Z Gastroenterol 2015; 53(5): 528
DOI: 10.1055/s-0034-1397750
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Zwangsparität in den KVen – Hausärzte sind gleicher

Franz Josef Heil
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Publication Date:
18 May 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Im Entwurf des GKV-VSG ist eine Änderung des § 79 SGB-V geplant, nach der bei Abstimmungen in den Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vertretungen „die Stimmen so zu gewichten (sind), dass insgesamt eine Parität der Stimmen zwischen Vertretern der Hausärzte und Vertretern der Fachärzte in der Vertreterversammlung besteht“.

Damit soll, so die Absicht des Gesetzgebers, ein Ausgleich der Interessen von Haus- und Fachärzten erreicht werden: Die paritätische Stimmenverteilung bei gemeinsamen Abstimmungen verfolgt das Ziel, die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltungskörperschaften sicherzustellen. Sie kommt insbesondere den Vertretern der hausärztlichen Versorgung zugute, da sie diesen das gleiche Stimmengewicht einräumt wie den Vertretern der fachärztlichen Versorgung, auch wenn Hausärzte regelhaft weniger als die Hälfte der Sitze in den Kassenärztlichen Vereinigungen inne haben“, so steht es im Referentenentwurf.

Auch wenn dem ein oder anderen angesichts des zu erwartenden Rückgangs der Zahl der Hausärzte diese Regelung sinnvoll erscheinen mag, mir erscheint diese Zwangsparität weder durchdacht noch vernünftig.

Man kommt nicht umhin, in der Regelung einen Verstoß gegen demokratische Grundsätze zu sehen. Gewählt werden die Mitglieder der KV-Vertreterversammlung nach § 80 SGB-V „in unmittelbarer und geheimer Wahl“ von den Kassenärzten. Nun sollen aber die Stimmen der gewählten Mitglieder in der Vertreterversammlung unabhängig von der Entscheidung der Wähler unterschiedlich viel Gewicht haben. Hausärzte, wenn sie in der Minderheit sind, werden dann Mitglieder 1. Klasse mit einem Stimmengewicht von vielleicht 1,2, und Fachärzte werden zu Mitgliedern 2. Klasse mit einem Stimmengewicht von vielleicht nur noch 0,8.

So eine Regelung ist einmalig und widerspricht nicht nur meinem demokratischen Verständnis und jeder normalen Situation in gewählten Gremien, sondern nach Ansicht von Juristen auch dem Grundgesetz. Es ist zu erwarten, dass eine gerichtliche Prüfung erfolgen wird, falls der Gesetzgeber diese Regelung tatsächlich beschließen sollte.

Mit großer Sorge sehe ich außerdem die unmittelbaren Auswirkungen auf die Arbeit in der Vertreterversammlung. In vielen KVen gibt es bisher eine gute und sachliche Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten. Bei uns in Rheinland-Pfalz gibt es sogar eine Koalition zwischen der Fraktion des Hausärzteverbandes und der Fraktion des Facharztverbandes. Es ist schlecht vorstellbar, wie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelingen soll, wenn in Zukunft Vertreter 1. und 2. Klasse nebeneinander sitzen, gemeinsam beraten, aber mit verschiedener Wertigkeit abstimmen. Ganz absurd würde die Situation übrigens in gemischten Listen, in denen Haus- und Fachärzte zwar gemeinsam kandidieren, aber nach der Wahl die gewählten Mitglieder der Fraktion unterschiedliches Gewicht bekämen.

Es ist abzusehen, dass die geplante Regelung zu einer tiefgreifenden Störung der Arbeit und des Vertrauens in den Vertreterversammlungen führen wird. Konflikte sind vorprogrammiert, und auf Dauer wird so einer Spaltung der KVen der Weg gebahnt. Im September 2014 haben 58 Berufsverbände eine gemeinsame Resolution mit dem Bekenntnis zum Erhalt eines einheitlichen KV-Systems beschlossen. Jetzt beabsichtigt die Politik offensichtlich die Spaltung voranzutreiben. Werden wir uns also an die Vorstellung von getrennten KVen für Hausärzte und für die Fachärzte und eine dritte für die Psychotherapeuten gewöhnen müssen?


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