Endoskopie heute 2015; 28(01): 70
DOI: 10.1055/s-0034-1399070
Kommentar
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Kommentar: Das neue BGH-Urteil: 1:0 für die Ärzte

Commentary: The New Judgement of the Federal Court of Justice (BGH): 1:0 for the Doctors
W. Rösch
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Publication Date:
23 March 2015 (online)

Über viele Jahre galt die Devise der Rechtsanwälte in Arzthaftungsprozessen, mangelnde Aufklärung in den Vordergrund der Argumentation bei „Kunstfehlern“ zu stellen. Ausgehend von der vorsätzlichen Körperverletzung im Rahmen einer diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme wurden die Anforderungen an die Aufklärungspflicht kontinuierlich verschärft bis hin zur Beweislastumkehr.

In den 70er-Jahren habe ich zusammen mit Prof. Bartels, Nürnberg und dem Juristen Prof. Weißauer zunächst im Erlanger perimed-Verlag, später im diomed-Verlag bzw. Thieme Compliance Aufklärungsbogen für endoskopische Untersuchungen entwickelt, die kontinuierlich in 6-monatigem Abstand an die aktuelle Rechtsprechung angepasst werden mussten bzw. wurden.

Diese Bogen dienten primär der Dokumentation der Aufklärung und konnten das von Juristen geforderte Aufklärungsgespräch nicht ersetzen, denn es reichte bereits ein Eintrag ins Krankenblatt über die erfolgte Aufklärung bei eingetretenen Komplikationen aus, um „davonzukommen“.

Auf der anderen Seite führte ein fehlendes Datum oder eine fehlende Arztunterschrift auf dem Aufklärungsbogen dazu, dass ein Richter davon ausging, dass überhaupt keine Aufklärung erfolgt war.

Es kam naturgemäß vor, dass einem Patienten bei der Anmeldung in einer Arztpraxis vom Personal ein Aufklärungsbogen mit der Maßgabe überreicht wurde, diesen am Untersuchungstag unterschrieben in der Praxis abzugeben, doch führt jeder verantwortungsbewusste Endoskopiker vor Untersuchungsbeginn bzw. vor Einleitung sedierender Maßnahmen ein kurzes Aufklärungsgespräch zumindest dahingehend, ob der zu Untersuchende den Aufklärungsbogen gelesen und verstanden habe oder ob noch Fragen offen geblieben seien. Zweckmäßigerweise wurden noch handschriftliche Eintragungen hinzugefügt, die auf spezielle, individuelle patientenbezogene Risiken hinwiesen.

Wenn jetzt der Bundesgerichtshof feststellt, dass an den aufklärungspflichtigen Endoskopiker, den obliegenden Beweis betreffend, keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen, so erscheint insbesondere wichtig, dass das Gericht im Zweifel dem Arzt zu glauben hat, dass die Aufklärung in der gebotenen Weise vorgenommen wurde. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Patienten sich aus nicht immer nachvollziehbaren Gründen später nicht mehr an den genauen Inhalt des Aufklärungsgesprächs erinnern konnten oder im Rahmen der postulierten retrograden Amnesie infolge Sedierungsmaßnahmen ein Aufklärungsgespräch komplett negierten.

Entscheidend ist nach BGH-Meinung, dass die Darstellung des Arztes, z. B. dass er immer aufkläre, in sich schlüssig ist und damit ein Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.