Z Gastroenterol 2015; 53(5): 519-523
DOI: 10.1055/s-0034-1397742
Stellungnahme
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zur Ledipasvir / Sofosbuvir-Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V des G-BA

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Publication History

Publication Date:
18 May 2015 (online)

Prof. Dr. Thomas Berg, Leipzig

Prof. Dr. Stefan Zeuzem, Frankfurt,

Prof. Dr. Michael P. Manns, Hannover

Allgemeine Aspekte

Mit der Zulassung des nukleotidischen Polymerase-Inhibitors Sofosbuvir im Januar 2014 eröffnete sich erstmals die Option einer Interferon-freien Therapie der chronischen Hepatitis C Virus (HCV) Infektion. Inzwischen sind 7 direkt antiviral wirksame Substanzen (DAA) in Deutschland zugelassen (Sofosbuvir, Simeprevir, Daclatasvir, Ledipasvir, Paritaprevir, Ombitasvir, Dasabuvir), die Interferon-frei in Abhängigkeit vom HCV-Typ und bestimmten Patientencharakteristika in der Regel über eine Therapiedauer von 8–24 Wochen kombiniert eingesetzt werden und durchschnittliche Heilungsraten von über 90 % ermöglichen. Während die Zulassung der Interferon-freien Therapie für die Substanzen Sofosbuvir, Simeprevir und Daclatasvir jeweils in Kombination mit anderen Substanzen durch die Europäische Zulassungsbehörde (EMA) noch auf Grundlage einer relativ begrenzten Erfahrung mit diesen Therapieregimen und Ergebnissen von Phase II Studien beruhte, liegen jetzt die Ergebnisse großer Phase 3 Studien zur Wirksamkeit der oralen Kombinationstherapien vor.

Die fixe Kombinationstherapie von Ledipasvir (NS5A-Inhibitor) plus Sofosbuvir als Einzeltablette mit einmal täglicher Dosierung zur Erst- und Re-Therapie ist in Deutschland seit Dezember 2014 für Patienten mit HCV Typ 1, 3, und 4-Infektion zugelassen. Die Zulassung für HCV Typ 1 erfolgte auf der Grundlage von drei großen Phase III Studien (ION-1–3 Studien) sowie einer Phase II Studie (Lonestar) [1–4]. Insgesamt wurden 2043 Patienten mit HCV Genotyp 1 Infektion in diese Studie eingeschlossen. Die Rate der bereits erfolglos mit einer Interferon-basierten Therapie vorbehandelten Patienten, die im Rahmen dieser Studien erneut behandelt wurden betrug ca. 50 % (inclusive Patienten, die auf einen Triple-Therapie mit Boceprevir und Telaprevir nicht dauerhaft angesprochen hatten). Etwa 20 % der Patienten hatten eine fortgeschrittene Fibrose bzw. Zirrhose im Stadium Child A. Untersucht wurde die Bedeutung der Therapiedauer (8, 12 oder 24 Wochen) sowie der Effekt einer zusätzlichen Gabe von Ribavirin auf die Heilungsrate (SVR) der HCV-Infektion. Als Vergleich dienten die Ergebnisse historischer Kontrollpopulationen aus Phase III Studien mit Interferon-basierten Therapieregimen.

Die Phase III Studien bestätigen die hohe Effizienz der oralen DAA Kombinationstherapie, die sich bereits in den Phase II Studien abzeichnete. Die orale Therapie mit Ledipasvir plus Sofosbuvir führte bei HCV-Typ 1-infizierten Patienten zu einem 100 %igen Therapieansprechen (HCV RNA negativ zum Therapieende) und die Heilungsraten lagen nach einer 12-wöchigen Therapiedauer in der intention-to-treat (ITT) Analyse bei 94–99 %. Die Verlängerung der Therapiedauer auf 24 Wochen zeigte keinen Vorteil, ebenso war kein positiver Effekt durch die zusätzliche Gabe von Ribavirin nachweisbar. Ob eine weitere Verkürzung der Therapiedauer auf 8 Wochen möglich ist, wurde in der ION-3 Phase III Studie bei 647 unvorbehandelten Patienten mit chronischer Hepatitis C ohne Zirrhose untersucht. Die Heilungsraten lagen bei 8-wöchiger Therapie bei 94 % und bei 12-wöchiger Therapie bei 95 %. Die zusätzliche Gabe von Ribavirin hatte keinen signifikanten Effekt auf die Heilungsrate bei 8-wöchiger Therapiedauer.

Die Verträglichkeit der Therapie war ausgesprochen gut. Therapie-assoziierte schwere Nebenwirkungen traten in < 1 % auf (5 von 1952 Patienten). Nebenwirkungen, die zu einer Modifikation der Studienmedikation führten, betrugen < 1 % in den Studienarmen ohne Ribavirin und 14 % in den Studienarmen mit Ribavirin. Die Rate eines vorzeitigen Therapieabbruchs lag insgesamt bei 1 % (13 von 1952 Patienten). Kein Patient ist gestorben.

Die Zulassung von Ledipasvir plus Sofosbuvir für die chronische HCV Infektion mit den HCV-Genotypen 3 und 4 beruht auf den Ergebnissen von kleineren Phase II Studien sowie den in-vitro Daten, die für Sofosbuvir und Ledipasvir eine der HCV Typ 1 Infektion vergleichbare Wirksamkeit des HCV Typs 4 im HCV-Replikationsmodell sprechen. Die Heilungsraten betrugen bei chronischer HCV Typ 4 Infektion (mit und ohne Zirrhose) bei 12-wöchiger Therapiedauer 95 % (N = 21) und bei HCV Typ 6 Infektion 96 % (N = 25) [5],[6].

Die antivirale in-vitro Effektivität von Ledipasvir ist bei HCV Typ 3 im Vergleich zum HCV Typ 1 signifikant geringer. In Studien der Phase II konnten in Abhängigkeit der Vortherapie, Zirrhosestadium und zusätzlicher Gabe von Ribavirin Heilungsraten von 64 %–100 % erreicht werden (N = 101) [6–8].

Zur Therapie der HIV / HCV-Koinfektion liegen Ergebnisse zur Wirksamkeit von Ledipasvir und Sofosbuvir aus Phase II und III Studien vor (gesamt n = 385). Die 12-wöchige Therapie erzielte Heilungsraten bei HCV Typ 1 von 96–98 % [9],[10].

Bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose (Child B und C) sowie nach Lebertransplantation wurde die Effektivität der Kombinationstherapie aus Sofosbuvir plus Ledipasvir und Ribavirin über 12 bzw. 24 Wochen in mehreren Studien kleinerer Fallzahl untersucht. Dabei zeigte sich eine hohe antivirale Aktivität mit SVR Raten von 86–90 % unabhängig von der Therapiedauer. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten kam es zu einer Verbesserung der Leberfunktion, nur bei wenigen zu einer Verschlechterung [11],[12].

Auf Grundlage der neuen Studienergebnisse haben die folgenden Fachgesellschaften in einem Addendum zur AWMF S3 Leitlinie die Aktuelle Empfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis C zusammengefasst (www.dgvs.de, 02/2015): Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng), Kompetenznetz Hepatitis, Deutsche Leberstiftung, Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP), Berufsverband Deutscher Pathologen, Gesellschaft für Virologie (GfV), Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG), Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) und die Deutsche Leberhilfe e. V.

Die Fachgesellschaften empfehlen Ledipasvir plus Sofosbuvir für Therapie-naive und -erfahrene Patienten mit HCV Typ 1- und 4-6-Infektion mit und ohne Zirrhose. Eine Empfehlung zur Therapie für HCV Typ 3-infizierte Patienten ohne Zirrhose kann nur mit Einschränkungen gegeben werden und für Patienten mit HCV Typ 3-Infektion und Zirrhose erfolgt keine Empfehlung. Für Patienten mit HCV-HIV Koinfektion sollte die antivirale Therapie analog zu den Empfehlungen bei HCV-monoinfizierten Patienten durchgeführt werden. Für Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose sowie vor und nach Lebertransplantation erfolgte ebenfalls eine Empfehlung für die Therapie mit Ledipasvir plus Sofosbuvir.


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Spezifische Aspekte

Therapie-naive Patienten mit CHC Genotyp 1 ohne Zirrhose und Therapie-erfahrene Patienten mit CHC Genotyp 1 (mit und ohne Zirrhose)

Der G-BA hat das IQWiG mit der Nutzenbewertung des Wirkstoffs Sofosbuvir gemäß § 35a SGB V beauftragt mit dem Ziel der Bewertung des Zusatznutzens von Ledipasvir / Sofosbuvir im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie bei erwachsenen Patienten mit chronischer Hepatitis C (CHC). Für unterschiedliche Indikationen hat der G-BA dabei verschiedene zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt (siehe Tabelle 2 der Dossierbewertung, Seite 5).

In seiner Dossierbewertung vom 26.02.2015 kommt das IQWiG zusammenfassend zu dem Schluss, dass es einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie einer Triple-Therapie mit einem Protease-inhibitor (Boceprevir oder Telaprevir), Peginterferon und Ribavirin für Therapie-naive Patienten mit CHC Genotyp 1 ohne Zirrhose und für Therapie-erfahrene Patienten mit CHC Genotyp 1 (mit und ohne Zirrhose) gibt.

Das IQWiG sieht keinen Beleg für einen Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir gegenüber der vom G-BA festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie für Therapie-naive Patienten mit CHC Genotyp 1 mit Zirrhose, für Therapie-naive oder Therapie-erfahrene Patienten mit CHC Genotyp 1 und HIV-Koinfektion, für Patienten mit CHC Genotyp 1 oder 4 mit dekompensierter Zirrhose (gegenüber der vom pU gewählten Vergleichstherapie), für Patienten mit CHC Genotyp 3, sowie für Patienten mit CHC Genotyp 4.

Der Vorstand der DGVS und DGIM kann den Schlussfolgerungen des IQWiG nicht folgen, dass die Therapie mit Ledipasvir und Sofosbuvir lediglich einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen bietet.

Das IQWIG bewertet den Effekt der Therapie für den Endpunkt Morbidität, wie folgt: Der Anteil der Patienten, die nach einer 12-wöchigen Behandlung mit Ledipasvir / Sofosbuvir eine SVR zeigten, ist deutlich höher als nach einer 24 bis 48-wöchigen Behandlung (RGT-Schema) mit einer Triple-Therapie mit einem Proteaseinhibitor (Boceprevir oder Telaprevir), Peginterferon und Ribavirin. Der Anteil der Patienten mit einem SVR ist dabei unter einer Behandlung mit Ledipasvir / Sofosbuvir bei nahezu 100 % nach 8–12 Wochen Therapie. Der Effekt kann insgesamt als dramatisch angesehen werden. Die Tendenz zu einem dramatischen Effekt zeigt sich bereits bei einer Behandlungsdauer von 8 Wochen mit Ledipasvir / Sofosbuvir (Dossierbewertung Seite 7). Wir können der Bewertung des IQWIG folgen, dass die hohe Effizienz der Therapie einen „dramatischen“ Effekt für die Betroffenen mit chronischer Hepatitis C darstellt und auch hinsichtlich der günstigen Beeinflussung der HCV-bezogenen populationsbezogenen Sterblichkeit und Morbidität eine erhebliche Relevanz besitzt.

Der Nachweis eines dramatischen therapeutischen Effektes mit Heilungsraten von praktisch 100 % ohne relevante Nebenwirkungen lässt sich aus Sicht des Vorstandes der DGVS und DGIM jedoch nicht nur mit einem Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen vereinbaren, sondern stellt einen eindeutigen Hinweis für den Zusatznutzen dar.

Die Gefahren dieser Semantik liegen in einer fortgesetzten Bagatellisierung der Folgen der chronischen HCV Infektion und deren individueller Bedeutung für die betroffenen Patienten. Die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Unterschätzung der chronischen HCV-Infektion als Bevölkerungs-relevantes Gesundheitsproblem hat dazu geführt, dass die HCV-bedingten Todesfälle in Europa und USA stetig ansteigen und die Zahl der Todesfälle durch die HIV-Infektion inzwischen bei weitem überschritten haben (die Zahl der Patienten, die in Europa 2010 aufgrund einer HCV Infektion gestorben betrug 57 000 im Vergleich zu 8 000 HIV-assoziierten Todesfällen) [13],[14].

In diesem Zusammenhang kann der Vorstand der DGVS und DGIM den Schlussfolgerungen des IQWiG auch nicht folgen, dass der Zusatznutzen nicht quantifizierbar ist. Das IQWiG begründet das mit seiner Methodik, nach welcher es sich bei der SVR lediglich um einen Surrogat für den Endpunkt HCC handelt, dessen Ausmaß nicht quantifizierbar ist. Auf diesen Umstand wurde bereits sehr ausführlich in früheren Stellungnahmen unserer Fachgesellschaften eingegangen. Es wurden von uns hinreichende publizierte Befunde vorgelegt, die es erlauben die Folgen der chronischen HCV-Infektion und die Effekte der Therapie auf die Patienten-relevanten Endpunkte zu quantifizieren (siehe z. B. Stellungnahme der DGVS und DGIM zur Dossierbewertung für Sofosbuvir). Durch die Steigerung der therapeutischen Effizienz auf > 90 % und Therapiesteigerungsrate von nur 75 % (das entspricht einer Rate von knapp unter 20 000 Behandlungen pro Jahr) könnten in zehn Jahren mehr als 1 000 HCV-bedingte jährliche Todesfälle verhindert werden. Weiterhin könnte die Prävalenz chronisch HCV-infizierter Menschen in Deutschland bis zum Jahr 2025 um 90 % reduziert und damit ein wesentlicher Beitrag auf dem Weg zur Elimination der HCV-Infektion geleistet werden [15]. Diese Befunde finden jedoch unverändert in der Methodologie des IQWIG keine Berücksichtigung.

Die Daten zu unerwünschten Ereignissen (UE) von Ledipasvir / Sofosbuvir im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie werden vom IQWIG aufgrund der sehr unterschiedlichen Beobachtungsdauern insgesamt nicht abschließend interpretiert. In der Dossierbewertung heißt es weiter: Die Daten geben aber kein Anzeichen dafür, dass ein größerer Schaden durch Ledipasvir / Sofosbuvir vorliegt. Das IQWiG sieht im Dossier des pU auch keine verwertbaren Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (Dossierbewertung Seite 8).

Der Vorstand der DGVS und DGIM kann dem Argument des IQWiGs, dass eine kürzere Therapiedauer und damit unterschiedliche Beobachtungsdauern keine abschließende Interpretation der Nebenwirkungen erlaubt, nicht folgen. Auch widerspricht der Vorstand nachdrücklich der Behauptung, dass die Datenlage unzureichend ist, um einen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie positiven Effekt auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität nachzuweisen.

Wie bereits in seiner Stellungnahme zur Dossierbewertung von Sofosbuvir möchte der Vorstand der DGVS und DGIM nochmals darauf hinweisen, dass die Interferon-basierte Therapie mit subkutanen Injektionen eine nebenwirkungsreiche und in vielen Fällen auch toxische Therapie darstellt (Therapieabbruchraten 10-20 %), die mit einer signifikanten und patientenrelevanten quantifizierbaren Einschränkung der Lebensqualität einhergeht, mit zunehmender Behandlungsdauer zunimmt und eine quantifizierbare Morbiditäts- und Letalitätsrate besitzt.

Analysen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität unter Ledipasvir plus Sofosbuvir, die im Rahmen der Phase III Studien bei 1952 Patienten durchgeführt wurden, zeigten dagegen, dass es bereits frühzeitig unter der oralen Therapie zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität kommt (ca. 7 % auf einer normalisierten 0–100 % Skala) [16].

Die hohe Verträglichkeit der Ledipasvir plus Sofosbuvir Therapie spiegelt sich auch in der geringen Rate vorzeitiger Therapieabbrüche wieder (1 %; 13 von 1952 Patienten).


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Therapie-naive Patienten mit CHC Genotyp 1 mit Zirrhose

Das IQWiG stellt keinen Beleg für einen Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir gegenüber der vom GB-A festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie für Therapie-naive Patienten mit CHC Genotyp 1 mit Zirrhose fest.

Der Vorstand der DGVS und DGIM kann die Rationale nach welcher das IQWIG für vorbehandelte Patienten mit Zirrhose und HCV-Typ 1 Infektion einen Anhaltspunkt für einen nicht-quantifizierbaren Zusatznutzen besteht, nicht jedoch für Therapie-naive Patienten mit HCV-Typ 1 Infektion nicht nachvollziehen. In der Dossierbewertung heißt es auf Seite 8: Der Anteil der Patienten (mit HCV Typ 1 und Zirrhose) mit einem SVR ist dabei unter einer Behandlung mit Ledipasvir / Sofosbuvir bei nahezu 100 %. Der Effekt kann insgesamt als dramatisch angesehen werden. Insgesamt ergibt sich für den Endpunkt SVR ein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit der dualen Therapie aus Peginterferon und Ribavirin. Das IQWiG begründet seine Bewertung des fehlenden Zusatznutzen jedoch dadurch, dass für schwere unerwünschte Ereignisse (SUE) der Ereignisanteil bei Ledipasvir / Sofosbuvir höher lag als bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie und daher auf Basis der vorliegenden Informationen ein höherer Schaden von Ledipasvir / Sofosbuvir nicht auszuschließen ist.

Dieser Argumentation kann der Vorstand der DGVS und DGIM in keiner Weise folgen. Zum einen zeigt sich hier eine Inkonsistenz im Umgang mit der Ergebnissen zu unerwünschten Ereignissen innerhalb der IQWIG Dossierbewertung, die für Patienten ohne Zirrhose aufgrund der sehr unterschiedlichen Beobachtungsdauern nicht abschließend zu interpretieren waren, jedoch für Patienten mit Zirrhose als bewertungsrelevant einbezogen wurden; zum anderen stellen gerade Patienten mit Zirrhose eine Hochrisikopopulation für die Interferon-basierte Vergleichstherapie dar. Der Vorstand der DGVS und DGIM kann den Ausführungen des IQWIG hinsichtlich der dramatischen Effekte für Patienten mit Zirrhose nur zustimmen, da unter der Interferon-basierten Vergleichstherapie bisher nur Heilungsraten von ca. 20 % erreicht wurden. Die integrierte Analyse aller Patienten mit Leberzirrhose aus den Ledipasvir / Sofosbuvir Phase 2/3 Studienprogrammen (n = 513) bestätigt die hohe Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapieform mit SVR Raten zwischen 96 %–100 % und unterstreicht damit den erheblichen Zusatznutzen für Patienten mit Zirrhose [13].

Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass in der täglichen Routine und Praxis eine Unterteilung der Patienten mit chronischer Hepatitis C in solche mit bzw. ohne Zirrhose (Child A) nicht möglich ist, da in der ambulanten Versorgung nur selten eine Leberbiopsie durchgeführt wird und nicht-invasive Fibrosebestimmungen zum Beispiel mittels Fibroscan nicht flächendeckend verfügbar sind (und auch nicht abgerechnet werden können). Somit kann die Zirrhose kein Differenzierungsmerkmal für oder gegen eine antivirale Therapie darstellen.


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Patienten mit CHC Genotyp 1 oder 4 mit dekompensierter Zirrhose

Das IQWiG sieht keinen Beleg für einen Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir für Patienten mit CHC Genotyp 1 oder 4 mit dekompensierter Zirrhose und begründet dies durch das Fehlen vergleichender Daten zur Bewertung des Zusatznutzens.

Der Vorstand der DGVS und DGIM möchte dazu wie folgt Stellung nehmen: Patienten mit dekompensierter Zirrhose sind bisher nicht behandelt worden, da Interferon-basierte Therapieregime in diesem Stadium der Zirrhose kontraindiziert sind und somit eine vergleichende Therapie für diese Patienten nicht vorliegen kann. Es steht jedoch außer Frage, dass diese Patienten, die oft bereits auf eine Lebertransplantation warten, die höchste Therapiedringlichkeit besitzen und für diese Patientengruppe der sog. „unmet medical need“ am höchsten ist. Die bisherigen Ergebnisse aus Phase 2 Studien zeigen mit hoher Konsistenz eine erstaunlich hohe Wirksamkeit der Ledipasvir / Sofosbuvir Therapie bei dekompensierter Zirrhose und das bei guter Verträglichkeit (SVR Raten 86–90 %). Bei der Mehrzahl der Patienten kam es bereits unter der Therapie zu einer Rekompensation der Erkrankung mit Besserung der Leberfunktionsparameter [11],[12].

Aus Sicht des Vorstandes der DGVS und DGIM ergeben sich daher eindeutige Anhaltspunkte für einen erheblichen Zusatznutzen gerade für Patienten mit dekompensierter Zirrhose.


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Therapie-naive oder Therapie-erfahrene Patienten mit CHC Genotyp 1 und HIV-Koinfektion

Das IQWIG sieht keinen Beleg für einen Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir gegenüber der vom GB-A festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie für Therapie-naive oder Therapie-erfahrene Patienten mit CHC Genotyp 1 und HIV-Koinfektion und begründet dies mit einem inhaltlich unvollständigem historischen Vergleich gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie.

Der Vorstand der DGVS und DGIM möchte dazu wie folgt Stellung nehmen: Die Ergebnisse zur Effizienz von Ledipasvir / Sofosbuvir unterscheiden sich nicht zwischen Patienten mit und ohne HIV-Koinfektion. Die 12-wöchige Ledipasvir / Sofosbuvir-Therapie wurde im Rahmen von Phase II und III Studien bei insgesamt n = 385 mit HCV-HIV Koinfektion (v. a. HCV Typ 1) untersucht mit Heilungsraten von 96–98 % [9],[10].

Es ist daher nicht nachvollziehbar, den für Patienten mit HCV Typ 1 Infektion festgestellten Zusatznutzen nicht auch auf Patienten mit HIV-Koinfektion zu übertragen. Da Patienten mit HCV-HIV Koinfektion meist eine raschere Progression zu klinischen Endpunkten zeigen als HCV-monoinfizierte Patienten, profitieren sie in besonderer Weise von den neuen Therapieformen. Daher wird in den nationalen und internationalen Leitlinien der Fachgesellschaften für HIV-HCV-koinfizierte Patienten mit HCV-Typ 1 und 4 Infektion eine Therapie in Analogie zu der Behandlung von Patienten mit chronischer HCV Typ 1 und 4 Infektion ohne HIV-Koinfektion empfohlen. Aus Sicht des Vorstandes der DGVS und DGIM ergibt sich somit ein eindeutiger Hinweis für einen erheblichen Zusatznutzen für die koinfizierten Patienten.


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Patienten mit CHC Genotyp 3

Das IQWIG sieht keinen Beleg für einen Zusatznutzen von Ledipasvir / Sofosbuvir gegenüber der vom GB-A festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie für Patienten mit CHC Genotyp 3.

Der Vorstand der DGVS und DGIM stimmt den Ausführungen in der IQWIG Dossierbewertung zu, dass die Datenlage für HCV Typ 3 Infektion nicht ausreichend ist, um einen Zusatznutzen zu belegen.


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Zusammenfassung:

Zusammenfassend betrachtet der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) die Zulassung des ersten fixen Interferon-freien oralen Therapieregime von Ledipasvir / Sofosbuvir in Form einer Einzeltablette mit einmaliger Dosierung pro Tag als einen weiteren erheblichen Fortschritt in der Bekämpfung der chronischen HCV-Infektion und deren Folgen. Die Bewertung zur Effizienz beruht auf den robusten Ergebnissen von großen Phase III Studien bei ca. 2000 Patienten. Unabhängig von den unterschiedlichen Patientensubgruppen führt die Therapie zu Heilungsraten von 95–100 % bei sehr guter Verträglichkeit.

Vor dem Hintergrund der historischen Bedeutung dieser Therapieentwicklung, den nachgewiesenen dramatischen Effekten und deren Bedeutung für die Reduktion der populationsbezogenen HCV-induzierten Morbidität und Sterblichkeit sehen der Vorstand der DGVS und DGIM ein erhebliches Problem in der IQWiG Dossierbewertung, in welcher nur für Patienten mit HCV-Typ 1 Infektion lediglich ein Anhaltspunkt für einen nicht-quantifizierbaren Zusatznutzen festgestellt wird. Ein Umstand, der weder sachlich, inhaltlich noch politisch als korrekt zu bezeichnen ist, impliziert er doch eine grobe Verharmlosung der chronischen Hepatitis C als relevantes Gesundheitsproblem und der individuellen Not vieler Betroffener.

Bereits 2010 hat die Welt-Gesundheitsbehörde (WHO) im Rahmen der Welt-Gesundheitsversammlung 63.18 ihre Resolution im Hinblick auf die Anerkennung der viralen Hepatitis als globales Gesundheitsproblem adaptiert [13]. 2013 bekräftigt die WHO in ihrem Report die Bedeutung der viralen Hepatitis C als relevantes globales öffentliches Gesundheitsproblem. Sie betont die Notwendigkeit von Regierungen und der Öffentlichkeit, Aktionspläne zur Prävention, Diagnose und Therapie der Hepatitisvirusinfektionen zu entwickeln und umzusetzen [14].

Nebenwirkungen der Interferon-basierten Therapie stellten bisher die Hauptbarriere für die Therapie der chronischen HCV-Infektion dar und damit für die Bemühungen zur Reduktion der HCV-assoziierten Morbidität und Letalität. Nicht ausreichend wird daher vom IQWiG die im Vergleich zur jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie hohe Sicherheit und gute Verträglichkeit der neuen oralen Therapieregime wie Ledipasvir / Sofosbuvir berücksichtigt, die für viele Patienten die Therapie überhaupt erst ermöglicht. Hier sind vor allem Patienten mit Begleiterkrankungen, HCV-HIV-Koinfektionen, kompensierter und dekompensierter Zirrhose und auch Zustand nach Lebertransplantation zu nennen. Für dekompensierte Zirrhosen steht somit erstmals eine effektive Therapie für einen wichtigen “unmet need“ zur Verfügung, eine Diskussion über eine geeignete Vergleichsgruppe entfällt somit. Da diese Patienten Heilungsraten nach Ledipasvir / Sofosbuvir-Therapie erzielen, die mit denen bei HCV Typ 1 Infektion ohne Komorbidität vergleichbar sind, muss auch für diese Patientengruppen der Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzens gefordert werden.


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