Gesundheitswesen 2016; 78(07): 460-466
DOI: 10.1055/s-0042-100619
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geschlechtersensible Forschung – ein Survey unter Epidemiologinnen und Epidemiologen in Deutschland

Sex/Gender-sensitive Research – A Survey of Epidemiologists in Germany
D. Gansefort
1   Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, Abteilung Prävention und Evaluation, Bremen
,
I. Jahn
1   Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, Abteilung Prävention und Evaluation, Bremen
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Publication Date:
18 March 2016 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Epidemiologie ist die Grundlagenwissenschaft von Public Health und Versorgungsforschung und soll qualitativ hochwertige wissenschaftliche Evidenz für die Prävention und Gesundheitsversorgung liefern. Geschlecht als soziale wie biologische Strukturkategorie der Bevölkerung spielt eine zentrale Rolle bei der Analyse epidemiologischer Fragestellungen. Welche Erfahrungen, Einstellungen, Bedürfnisse und Bedarfe hinsichtlich geschlechtersensibler Forschung die Forschenden selbst haben, ist bislang kaum untersucht. Diese Fragen waren Gegenstand einer Befragung von Epidemiologinnen und Epidemiologen in Deutschland, deren Ergebnisse berichtet werden.

Methodik: Es wurde ein online-Survey unter Mitgliedern der deutschen epidemiologischen Fachgesellschaften durchgeführt und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Von den 276 Teilnehmenden (Responserate 24,6%) waren 64% weiblich, drei Viertel waren im Wissenschaftsbereich tätig. Rund 70% haben Erfahrungen mit geschlechtersensibler Forschung, 83% äußerten ein mögliches Interesse, sich in Zukunft damit zu beschäftigen. Als wichtige Themen wurden das Zusammenwirken von Geschlechteraspekten mit anderen Faktoren sozialer Ungleichheit sowie der Berücksichtigung von Geschlecht in den Phasen des Forschungsablaufs gesehen. Im Hinblick auf Erfahrungen und Bedarfe zeigten Frauen und jüngere Teilnehmende höhere Werte. Für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema wurden vor allem Workshops auf den Jahrestagungen der Fachgesellschaften sowie online verfügbare Informationsmaterialien als wichtig erachtet.

Schlussfolgerung: Bei einer niedrigen Responserate kann eine für die Fragestellung positive Selektion nicht ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass viele Epidemiologinnen und Epidemiologen an geschlechtersensibler Forschung interessiert sind und auch entsprechende eigene Erfahrungen haben. Eine kleinere Gruppe ist weniger interessiert. Weitere Qualifizierung und die Einbindung der Forschungsförderung und der Fachgesellschaften können zur Stärkung der Geschlechtersensibilität in der epidemiologischen Forschung national wie international beitragen.

Abstract

Background and Aims:Epidemiology is the basic science of Public Health and has to provide high-quality scientific evidence for disease prevention and health care. Sex/Gender, as social and biological structure categories of population, play a central role in the analysis of epidemiological data. Whether and how epidemiologists incorporate sex/gender aspects in their research, their attitudes, needs and requirements they have in this context have hardly been investigated. These questions were addressed in a survey of epidemiologists in Germany.

Methods:With the support of the respective scientific societies, an online survey was conducted of German epidemiologists, and the data subjected to descriptive analysis.

Results:Approximately 64% of the 276 participants (response rate 25%) were female and 75% worked in the academic field. 70% reported having had experience in sex/gender-sensitive research and 83% expressed future interest in this topic. Issues mentioned as important were interaction of gender aspects and other factors of social inequality as well as the inclusion of sex and gender in all phases of the research process. Women and younger participants reported more experience and more needs concerning sex/gender sensitive research. To facilitate further incorporation of sex/gender-sensitive research in epidemiology, special workshops/tutorials at the respective scientific societies’ annual meetings and online information materials were rated as important.

Conclusion:Due to the low response rate, a positive selection of participants cannot be ruled out. The results show that, while a large group of epidemiologists had experience and interest in gender-sensitive research, there are some with less interest. Possible starting points for the strengthening of sex/gender-sensitivity research include further training and involvement of scientific societies in the process.