Krankenhaushygiene up2date 2016; 11(03): 307-320
DOI: 10.1055/s-0042-113378
Antibiotikaanwendung
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Antibiotika für lebensmittelliefernde Tiere – Überwachung, Kontrolle, rechtliche Vorgaben

Anette Schwaller
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Publication Date:
05 September 2016 (online)

Tierärztliches Dispensierrecht

Tierärzte erhalten im Rahmen des Tiermedizinstudiums eine pharmakologische Ausbildung und besitzen ein Dispensierrecht, d. h. sie dürfen als Ausnahme vom Apothekenmonopol Arzneimittel im Großhandel oder bei pharmazeutischen Unternehmern beziehen und an Tierhalter abgeben. Allerdings gilt das Dispensierrecht nur unter Einhaltung strenger Regeln: Grundsätzlich darf der Tierarzt Arzneimittel nur für Tiere abgeben, die von ihm behandelt und in diesem Zusammenhang auch angemessen untersucht worden sind. Die Behandlung schließt dabei die Kontrolle der Weiterbehandlung durch den Tierhalter sowie des Behandlungserfolges ein.

Das AMG mit seinen Folgeverordnungen, z. B. der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken [7], sowie Vorgaben der EU enthalten detaillierte Beschränkungen der Therapiefreiheit für Tierärzte bezüglich der Anwendung und Abgabe von Arzneimitteln. Besonders streng reglementiert ist dabei die Anwendung und Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel, wie z. B. Antibiotika, und die Anwendung von Arzneimitteln bei lebensmittelliefernden Tieren. Verstöße gegen die hier geltenden Vorgaben sind häufig strafbewehrt.

Sowohl die Kontrolle der tierärztlichen Hausapotheken als auch der Arzneimittelanwendung bei Nutztieren durch Tierhalter erfolgt durch die für die Veterinärüberwachung zuständigen Behörden der Bundesländer. Dabei werden Hausapotheken i. d. R. alle 2 Jahre kontrolliert, landwirtschaftliche Nutztierhaltungen risikobasiert.

Kernaussagen
  • Auch lebensmittelliefernde Tiere können an bakteriellen Infektionskrankheiten leiden und müssen dann mit Antibiotika behandelt werden.

  • Antibiotika für lebensmittelliefernde Tiere werden nach einer Nutzen-Risiko-Analyse zugelassen, die die Aspekte der Resistenzbildung und des Rückstandsverhaltens berücksichtigt.

  • Die Therapiefreiheit der Tierärzte hinsichtlich des Einsatzes von Antibiotika unterliegt rechtlichen Beschränkungen.

  • In einem Gemeinschaftsverfahren ist EU-weit festgelegt, welche antibiotischen Wirkstoffe an lebensmittelliefernde Tiere verabreicht werden dürfen.

  • Für zulässige Wirkstoffe konnte eine Höchstmenge für Rückstände (MRL) im Lebensmittel bestimmt werden, bei deren Unterschreitung keine Gesundheitsgefährdung beim Verzehr zu erwarten ist.

  • Zwischen der letzten Anwendung eines Antibiotikums bei Nutztieren und der Gewinnung von Lebensmitteln sind festgelegte Wartezeiten einzuhalten, um zu gewährleisten, dass Rückstände pharmakologischer Wirkstoffe abgebaut wurden und unterhalb der festgesetzten Höchstmenge liegen.

  • Im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans (NRKP) werden Lebensmittel tierischer Herkunft u. a. auf das Vorhandensein verbotener Stoffe und von Rückständen oberhalb festgelegter Höchstmengen untersucht.

  • Die im NRKP aufgefundenen positiven Rückstandsbefunde an Antibiotika bewegen sich seit Jahren auf niedrigem Niveau.

  • Eine Gefährdung von Verbrauchern durch diese aufgefundenen positiven Rückstandsbefunde war laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht gegeben.

  • Laut Europäischer Kommission spielen Antibiotikarückstände in tierischen Lebensmitteln hinsichtlich der Ausbildung und Verbreitung von Resistenzen nur eine untergeordnete Rolle.

 
  • Literatur

  • 1 Wallmann J, Hauck R, Schwarz C et al. Antibiotika: Gesetzgebung und Datenerfassung in Deutschland. J Verbr Lebensm 2015; 10: 251-257
  • 2 Verordnung (EG) Nr. 470/2009 über die Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Lebensmitteln tierischen Ursprungs, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates und zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates.
  • 3 Gehling M. Rückstände in der Lebensmittelkette – Bewertung der Ergebnisse des nationalen Rückstandskontrollplans. BfR-Symposium „Antibiotikaresistenz in der Lebensmittelkette“. Berlin: 2013
  • 4 Verordnung (EU) Nr. 37/2010 über pharmakologisch wirksame Stoffe und ihre Einstufung hinsichtlich der Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs.
  • 5 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG). https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/amg_1976/gesamt.pdf
  • 6 Bundestierärztekammer. Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln – mit Erläuterungen. Schlütersche; Beilage zum Deutschen Tierärzteblatt. 2015 03.
  • 7 Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV).
  • 8 Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Arzneimittel des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI-Arzneimittelverordnung – DIMDI-AMV).
  • 9 European Medines agency (EMA). European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption (ESVAC). Sales of veterinary antimicrobial agents in 26 EU/EEA countries in 2013. Fifth ESVAC report; (EMA/387934/2015). 2015
  • 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Bekanntmachung des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Therapiehäufigkeit eines Tierhaltungsbetriebes. BD BAnzA 2013; 38: 1427-1428
  • 11 Verordnung (EG) NR. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs.
  • 12 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2013. Nationale Berichterstattung an die EU, Nationaler Rückstandskontrollplan (NRKP), Einfuhrüberwachungsplan (EÜP) . Springer; 2016
  • 13 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Jahresbericht 2013 zum Nationalen Rückstandskontrollplan (NRKP). BVL. 08.04.2015
  • 14 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Ergebnisse des Nationalen Rückstandskontrollplanes und des Einfuhrüberwachungsplanes von 2013 belegen hohes Maß an Sicherheit bei Lebensmitteln tierischer Herkunft. Stellungnahme Nr. 035/2015 des BfR. 01.10.2015
  • 15 Europäische Kommission (EC), Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE). Overview report on EU member states' 2013 residue monitoring plans as regards critically important antimicrobials. DG(SANTE) 2015-7211 – MR. 2015