Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(1): 5
DOI: 10.1055/s-0034-1397593
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Neonatologie
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Humanes Herpesvirus-6 – Neurologische Entwicklung von Kindern mit kongenitaler HHV-6-Infektion

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Publication Date:
03 March 2015 (online)

Hintergrund: Bei etwa 0,99 % aller Neugeborenen ist eine kongenitale Infektion mit dem Humanen Herpesvirus-6 (HHV-6), das dem Zytomegalievirus (CMV) ähnelt, nachweisbar. Die Infektion erfolgt überwiegend über die chromosomale Integration der Virus-DNA (ciHHV-6) und nur zu einem geringen Anteil transplazentar. Die klinische Bedeutung der kongenitalen HHV-6-Infektion ist unklar, eine entwicklungsneurologische Beeinträchtigung aufgrund zentralnervöser Schädigungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Caserta et al. untersuchen, ob eine kongenitale HHV-6-Infektion das frühe entwicklungsneurologische Outcome Neugeborener ungünstig beeinflusst.

Methoden: In die prospektive doppelblinde kontrollierte Studie wurden 57 reife Neugeborene mit kongenitaler HHV-6-Infektion (Nachweis von HHV-6-DNA in Nabelschnurblut-Monozyten) eingeschlossen. Die Kontrollgruppe bestand aus 242 HHV-6-negativen Neugeborenen. Kinder mit CMV-Nachweis im Urin wurden ausgeschlossen. Im Alter zwischen 4 und 30 Lebensmonaten wurde die neurologische Entwicklung der Kinder im Rahmen von 4 Vorstellungsterminen anhand des „Fagan Test of Infant Intelligence“, des „Visual Expectation Paradigm (VEXP)“ sowie des „Mental Development Index der Bayley Scales of Infant Development II (Bayley-MDI)“ evaluiert. Die Daten des Neugeborenen-Hörscreenings sowie einer audiologischen Untersuchung im Alter von 12 bis 24 Lebensmonaten wurden ebenfalls ausgewertet.

Ergebnisse: Vollständig auswertbare Daten lagen von 39 HHV-6-positiven und 199 -negativen Kindern vor. Eine chromosomale Integration von HHV-6 wurde in 32 Fällen (86 %) nachgewiesen. Keines der Neugeborenen zeigte bei der Geburt HHV-6-typische Infektionssymptome. Die Kinder beider Gruppen erzielten im Fagan Test of Infant Intelligence und im VEXP vergleichbare Ergebnisse. Der durchschnittliche Bayley-MDI-Score der Kinder mit kongenitaler HHV-6-Infektion im Alter von 12 Monaten betrug 103,4 ± 8,9 (range 86–122) und bei den nicht infizierten Kontrollen 105,4 ± 12,4 (range 61–126). Nach Kontrolle für Kovariablen konnte eine Assoziation der HHV-6-Infektion mit einem niedrigeren Bayley-MDI-Score im Alter von 12 Monaten nachgewiesen werden (durchschnittlicher Unterschied: 4,3; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,4–8,1; p = 0,03). Insbesondere die ciHHV-6-positiven Kinder hatten signifikant niedrigere MDI-Scores als ihre Kontrollen (durchschnittliche Differenz: 4,1; 95 %-KI 0,0–8,2; p = 0,05). Bei den transplazentar infizierten Kindern fanden sich keine Unterschiede im Vergleich zu ihren Kontrollen. Mittels Hörscreening und Audiologie wurden keine Kinder mit Hörstörungen identifiziert.

Fazit

Die Autoren schlussfolgern, dass eine kongenitale HHV-6-Infektion, insbesondere eine Infektion mit chromosomal integrierter Virus-DNA, die neurologische Entwicklung der Kinder im Alter von 12 Monaten negativ beeinflussen kann. Die kognitiven Defizite der betroffenen Kinder seien mit den gut erforschten Effekten bestimmter Umwelttoxine vergleichbar. Aufgrund der Häufigkeit kongenitaler HHV-6-Infektionen seien weitere Untersuchungen zur klinischen Signifikanz in der frühen und späten Kindheit notwendig.

Dr. Judith Lorenz, Künzell