Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83(09): 515
DOI: 10.1055/s-0035-1553448
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung

Contributor(s):
M. Weih
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Publication Date:
30 September 2015 (online)

Die psychiatrische Diagnostik hat eine lange Geschichte. Die Diagnose der wichtigsten psychischen Störungen fußt heute auf operationalisierten klinischen Kriterien unter Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen, vor allem organischer Schädigungen. Je nachdem, wie an das Thema herangegangen wird, kann man rasch auf dünnes Eis geraten, da medizintheoretische, methodische, historische, philosophische und naturwissenschaftlich-biologische Aspekte nicht selten widersprüchliche Ansätze ergeben. Mit der Einführung von ICD-11 und der Konvergenz mit dem DSM-5 wird das Thema in den nächsten Jahren wieder aktueller werden. Umso wichtiger ist es, dass Prof. Dr. Markus Jäger dazu ein aktuelles Werk herausgibt. Der Autor ist Oberarzt an der Universität Ulm und in Günzburg tätig. Er legt die 1. Auflage des Bandes „Aktuelle psychiatrische Diagnostik – Ein Leitfaden für das tägliche Arbeiten mit ICD und DSM“ aus dem Georg Thieme Verlag, Stuttgart, vor. Das kompakte Taschenbuch ist ursprünglich aus der Dissertation des Autors hervorgegangen, trägt im Hintergrund somit durchaus die Handschrift von Prof. Möller. Das Buch umfasst 168 Seiten mit 17 Abbildungen und ist vorwiegend für angehende Psychiater geschrieben, aber auch für Fachärzte und psychologische Psychotherapeuten von Interesse. In der Grundgliederung des Buchs führt der Autor nach einer kurzen Einleitung über die Diagnose als Grundelement ärztlichen Handels in die aktuelle psychiatrische Diagnostik nach DSM-5 und ICD ein, dann folgt ein Kapitel über praktisches Arbeiten, die Sonderstellung der Psychiatrie, Meilensteine in der Entwicklung der psychiatrischen Diagnostik zur Zusammenfassung und Fazit. Das Inhaltsverzeichnis wirkt dabei etwas überstrukturiert, der Begriff „konzeptuelle Grundlagen“ redundant. Die einzelnen Kapitel sind natürlich nicht einheitlich gegliedert, sondern eher nach dem Inhalt strukturiert. Als didaktisch auflockernde Elemente kommen Fallbeispiele, Textboxen, Tabellen und Fallbeispiele zum Einsatz. Besonders gelungen finde ich das Kapitel 2 zur nosologischen Ebene. Wer kennt zum Beispiel heute noch das Würzburger Diagnoseschema? Ein weiterer Höhepunkt des Buchs ist das Kapitel 6, „Meilensteine“, in dem die Anschauungen von Kraepelin, Bonhoeffer, Schneider und Wernicke-Kleist-Leonhard kompakt für den heutigen Psychiater auf den Punkt gebracht werden. Insgesamt ist Jäger ein kompaktes, dennoch profundes und elaboriertes Buch zu einem wichtigen und aktuellen Thema gelungen. Als Alternativen zum vorliegenden Werk kommen natürlich die Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation von Dilling infrage. Diese Kurzführer mögen zwar besser in die Kitteltasche passen, erreichen aber nicht die Tiefe und umfassende Sichtweise, an die uns Jäger in seinem Leitfaden heranführt.

Prof. Markus Weih, Nürnberg