Sportphysio 2016; 04(04): 148-150
DOI: 10.1055/s-0042-116672
Research
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sportphysio Research

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Publication Date:
04 November 2016 (online)

Vorderes Kreuzband

LEVER SIGN TEST – VIELVERSPRECHENDE ALTERNATIVE ZU DEN KLASSIKERN Die Diagnosestellung bei Verdacht auf eine VKB Ruptur ist eine der Herausforderungen im sportphysiotherapeutischen Alltag. Sie setzt sich zusammen aus der Geschichte, den klinischen Tests sowie einer Bildgebung mittels MRI. Die klassischen Tests wie Lachmann, Pivot Shift und vordere Schublade benötigen viel Erfahrung in der Durchführung und überzeugen bekanntlich nicht durch eine gute Validität. 2014 tauchte ein neuer klinischer Test in der Literatur auf, der Lever Sign Test. Der Test wurde vom italienischen Chirurgen Alessandro Lelli beschrieben und wird deshalb manchmal auch Lelli Test genannt. Alessandro Lelli führte auch eine erste Studie an 400 Patienten durch, in der er die Sensitivität des neuen Tests mit der Sensitivität der anderen 3 Tests verglich (Lelli et al., 2014). Die Patienten wurden gemäß ihres bereits vorhandenen MRI-Befundes in 4 Gruppen unterteilt: frische (bis 20 Tage nach Trauma) komplette Rupturen, frische inkomplette Rupturen, chronische (ab 20 Tage bis 4 Jahre) komplette Rupturen und chronische inkomplette Rupturen. Jede Gruppe umfasste 100 Patienten der entsprechenden Kategorie. Ausschlusskriterien waren Begleitverletzungen im Bereich des Knorpels, des Meniskus, weiterer Ligamente sowie vorhergegangene VKB-Rekonstruktionen.

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Abb. 1 Leichter Druck auf den ventralen Oberschenkel lässt die Ferse beim intakten vorderen Kreuzband abheben. (Foto: A. Boger)
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Abb. 2 Ist das vordere Kreuzband gerissen, hebt die Ferse selbst bei sehr starkem Druck nicht ab. (Foto: A. Boger)

Dr. Lelli führte die Tests als einziger durch. Die unverletzte Seite diente als Kontrollgruppe, wobei er nicht wusste, welche die verletzte Seite war. Die Hypothese war, dass die akuten inkompletten Rupturen am schwierigsten, die kompletten chronischen Rupturen am einfachsten zu erkennen sind. Für diese 400 Patienten lag die Durchschnittssensitivität bei 0.62 für den Lachmanntest, bei 0.72 für die vordere Schublade, bei 0.47 für den Pivot Shift Test und 1.00 für den Lever Sign Test (MRI zwischen 94–98 %).

Auf die einzelnen Patientengruppen verteilt schaute das Resultat in der Studie von Lelli so aus:

Auf der gesunden Seite gab es keine falsch positiven Befunde.

Auch wenn diese Resultate sehr vielversprechend scheinen, ist einiges an der Studiendurchführung zu bemängeln: Die Verblindung gegenüber der gesunden Gegenseite ist so unzureichend, es ist denkbar, dass vor allem bei den akuten Fällen das betroffene Knie auch aufgrund anderer Hinweise herauszufinden ist – es fehlt also eine echte Kontrollgruppe. Zudem ist die Testreihenfolge etwas unklar, gerade auch weil auf der –vermeintlich blindierten- gesunden Seite nur der Lever Sign Test durchgeführt wurde. Auch wurde nur ein einzelner Tester eingesetzt. In die Studie wurden nur isolierte VKB-Verletzte eingeschlossen, viele VKB-Patienten weisen aber zusätzliche Verletzungen auf. Wie gut der Test dann einsetzbar ist, ist noch unbekannt.

2015 erschien eine zweite Studie von einer türkischen Gruppe (Deveci et al 2015), welche die Sensitivität des Lever Sign Tests sowie der gängigen anderen klinischen Tests an anästhesierten und nicht anästhesierten Patienten im Vergleich zum Goldstandart – der Arthroskopie – verglichen. Die Hypothese war, dass der Lever Sign Test sensitiver sei als die gängigen VKB Teste und dass das Testresultat weniger davon abhängt, ob der Patient unter Anästhesie ist. Auch die hier eingeschlossenen Patienten hatten eine bereits im MRI diagnostizierte, isolierte VKB Problematik: 82 hatten eine komplette Ruptur, 27 eine partielle Ruptur und 8 eine Elongation. In der Studie gab es keine akuten Fälle, die Zeit seit der Verletzung betrug bei allen Patienten mindestens drei Wochen, durchschnittlich knapp neun Wochen (range 4–25 w).

Erneut überzeugt der Lever Sign Test mit der besten Sensitivität sowohl vor als auch unter Anästhesie. Aber auch diese Studie weist einige Mängel in der Durchführung auf. Erneut fehlt eine wirkliche Kontrollgruppe mit gesunden Personen, es diente wieder die gesunde Seite als Kontrollgruppe. Zwar führten zwei Tester die Prüfungen durch, auf die Übereinstimmung wurde aber nicht näher eingegangen.

TABELLE 1

Sensitivität der einzelnen Teste in den Subgruppenin Prozent

Lachmann

Vord Schublade

Pivot Shift

Lever sign

akut komplett

66

75

23

100

akut partiell

42

29

11

100

chronisch komplett

100

100

98

100

chronisch partiell

39

83

56

100

TABELLE 2

Sensitivität in Prozent der einzelnen Tests ohne und unter Anästhesie

Lachmann

Vord Schublade

Pivot Shift

Lever sign

Präanästhesie

80.5

60.1

62.3

94.2

Postanästhesie

88.7

84.2

88.3

98.4

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Test einfach zu lernen und durchzuführen ist und deshalb angenehm als zusätzlicher Test in die Testbatterie von VKB Tests integriert werden kann. Es dürfte ein Vorteil sein, dass nicht stark über das Knie oder den Unterschenkel manipuliert werden muss und der Patient so vermutlich weniger Schutzspannung aufbaut, dies könnte erklären, warum die Sensitivität bereits bei nicht anästhesierten Patienten hoch ist. Die hohe Sensitivität auch bei akuten Teilrupturen könnte durchaus helfen bei der Entscheidungsfindung auf dem Feld. Die generell sehr hohe Sensitivität muss aber dringend noch in Studien mit höherer methodischer Qualität bestätigt werden.

Unklar bleibt die Aussagekraft des Lever Signs bei Mehrfachverletzungen des Knies, wie sie oft im Sport auftreten. Auch ist nicht klar, wie sich ein Extensionsdefizit oder eine massive Laxität auf das Testresultat auswirkt. ml

Deveci A, Cankaya D, Yilmaz S et al. The arthroscopical and radiological corelation of lever sign test fort he diagnosis of anterior cruciate ligament rupture. Springerplus 2015; 4: 830

Lelli A, Di Turi RPSpenciner DB et al. The «Lever Sign” : a new clinical test for the diagnosis of anteriorcruciate ligament rupture. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2014

WEITERE INFOS

Lever Sign Test -Testbeschreibung: Die Idee des Tests beruht darauf, dass das VKB Hauptstabilisator einer posterior-anterior-Bewegung der Tibia ist, vor allem um 30 ° Flexion. Der Patient liegt in Rückenlage auf der Behandlungsbank, die Knie sind gestreckt. Der Untersucher platziert seine aufgestellte Faust unter das proximale Drittel des Unterschenkels (ca. 3 Finger unterhalb der Tuberositas tibiae), was eine leichte Knieflexion zur Folge hat. Die andere Hand macht einen anteior-posterior-Schub auf dem distalen Drittel des Oberschenkels. Bei intaktem VKB hebt sich der Fuß aufgrund der Spannung auf dem vorderen Kreuzband von der Unterlage ab. Bei einer Teilruptur oder Ruptur passiert eine pa Bewegung der Tibia (anstelle einer Extension) und der Fuß bleibt liegen.

LINKS

Link zum Lever Sign Test / Lellie Test: https://www.youtube.com/watch?v=eEhpwTU3KXg))