Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(6): 236
DOI: 10.1055/s-0034-1397402
Journal Club
Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Metabolische Prägung – Frühgeburtlichkeit als Risikofaktor für Insulinresistenz?

Further Information

Publication History

Publication Date:
17 December 2014 (online)

Hintergrund: Die Ergebnisse früherer Untersuchungen lassen einen Zusammenhang von Frühgeburtlichkeit und langfristigen metabolischen Störungen wie Insulinresistenz und Diabetes Typ 2 im Kindes- und Erwachsenenalter vermuten. Wang et al. untersuchen, ob bei Frühgeborenen bereits nach der Geburt auffällige Plasma-Insulinspiegel nachweisbar sind und ob diese Veränderungen im Verlauf der ersten Lebensjahre persistieren.

Methoden: Anhand einer Geburtenkohorte (Boston Birth Cohort) aus 1358 zwischen 1998 und 2010 geborenen und zwischen 2005 und 2012 prospektiv nachbeobachteten Kindern wurde die Insulin-Homöostase von Frühgeborenen mit Hilfe eines Case-Control-Design analysiert. Bei allen Kindern wurde der Plasma-Insulinspiegel bei der Geburt (Nabelschnurblut) bzw. bis zum Alter von 6,5 Jahren (venöses Blut) bestimmt. Das Gedeihen der Kinder wurde anhand des BMI, der Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr, der Plasma-Leptinspiegel sowie der Ernährung untersucht.

Ergebnisse: Das mediane Alter betrug 1,4 Jahre (IQR 0,8–3,3) in 4 Gestationsalter-Gruppen: reife (≥ 39 SSW; n = 597) und frühe reife (37–38 SSW; n = 343) Neugeborene; späte (34–36 SSW; n = 256) und frühe (< 34 SSW; n = 162) Frühgeborene. Bei 1117 Kindern wurde der Insulinspiegel bei der Geburt, bei 1026 während der ersten Lebensjahre und bei 785 zu beiden Zeitpunkten bestimmt. Das geometrische Mittel der Insulinlevel bei der Geburt bzw. im Kindesalter betrug 9,2 μIU / ml (95 %-Konfidenzintervall [KI] 8,4–10,0) bzw. 11,2 μIU / ml (95 %-KI 10,3–12,0) für die reifen und 10,3 μIU / ml (95 %-KI 9,3–11,5) bzw. 12,4 μIU / ml (95 %-KI 11,3–13,6) für die frühen reifen Neugeborenen sowie 13,2 μIU / ml (95 %-KI 11,8–14,8) bzw. 13,3 μIU / ml (95 %-KI 11,9–14,8) für die späten und 18,9 μIU / ml (95 %-KI 16,6–21,4) bzw. 14,6 μIU / ml (95 %-KI 12,6–16,9) für die frühen Frühgeborenen. Die aus Nabelschnurblut bestimmten Insulinspiegel der frühen reifen Neugeborenen waren 1,13-fach (95 %-KI 0,97–1,28), die der späten Frühgeborenen 1,45-fach (95 %-KI 1,25–1,65) und die der frühen Frühgeborenen 2,05-fach (95 %-KI 1,69–2,42) höher als die der reifen Neugeborenen. Auch die im Kindesalter bestimmten Insulinwerte derselben Gruppen waren 1,12-fach (95 %-KI 0,99–1,25), 1,19-fach und 1,31-fach (95 %-KI 1,10–1,52) höher als die der reifen Neugeborenen. Diese Assoziation schwächte sich nach Adjustierung für die postnatale Gewichtszunahme ab, da im Vergleich zu den reif Geborenen ein größerer Anteil der unreifen Frühgeborenen eine schnelle Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr zeigte (84,8 % vs. 27,6 %). Nach Adjustierung für die Insulinspiegel bei Geburt war keine statistische Signifikanz mehr nachweisbar. Kinder mit hohem Insulinspiegel bei der Geburt hatten im Vergleich zu Kindern mit niedrigem postpartalem Insulinspiegel auch in der frühen Kindheit häufiger hohe Insulinlevel (41,2 % vs. 28,6 %).

Fazit

Die Studie zeigt eine inverse Assoziation von Gestationsalter und erhöhten Plasma-Insulinspiegeln bei der Geburt sowie während der frühen Kindheit. Dies, so die Interpretation der Autoren, deute darauf hin, dass eine Insulinresistenz in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter bei ehemaligen Frühgeborenen auf eine frühe Programmierung zurückzuführen sei und identifiziere die Frühgeburtlichkeit als einen Risikofaktor für die Entwicklung langfristiger metabolischer Störungen.

Dr. Christian Weber, Künzell