intensiv 2016; 24(01): 1
DOI: 10.1055/s-0041-107563
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Heiner Friesacher
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 January 2016 (online)

My brain is my second favorite organ.
(Woody Allen, Komiker)

Das Leben eines Menschen ist nicht allein über die Funktionen eines Organs zu definieren. Wie fatal die Reduktion des Menschen auf seine Hirnleistungen ist, zeigen die Diskussionen um den Personenstatus von Menschen mit schwerer Demenz und auch von Menschen im Wachkoma und Koma. Auch die Zuschreibung „bewusstlos“ sollte vermieden werden, denn solange Menschen leben, ist menschliches Sein auch bewusstes Sein, für uns allerdings oft nicht klar erkennbar. Traditionelle Skalen wie die Glasgow Coma Scale (GCS) greifen hier zu kurz und folgen lediglich einem Reiz-Reaktions-Schema, welches der Komplexität des Bewusstseins nicht gerecht wird.

Förderung und Teilhabe von Menschen gerade auch mit schweren neurologischen Beeinträchtigungen sind Ziel und unbedingtes Gebot von Anfang an. Aus einer beziehungsmedizinischen Sicht, wie sie in dem Beitrag von Andreas Zieger am Beispiel von Menschen im Wachkoma dargelegt wird, beginnt die neurologische Frührehabilitation deshalb schon auf der Intensivstation und wird auch in den folgenden Institutionen bis zu Hause weiter fortgesetzt. Die Ermöglichung von sozialer Teilhabe ist ein Recht für jeden Menschen und Voraussetzung für gelingende soziale Integration.

Wie komplex die Anforderungen an eine Frühmobilisation von Patienten auf der Intensivstation sind, zeigt Peter Nydahl anhand eines konkreten Fallbeispiels, eines Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom (GBS). Insgesamt ist die Studienlage zur Frühmobilisation gut, doch im konkreten Fall gibt es viele offene Fragen: Wie oft sollen Patienten mobilisiert werden? Wie lange soll ein Mobilisationsversuch dauern? Wer ist zuständig und verantwortlich? Wie müssen Rahmenbedingungen gestaltet sein, damit aufwendige Mobilisationen auch möglich sind?

In beiden Beiträgen wird deutlich, dass die Herausforderungen nur im interdisziplinären Team unter Einbeziehung der An- und Zugehörigen zu leisten sind. Eine Begegnung auf Augenhöhe und der Verzicht auf berufsständische Attitüden sollten dabei selbstverständlich sein.

Ihr

Heiner Friesacher