neuroreha 2015; 07(04): 184-185
DOI: 10.1055/s-0041-104801
Schwerpunkt Training
Aus der Praxis
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

3. Mannschaft des USC München: Rollstuhlbasketball

Ein Interview mit Hermann Schwieters und Thiemo Schrauder
Klaus Starrost
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Publication Date:
04 December 2015 (online)

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Hermann Schwieters (Foto: Christine Linnig)
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Thiemo Schrauder (Foto: Christine Linnig)

In welcher Spielklasse befindet sich der USC, bitte beschreiben Sie kurz die Geschichte

Der USC spielt in der Landesliga Bayern. Die 3. Mannschaft ist das Nachwuchsteam und Unterbau der 2. Mannschaft. Das Team besteht aus lang gedienten und erfahrenen Spielern. Anfänger und junge Talente finden hier die Möglichkeit, erste Spielerfahrungen zu sammeln.

Im Rollstuhlbasketball können Männer und Frauen, Menschen mit und ohne Behinderung und Menschen mit unterschiedlich ausgeprägten Behinderungen miteinander Sport treiben. Durch ein Punktesystem werden die unterschiedlichen körperlichen Leistungsfähigkeiten ausgeglichen, und so kommt es zu fairen Wettkämpfen. Bitte beschreiben Sie das Punktesystem.

Entscheidend für die Klassifizierung sind die Fertigkeiten des Spielers beim Schieben und Lenken des Rollstuhls, Unter-Kontrolle-Bringen des Balles, Wurf, Passen, Rebound, Dribbling.Außerdem sind folgende Faktoren zur Festlegung der Klassifizierung wichtig: Rumpffunktion, die Funktion der unteren und oberen Gliedmaßen und die Handfunktion.Ein Spieler wird je nach funktioneller Einschränkung mit Punkten von 1 (höchste behinderte Stufe) bis 4,5 (nicht behindert) klassifiziert. Auf dem Spielfeld dürfen fünf Spieler zusammen nicht mehr als 14,5 Punkte haben.Im Spielbetrieb dürfen maximal zwei nicht behinderte Spieler/innen gleichzeitig eingesetzt werden.Bonuspunkte (BP) gibt es für die jeweiligen Mannschaften beim Einsatz von Spielerinnen (1,5 BP), Anfängern (1,0 BP) und Jugendlichen (1,0 BP).

Sind die Spieler Profis?

In der 3. Mannschaft sind alle Teilnehmer Freizeitsportler.

Zum Training: Wie oft trainieren die Bundesliga-Athleten und -Athletinnen? Welche Bedeutung hat der Trainingsumfang bei Ihnen?

Die 3. Mannschaft trainiert 2–3-mal in der Woche. Für jedes Training stehen 1,5 Stunden zur Verfügung.

Welchen Stellenwert hat das Grundlagentraining (Kraft und Ausdauer)? Wie wird Krafttraining durchgeführt – recht abstrakt an Geräten, wie wir sie aus dem Fitness-Studio kennen, oder führen Sie sportartspezifisches Krafttraining durch? Nennen Sie bitte Beispiele.

2 Spieler bilden ein Team. Übung 1: Die Spieler stellen sich hintereinander bei der Grundlinie auf und der Vordermann zieht den Hintermann bis zur gegenüberliegenden Grundlinie und zurück. Die Übung kann durch kurze Stopps an der Freiwurf- und Mittellinie erweitert werden.Oder Übung 2: Die Spieler stellen sich gegenüber auf – Fußraste an Fußraste. Spieler 1 hält sich mit beiden Händen am Rollstuhlrahmen von Spieler 2 fest. Spieler 2 schiebt Spieler 1 durch zweimal Ziehen am Greifring nach vorne und anschließend zurück.Dauer der Übung ca. 3 Minuten

Wie sieht es beim Ausdauertraining aus – welche speziellen Formen der Ausdauer sind im Rollstuhlbasketball relevant und wie trainieren Sie diese spezifisch?

Intervallmethode: mit mehr oder weniger hoher Wiederholungszahl der Übungen im Wechsel mit unterschiedlich kurzen Pausen.Wiederholungsmethode mit hohen kurzzeitigen Belastungen und langen Pausen.

Findet eine Zyklisierung des Trainings statt – gibt es bestimmte Zeiten im Jahr, in denen Grundlagentraining Vorrang hat?

Grundlagen werden hauptsächlich außerhalb der Saison trainiert, außer es kommen Neulinge und Anfänger zu der Mannschaft.

Wie trainieren Sie die Zielgenauigkeit der Würfe?

Wir trainieren technisch, und zwar die Wurfhaltung und das Wurftraining mit Korb.Training der Wurfhaltung: Den Ball in der Wurfbewegung hochführen, ohne dass der Ball herunterfällt. Bewusstes Abklappen der Hand ohne Ball und dabei die Muskelspannung spüren. Den Ball auf die Hand legen, den Arm senkrecht hochstrecken – die ganze Hand nach vorne klappen (Kobrahaltung). Die unterhalb des Kinns beginnende Bewegung der Arme und den fließenden Übergang zum Einsatz der Hände erst an der Wand üben.Wurftraining mit Korb: Der Spieler steht in einem Winkel von 45 ° zum Korb. Der Ball wird unter Benutzung des Zielvierecks in den Korb geworfen, das heißt, die obere vordere Ecke des Vierecks wird anvisiert, sodass der Ball von dort aus in den Korb fallen kann.

Trainieren bestimmte Spieler bestimmte Positionen verstärkt – wenn ja: warum?

Bei den Fußgängern differenziert man zwischen dem speziellen Training von Center-, Flügel- und Aufbauspielern. Im Rollstuhlbasketball dagegen sind zusätzlich zu dieser Differenzierung die unterschiedlichsten funktionellen Möglichkeiten der einzelnen Spieler zu berücksichtigen.

Trainieren Sie spielspezifische Situationen zur Wurfgenauigkeit, z. B. das Werfen aus voller Fahrt, das Werfen aus Bedrängnis, das Werfen unter Ermüdung? Bitte geben Sie Beispiele.

Korbleger (Werfen aus voller Fahrt): Beim Korbleger werden an der Mittellinie zwei Reihen gebildet, eine rechte Korbleger- und die linke Reboundreihe. Die Spieler auf der rechten Korblegerseite haben die Aufgabe, den Korbleger auszuführen. Die Spieler auf der linken Seite holen den Rebound, passen den Ball anschließend zur Korblegergruppe und schließen sich dort an. Der Werfer stellt sich hinter den letzten Spieler der Reboundreihe.Wurftraining: Zwei Spieler bilden ein Team. Spieler 1 wirft z. B. von links im 45 °-Winkel in der Zone auf den Korb. Spieler 2 verteidigt. Nach 20 Würfen wird die Seite gewechselt.Das Werfen aus voller Fahrt, aus Bedrängnis und Ermüdung finden im abschließenden Trainingsspiel statt.

Im Rollstuhlbasketball gibt es verschiedene Positionen (Angriff, Verteidigung etc.), die verschiedene Fertigkeiten verlangen – wie unterscheidet sich das Training?

Oberstes taktisches Ziel ist es, im Angriff die Erarbeitung von Überzahlsituationen zu bestehen (z. B. 3 gegen 2, 2 gegen 1, die letztlich in eine Situation 1 gegen 0 münden).Im Rollstuhlbasketball spielen Blocks eine herausragende Rolle in der Taktik.Die Aufgabe der Verteidiger besteht darin, die Angreifer aus der Zone herauszuhalten. Während die Angreifer – hauptsächlich der Center – versuchen, durch verschiedene Systeme in die Zone zu gelangen, ist es das Bestreben der Verteidiger, diese Systeme durch enge Verteidigung und entsprechende Hilfen der Mitspieler zu verhindern.Angriffs- und Verteidigungsformationen werden im Team abwechselnd trainiert.

Gibt es wesentliche Unterschiede bezüglich des Trainings von Fußgängerbasketball und Rollstuhlbasketball? Wenn ja: Bitte beschreiben Sie diese.

Der wichtigste Unterschied im Training ist der Umgang mit dem Sportrollstuhl: Fahren und Stoppen, einhändiges Schieben des Sportrollstuhls, Drehen auf der Stelle mit einer Hand oder mit beiden Händen, Drehen aus der Fahrt, schnelle Richtungswechsel während der Fahrt, Lenken durch Übergreifen, Lenken des Sportrollstuhls durch Gewichtsverlagerung, spezielle Blocktechniken.

Wie integrieren Sie Taktiktraining? Gibt es hier gesonderte Einheiten oder ist „Taktik“ ein immer gegenwärtiger Begleiter im Training?

Taktikeinheiten sind ein wichtiger Bestandteil in jedem Training. Systeme für den Angriff oder Verteidigungsformen wie z. B. Zonenverteidigung.

Einige Sportarten integrieren mentales Training – spielt das in Ihrem Fall eine Rolle?

Nein! In der 3. Mannschaft steht die Verbesserung der Mobilität, der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Selbstbewusstseins von Rollstuhlfahrern im Vordergrund.

Gibt es typische Rollstuhlbasketball-Verletzungen – wie sieht es z. B. mit Überlastungssyndromen der Schulter aus? Wie gehen Sie im Training darauf ein?

Typische Verletzungen bzw. Überlastungssyndrome sind die Überlastung der Ellenbogen (z. B. Tennisarm) sowie Schulter- oder Fingerverletzungen. Wir begegnen Ihnen durch Aufwärmen und Dehnübungen.

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Teamfoto: 3. Mannschaft des USC München. (Foto: Christine Linnig)

Das Interview führte Klaus Starrost

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