktivitätsmuster der Spiegelneurone waren für beide Reizarten fast identisch. „Das Ergebnis deutet darauf hin, dass motorische Bewegungen und bestimmte Aspekte visueller Kausalitätsurteile möglicherweise gemeinsam von den gleichen Nervenzellen verarbeitet werden“, so Giese. „Beide Funktionen greifen scheinbar auf überlappende Gehirnbereiche zurück.“ Die Forscher vermuten, dass höhere Formen der Kausalitätswahrnehmung aus einfachen Mechanismen der Bewegungserkennung und Interpretation entstanden sein könnten.

Nach einer Mitteilung des Hertie-Institut für klinische Hirnforschung