Z Gastroenterol 2015; 53(9): 1130-1131
DOI: 10.1055/s-0034-1397955
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Honorarverhandlungen 2016 – Umverteilung oder angemessene Vergütung?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
06 October 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Honorarverhandlungen für 2016 stehen an, und schon wird von interessierten Gruppen wieder eine Umverteilung gefordert. Die „Grundversorgung“ bzw. die „Grundversorger“ müssten gestärkt werden, so kann man lesen, und nicht die Technik der hochspezialisierten Medizin. Dabei wird mehr oder weniger offen unterstellt, dass Ärzte, die mit einem hohen medizintechnischen Aufwand behandeln, nicht so entscheidend für die Versorgung der Patienten seien und die hochspezialisierten Fachärzte in der Vergangenheit ungerechtfertigte Honorarzuteilungen erhalten und unverhältnismäßig hohe Gewinne gemacht hätten. Mit solchen pauschalierten Vorwürfen sollen offensichtlich schon mal öffentlichkeitswirksam die Pflöcke für einen Verteilungskampf im Vorfeld der geplanten EBM-Reform eingeschlagen werden.

Gegen solche Unterstellungen und Verdrehungen der Entwicklung der letzten Jahre müssen wir uns mit Nachdruck wehren. Immer wieder wird auf den Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verwiesen, nach dem die Honorarumsätze der Gastroenterologen überdurchschnittlich hoch seien, wobei ganz bewusst die Entwicklung über die letzten Jahre ausgeblendet wird. Denn ein genauer Blick in die Honorarberichte der KBV beweist, dass die Honorarentwicklung der Gastroenterologen erheblich hinter der allgemeinen Honorarentwicklung zurückgeblieben ist und der Überschuss sogar abgenommen hat. ( [Tab. 1])

Im vergangenen Jahr führte der Verzicht auf die eigentlich vorgesehene Erhöhung des Orientierungspunktwertes (OPW) zu einer dauerhaften, sockelwirksamen Absenkung des Niveaus der Vergütung für alle unsere fachärztlichen Leistungen innerhalb und vor allem auch außerhalb der MGV. Genutzt wurde das Geld zu einer Umschichtung zu Gunsten von Partikularinteressen in der sogenannten Grundversorgung. Während der effektive Punktwert im hausärztlichen Bereich ansteigt und regional bereits über dem OPW liegt, sinkt der inflationsbereinigte Umsatz der sogenannten spezialisierten Fachärzte weiter ab.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen und die damit verbundenen Kosten. Ich führe beispielhaft einige Faktoren an, die sich in den letzten Jahren verändert haben und die Erstellungskosten einer Endoskopie erhöhen:

  • steigende Anforderungen bei der Hygiene: Durch Veränderungen der EU-Normen DIN EN ISO 15 883, der RKI-Richtlinien (2012), des Infektionsschutzgesetzes und von Bestimmungen der Aufsichtsbehörden werden die Anforderungen und Auflagen und damit die Kosten immer höher, eine Anpassung der Vergütung ist bisher nicht erfolgt. Zuschüsse für Hygiene, wie ambulante OP-Zentren sie bekommen, gibt es für die gastroenterologischen Praxen nicht;

  • Umstellung auf Einmalmaterial (Schlingen, Zangen) durch inzwischen fast bundesweite, verpflichtende Forderungen von Aufsichtsbehörden;

  • erhöhte Anforderung an Personalzahl und -qualifizierung für die Sedierung bei Endoskopien durch Umsetzen der S3-Leitlinie „Sedierung in der gastroenterologischen Endoskopie“;

  • Verlängerung der Untersuchungszeiten einer Koloskopie durch leitliniengerechte und dem medizinischen Standard entsprechenden verlängerte Rückzugszeit (mind. 6–8 Minuten);

  • Erhöhung der Zahl an hochqualifiziertem und damit höher bezahltem Personal (Fachweiterbildung gastroenterologische Endoskopie) auf mindestens 50 Prozent des Personals und empfohlene Einführung der CO2-Insufflation, beides gemäß der neuen S2K-Leitlinie Endoskopie;

  • steigende Preise für Endoskope durch neue, verbesserte Gerätegenerationen (HD-Endoskopie);

  • Einführung von aufwendigen Polypenabtragungstechniken (EMR) und Blutstillungstechniken ohne Anpassung des EBM.

Die Situation, die ich für die Fachgruppe der Gastroenterologen dargestellt habe, trifft in gleicher oder ähnlicher Weise für die anderen fachärztlichen Internisten zu. Die Internisten sind aber zweifelsfrei von zentraler Bedeutung bei der Diagnostik, Therapie und Betreuung der meisten chronischen Erkrankungen. Anzunehmen, dass die Langzeitbetreuung der chronisch kranken Menschen ohne die fachärztlichen Internisten möglich sein könnte, ist absurd. Ob man diese Betreuung nun mit dem nicht definierten und offensichtlich von jeder Gruppe anders gedeuteten, d. h. mehr politisch als medizinisch definierten Begriff „Grundversorgung“ bezeichnet oder nicht, ist dabei völlig irrelevant.

Wir erwarten deshalb von der KBV, dass sowohl bei den anstehenden Honorarverhandlungen wie auch der geplanten EBM-Reform von weiteren Umverteilungen zu Lasten der sogenannten spezialisierten Fachärzten, insbesondere der fachärztlichen Internisten abgesehen wird. Vielmehr ist es bei den nächsten Honorarverhandlungen unverzichtbar, dass der OPW, der die Grundlage der Bewertung der einzelnen Leistungen auch im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung darstellt, unbedingt angemessen ansteigt. Ein Abzweigen von Mitteln, die nach den geltenden Vereinbarungen zur Steigerung des OPW zu verwenden sind, für andere Zwecke lehnen wir aus den genannten Gründen ab, zumal solche Zwecke nicht zu einer sockelwirksamen und damit für die Zukunft relevanten Erhöhung der Honorare führen.

Falls bei anderen Fachgruppen oder für spezielle Bedürfnisse tatsächlich ein Nachholbedarf besteht, was wir nicht beurteilen oder abstreiten wollen, muss dieser aus zusätzlichen Mitteln bestritten werden.

Dieser Text ist am 28.07.2015 als offener Brief an die Kassenärztliche Bundesvereinigung versendet worden.

Tabelle 1: Honorarentwicklung 2010 bis 2013:

(* Veränderung 4. Quartal 2010 bis 4. Quartal 2013)

(Quelle: Honorarberichte der KBV:

http://www.kbv.de/html/honorarbericht.php)

Gesamtvergütung

+ 8,44 %

Honorarumsatz pro Arzt

alle Ärzte/Psychotherapeuten

+ 5,13 %

Hausärztlicher Versorgungsbereich

+12,22 %

Gastroenterologen

+ 2,25 %

Honorarumsatz pro Fall

alle Ärzte/Psychotherapeuten

+ 5,32 %

Hausärztlicher Versorgungsbereich

+ 7,87 %

Gastroenterologen

+ 1,20 %

Überschuss je Arzt *

alle Ärzte

+13,70 %

Allgemeinmedizin/Innere Medizin

+21,16 %

Gastroenterologen

– 3,25 %


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