Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2016; 48(04): 157-158
DOI: 10.1055/s-0036-1597179
Forschung
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Psychoonkologie

Achim Krüger
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 January 2017 (online)

Wie wirksam ist die Familientherapie?

Die Family Focused Grief Therapy (FFGT) ist eine psychosoziale Kurzzeitintervention für Patienten in einer Palliativsituation und deren Angehörige. Die Wirksamkeit der FFGT wurde bisher lediglich an einer australischen Stichprobe (Melbourne Family Grief Study) überprüft. Nun legen D.W. Kissane et al. die Daten einer randomisiert-kontrollierten Studie mit einer gröeren amerikanischen Stichprobe von Krebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung vor (J Clin Oncol 2016; 34: 1921–1927).

Die Begründerin der Hospizbewegung, Cicely Saunders (1918–2005), konstatierte im Jahr 1973, dass alles dafür getan werden müsse, um sterbenskranken Menschen ein würdevolles Leben bis zum Tod zu ermöglichen und gleichzeitig aber auch nicht die trauernden Familien aus dem Blick zu verlieren (Br Med J 1973; 1: 30–31). Seither wurden mit Erfolg große Anstrengungen unternommen, um die Palliativversorgung für Patienten am Lebensende zu verbessern. Vergleichsweise weniger wurde jedoch die Familienpers pektive berücksichtigt.

Diese Lücke aufgreifend, entwickelten David W. Kissane und Sidney Bloch im Jahr 2002 die FFGT. Die Therapie kann sich in Abhängigkeit vom Erkrankungsverlauf auf einen Zeitraum zwischen 9 und 18 Monaten erstrecken und besteht aus 6–10 je 90-minütigen Sitzungen.

Untersuchung der Wirksamkeit

In ihrer Studie haben D.W. Kissane et al. nun die Wirksamkeit von FFGT hinsichtlich der Reduktion komplizierter Trauer und depressiver Symptome in Familien mit dysfunktionalen Beziehungen untersucht. Für die Einschätzung der Familienbeziehung verwendeten sie die Dimensionen Kommunikation, Bindung und Konflikte.

Insgesamt 4188 Personen wurden mit dem Family Relationships Index (FRI) gescreent. 1488 davon wiesen Werte auf, die auf wenig Kommunikation, wenig Bindung und hohe Konflikthaftigkeit innerhalb der Familie hindeuten. 868 Personen lehnten die Studienteilnahme ab, sodass 620 Personen in die Studie eingeschlossen wurden, die 170 Familien repräsentierten. Diese Familien wurden auf die 3 Studienarme (10 bzw. 6 Sitzungen FFGT und Standardversorgung) randomisiert.


#

Die FFGT ist wirksam bei komplizierter Trauer

Bezüglich komplizierter Trauer ergaben sich Effekte der Behandlung (p=0,032) sowie ein Interaktionseffekt von Behandlung und Familientyp (p<0,01). Weniger Symptome komplizierter Trauer waren hierbei für diejenigen Familien nachweisbar, die 10 Sitzungen absolvierten und als wenig kommunizierende Familien klassifiziert waren im Vergleich zu den Familien mit wenig Bindung (p<0,01). Gleiches galt für die Familien mit vielen Konflikten im Vergleich zu den Familien mit wenig Bindung (p=0,039). Komplizierte Trauer trat nach FFGT-Behandlung mit 10 Sitzungen bei 3,3% der Hinterbliebenen auf im Gegensatz zu 12,1% im 6-Sitzungen-Arm und zu 15,5% in der Standardversorgung. Bezüglich der depressiven Symptomatik ergaben sich keine Effekte der Behandlung und keine Interaktionseffekte von Behandlung und Familientyp.

Unter methodischen Aspekten deutet die Teilnahmerate von 42% der geeigneten Personen auf eine Positivselektion derjenigen Patienten bzw. Familienmitglieder hin, die eine familientherapeutische Intervention als sinnvoll und hilfreich erachten. Dies ist assoziiert mit einer möglicherweise höheren Symptomlast in der Grundgesamtheit. Methodisch hervorzuheben ist die Untersuchung der Therapiedosis mit besseren Effekten für die Intervention mit 10 im Vergleich zur kürzeren Therapie mit 6 Sitzungen.

Fazit: Zusammenfassend zeigte sich, dass die FFGT keinen präventiven Einfluss auf die Entwicklung depressiver Symptome hatte und begrenzt hilfreich für Familien mit geringer Bindung war. Insbesondere Familien mit wenig Kommunikation und vielen Konflikten hinsichtlich der Reduktion komplizierter Trauer profitierten jedoch von der FFGT.

Gregor Weißflog, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig


#
 
  • Literatur

  • 1 Grünwald B, Harant V, Schaten S, Frühschütz M, Spallek R, Höchst B, Stutzer K, Berchtold S, Erkan M, Prokopchuk O, Martignoni M, Esposito I, Heikenwalder M, Gupta A, Siveke J, Saftig P, Knolle P, Wohlleber D, Krüger A. Pancreatic Pre-malignant Lesions Secrete TIMP1. Gastroenterology 2016; Aug 6. pii: S0016–5085(16)34890–9 DOI: 10.1053/j.gastro.2016.07.043.