Hebamme 2016; 29(05): 266
DOI: 10.1055/s-0042-117780
Editorial
Hippokrates Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Eltern bei intuitiven und informierten Entscheidungen unterstützen

Cordula Ahrendt
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 October 2016 (online)

Zoom Image

Die Betreuung der Eltern und des Säuglings bis zum Ende der Stillzeit ist ein selbstverständlicher Bestandteil der eigenverantwortlichen Hebammenarbeit. Selbstverständlich ist es jedoch längst nicht mehr, dass Eltern eine Hebamme für diesen Betreuungsteil finden. Auf der Landkarte der Unterversorgung haben sich zum Stand vom 05.10.2016 insgesamt 7.683 Frauen aus Deutschland gemeldet, davon 5.447, die keine Hebamme für die häusliche Wochenbettbetreuung gefunden hatten.

Vor und nach der Geburt haben Frauen und ihre Partner viele Fragen, auch zur Ernährung und Pflege des Babys. Sie wünschen sich Unterstützung beim Erkunden der vielen Möglichkeiten, zum Beispiel in Bezug auf Pflege- oder Stillprodukte und später zum Beginn und der Gestaltung der Beikost.

Die heutige Eltern-Generation Y ist größtenteils im Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation groß geworden. Sie versteht es, Informationen auf digitalem Wege effizient zu erwerben und auszutauschen. Entwicklungsschritte des Kindes vergleichen die Eltern online mit Referenztabellen oder verfolgen die Erfahrungen anderer in Chats. Die Y-loner sind meist gut gebildet und streben nach einer Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Sie wollen perfekte Eltern werden. Trotz des umfangreichen Informationspools wünscht sich diese Generation individuelle Beratung auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie möchte in ihren Entscheidungen rund um die Geburt unterstützt und bestärkt werden von Hebammen als Fachfrauen.

Die Eltern-Generation Y lehnt Reglementierungen ab und trifft wichtige Entscheidungen individuell, nach den unmittelbaren Vor- und Nachteilen für die eigene Person, für die Familie und deren Gesundheit. Sie möchte diese aber gegebenenfalls auch flexibel handhaben können. Hierin liegen die Chancen unserer Hebammenarbeit und eine große Ressource: Das sinnhafte Verstehen, zum Beispiel von Prinzipien zur Ernährung und Pflege des Säuglings, kann lebenslang die Gesundheit des Neugeborenen und der ganzen Familie fördern. In einer vertrauensvollen Beratungssituation kann die Hebamme die elterliche Intuition fördern und die individuellen situativen Bedürfnisse des Kindes in den Fokus der Entscheidungen rücken.

Die Autorinnen dieser Ausgabe liefern uns wichtige evidenzbasierte Fakten für die Beratung der Eltern.

Die Beiträge von Anja Constanze Gaca und Prof. Dr. Mathilde Kersting stellen heraus, dass es DIE beste Methode bei der Beikosteinführung eben nicht gibt. Neben den ernährungsphysiologischen Grundsätzen sind vor allem die Individualität des Säuglings und die mögliche Kombination der Vorteile von Brei und Fingerfood die Leitsätze des Handelns.

Hebammen als Fachfrauen sind auch bei der Prävention und Therapie schmerzender Brustwarzen während der Stillzeit unerlässlich. Regine Gresens hat für uns das Wissen zu diesem Thema fundiert, praxisnah und anschaulich zusammengefasst.

Prof. Dr. Dietrich Abeck räumt mit alten Mythen auf und stellt diesen Fakten entgegen. So etwa dem Irrtum, reines Wasser oder ein „natürliches“, für die Nahrungsmittelindustrie hergestelltes Produkt wie Olivenöl sei das Beste für die Pflege des Babys. Zudem hebt er die Bedeutung der Käseschmiere für ein neugeborenes Kind hervor und bringt uns dazu, den Zeitpunkt des ersten Bades zu reflektieren.

Viele weitere Beiträge in diesem Heft werden Sie in Ihrer Professionalität bei der Betreuung der Eltern unterstützen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen sowie Zeit und Freude bei der Begleitung der Eltern auf ihrem Weg zu intuitiven und informierten Entscheidungen.

Ihre

Cordula Ahrendt