veterinär spiegel 2016; 26(02): 69
DOI: 10.1055/s-0035-1568718
Nutztiere & Pferde
Editorial
Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tiergesundheit auch unter Preisdruck sichern

Rainer Schneichel
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Publication Date:
14 June 2016 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die letzten Monate sind für Schweine- und Milchviehhalter eine der schwierigsten Phasen der vergangenen Jahre. Die Erzeuger-Erlöse für Milch und Schweinefleisch befinden sich auf einem derart niedrigen Niveau, dass die Produktionskosten in vielen Betrieben nicht gedeckt, geschweige denn Gewinne generiert werden können.

Das führt zu einem enormen Druck für die Landwirte. Viele haben in den letzten Jahren in neue Stallungen und Wachstumsschritte investiert. Die Fremdkapitalbelastung ist teils immens, die daraus resultierenden finanziellen Probleme sind oft erdrückend.

In dieser Situation ist der Blick auf die Vollkosten der Produktion wichtiger denn je. Auswertungen aus der Beratung zeigen nach wie vor große Unterschiede zwischen den 25 Prozent besten und 25 Prozent schlechteren Betrieben.

Ein Kostenfaktor ist natürlich auch der Block „Tierarzt und Medikamente“. Es ist nachvollziehbar, wenn der Landwirt diese Ausgaben ebenfalls kritisch prüft. Was jedoch nicht passieren darf, sind Einsparungen am falschen Ende, die zu Lasten der Tiergesundheit und des Tierwohls gehen.

Wir beobachten in Preiskrisen häufig, dass beispielsweise beim Thema „Impfungen“ der Rotstift angesetzt wird. Oft werden Impfungen ganz weggelassen oder die Dosis reduziert. Dies kann drastische Folgen für die Tiergesundheit haben, wodurch ungleich höhere Kosten für die Tierhalter entstehen würden. Die Folgekosten in der Zukunft könnten dann wiederum zu einer Verschärfung der finanziellen Situation führen.

Der bessere und richtige Weg ist das Gespräch mit dem bestandsbetreuenden Tierarzt und die kritische Überprüfung, ob die jeweiligen Impfschemata beibehalten werden müssen. Nur mit regelmäßigen Screenings zur Erfassung des tatsächlichen Erregerstatus können wir feststellen, ob man eine Impfung einsparen kann. Schnellschüsse aus Kostendruck sind der gänzlich falsche Weg.

Das gilt auch für die Therapie erkrankter Tiere. Leider kommt es gerade in der jetzigen Phase immer wieder vor, dass die Bauern bei Anzeichen eines Krankheitsgeschehens aus Angst vor den entstehenden Behandlungskosten zu lange warten, bis sie den Tierarzt informieren.

Das kann fatale Folgen für die Tiergesundheit und für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes haben. Je später kranke Kühe oder Schweine behandelt werden, desto gravierender sind die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des gesamten Bestandes. Denn die jeweiligen Erreger machen nicht halt, sie breiten sich weiter aus. Die Totalverluste steigen, die Leistungen der betroffenen Tiere oder Tiergruppen gehen zurück. Der Medikamenteneinsatz und die Therapiedauer steigen.

Werden erkrankte Tiere hingegen früh erkannt, rechtzeitig und gezielt behandelt, kommen deutlich geringere Kosten auf den Tierhalter zu, als im oben beschriebenen Szenario.

Diese Zusammenhänge sind für alle bestandsbetreuenden Kolleginnen und Kolleginnen in ihrer Diskussion mit dem Landwirt wichtig. Die Sorgen der Bauern sind nachvollziehbar, dennoch müssen wir ihnen klarmachen, dass Einsparungen im Bereich der Tiergesundheit unter dem Strich das wirtschaftliche Ergebnis weiter verschlechtern.

Der enge Austausch mit Tierhaltern und die offene Kommunikation über die Chancen der Vorbeuge, Früherkennung, Impfung und der regelmäßigen Diagnostik sind wichtige Basics, die dabei helfen, die wirtschaftliche Situation unter Berücksichtigung des Tierschutzes in den Betrieben zu verbessern.

Ihr

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Dr. Rainer Schneichel


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