Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(01): 8
DOI: 10.1055/s-0034-1398313
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Neonatologie
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Nekrotisierende Enterocolitis – Senkt die Gabe von Bifidobacterium breve das Risiko?

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Publication Date:
11 February 2016 (online)

Hintergrund: Unreife Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer nekrotisierenden Enterocolitis (NEC). Es wird vermutet, dass der verzögerte Aufbau einer abnormen, wenig vielfältigen Darmflora eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese dieses potentiell lebensbedrohlichen Krankheitsbildes spielt. Inwiefern sich der routinemäßige präventive Einsatz enteraler Probiotika günstig auf die Morbidität der Frühgeborenen auswirkt, hat eine britische Arbeitsgruppe nun mit Hilfe einer randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie untersucht.

Methoden: In die doppelblinde Multizenterstudie („The probiotics in preterm infants study“; PiPS) wurden 1315 Frühgeborene (Gestationsalter bei Geburt 23 + 0 bis 30 + 6 SSW), die zwischen 2010 und 2013 in 33 Kliniken im Großraum London behandelt worden waren, eingeschlossen. 654 Kinder wurden in die Probiotika- und 661 in die Plazebogruppe randomisiert. Die Studienintervention umfasste die tägliche enterale Applikation von 8,2–9,2 log10 CFU (koloniebildende Einheiten) des Stamms Bifidobacterium breve BBG-001 bis zum postmens-truellen Gestationsalter von 36 SSW bzw. bis zur Klinikentlassung. Die Kinder der Kontrollgruppe erhielten ein Plazebo. Zwei Wochen nach der Geburt sowie im Alter von 36 SSW wurden Stuhlproben der Kinder mikrobiologisch untersucht. Die primären Outcome-Parameter umfassten die Inzidenz der NEC (Bell-Stadium 2 oder 3), der Sepsis (> 72 h nach der Geburt bis zum Gestationsalter von 46 SSW bzw. bis zur Klinikentlassung) sowie die Mortalität während des Klinikaufenthalts.

Ergebnisse: Die Daten von 650 Kindern der Probiotika- und von 660 der Plazebogruppe wurden analysiert. Die Kinder beider Gruppen erhielten durchschnittlich 84 % (SD 26) der geplanten Dosen. In 416 Fällen (32 %) wurde die Gabe unterbrochen. Bezüglich der 3 primären Outcome-Parameter ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen nachweisen. Die NEC-Rate in der Probiotika- und der Plazebogruppe betrug 9 bzw. 10 % (adjustierte Risk Ratio 0,93; 95 %-CI 0,68–1,27), die Sepsis-Rate 11 bzw. 12 % (0,97; 0,73–1,29) und die Mortalität 8 bzw. 9 % (0,93; 0,67–1,30). Auch hinsichtlich verschiedener sekundärer Endpunkte unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Bei 85 % der Kinder der Probiotika- und bei 37 % der Plazebogruppe konnte 2 Wochen nach der Geburt eine Kolonisation mit Bifidobacterium breve nachgewiesen werden. Die Kolonisationsrate stieg in der Plazebogruppe bis zum Alter von 36 SSW auf 49 % an. In den Stuhlproben von je 6 % der Kinder beider Gruppen wurden antibiotikaresistente Keime nachgewiesen. Die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Kolonisation mit Bifidobacterium breve stieg mit zunehmendem Gestationsalter (OR 1,36; 95 %-CI 1,19–1,56) und nahm mit prolongierter Antibiotikagabe ab (0,26; 0,11–0,62). Probiotika-assoziierte unerwünschte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.

Fazit

Unreife Frühgeborene, so das Fazit der Autoren, profitieren weder hinsichtlich der Prävention einer NEC noch einer Late-onset-Sepsis von einer enteralen Behandlung mit Bifidobacterium breve. Anhand der Studienergebnisse könne daher ein routinemäßiger Einsatz des Bakterienstamms in diesem Patientenkollektiv nicht empfohlen werden. Costeloe et al. verweisen jedoch darauf, dass die hohe Rate von Kreuz-Kolonisationen in der Plazebogruppe möglicherweise den Benefit der Probiotikagabe abgeschwächt haben könnte.

Dr. Judith Lorenz, Künzell