Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(04): 210
DOI: 10.1055/s-0042-104457
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medikamentenabhängigkeit: Entstehungsbedingungen – Klinik – Therapie

Contributor(s):
M. Weih
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 April 2016 (online)

Jeder Arzt, ob im Krankenhaus oder in der Klinik tätig, ist mit Suchterkrankungen konfrontiert. Während die Alkoholerkrankung mit all ihren körperlichen und psychischen Facetten dominiert und die Probleme der illegalen Drogen im Wesentlichen bekannt sind, fallen die iatrogenen, „unspektakulären“ medikamentösen Suchterkrankungen, allen voran die Benzodiazepin- und Opiatabhängigkeit, oft nicht auf den ersten Blick auf. Dabei spielt das Problem quantitativ eine große Rolle mit vermutlich über einer Million Betroffenen und nicht seltenen Todesfällen, wie Michael Jackson. Das Thema wurde in den psychiatrischen Standardwerken bislang nur am Rand abgehandelt und auch in den Fachzeitschriften eher selten behandelt. Umso erfreulicher ist es, dass Prof. Dr. med. Michael Soyka, Ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik in Meiringen/Schweiz, die erste Auflage des Buchs „Medikamentenabhängigkeit: Entstehungsbedingungen – Klinik – Therapie“ aus dem Schattauer-Verlag in Stuttgart vorlegt. Das noch kompakte Buch hat 215 Seiten mit 14 Abbildungen und 42 Tabellen. Es ist eingeleitet durch den im deutschsprachigen Raum aus der Suchttherapie bekannten Prof. Karl Mann aus Mannheim/Heidelberg. Das Buch richtet sich an klinische Psychiater, aber auch Allgemeinärzte, Ärzte aller Fachrichtungen, klinische Psychologen und Psychotherapeuten. In der Grundgliederung geht Soyka von der Epidemiologie über zu den einzelnen Substanzen, namentlich den Opiaten, Benzodiazepinen, Tranquilizern, Hypnotika, Anxiolytika, Z-Drugs, Barbituraten und Psychostimulanzien. Er vergisst aber auch nicht seltenere Süchte wie Ketamin und Pregabalin und erwähnt sogar Suchtstoffe ohne direkte psychotrope Effekte wie Laxantien oder Potenzmittel. Weitere Kapitel umfassen die diagnostischen Kriterien, die Psychotherapie, abgerundet durch spezielle Problemstellungen wie „Neurodoping“. Die einzelnen Krankheitskapitel sind nicht einheitlich gegliedert. Als didaktisch auflockernde Elemente stellt der Autor in bester angelsächsischer Tradition ausführliche Kasuistiken an den Beginn. Der Text ist durch zahlreiche Gliederungen übersichtlich und immer nahe an der Praxis. Wichtige Punkte wie Dosierungen sind durch gut sichtbare Rahmen mit Symbolen hervorgehoben, weiterführende Informationen bzw. Querverweise auf andere Texte oder Merksätze finden sich in Textboxen. An Abbildungen wurde etwas gespart, die wichtigsten Strukturformeln, wie die Grundstruktur der Benzodiazepine, finden sich natürlich. Als Alternative zum vorliegenden Werk kann außer nicht substanzieller Beratungsliteratur das schon ältere Werk „Medikamentenabhängigkeit“ aus der Reihe Fortschritte der Psychotherapie von Karin Elsesser und Gudrun Sartory von 2001 aus dem Hogrefe Verlag erwähnt werden. Zusammenfassend hat Prof. Soyka mit seinem Buch endlich eine Lücke im deutschsprachigen Raum geschlossen, was die Diagnostik und Therapie der wirklich wichtigen Medikamentenabhängigkeit betrifft, von denen vermutlich kein Fachgebiet ausgespart bleibt.

Prof. Markus Weih, Nürnberg