Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46(03): 177-178
DOI: 10.1055/s-0034-1375607
Kommentar
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar zu: Strobel U, Tami I, Andreisek G, et al. Vergleich der funktionellen Resultate mit MRT-Befunden nach operativer Versorgung von transskaphoidalen perilunären Luxationsfrakturen: Die Rolle von skapholunären Bandläsionen

Commentary on: Strobel U, Tami I, Andreisek G, et al. Comparison of Functional Results with MRI Findings after Surgical Treatment of Transscaphoid Perilunate Fracture Dislocations of the Wrist: The Role of Scapholunate Ligament Lesions
R. Schmitt
1   Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Bad Neustadt
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 June 2014 (online)

Der Einladung der Herausgeber der Handchirurgie Mikrochirurgie Plastische Chirurgie einen Kommentar zur Publikation der Autoren Strobel et al. [1] zu verfassen, komme ich gerne mit folgenden Anmerkungen nach.

Das Lig. scapholunatum ist ein anatomisch komplex aufgebautes Band in Hufeisenform: Das biomechanisch wichtigste Bandsegment verläuft dorsal und wird von kräftigen, horizontal verlaufenden Faserzügen gebildet [2]. Letztlich wird die Bandstabilität ausschließlich vom dorsalen Segment gewährleistet [3]. Das mittlere Segment ist eine unbedeutende Membran, dem schräg verlaufenden palmaren Segment kommt nur die Funktion eines endgradigen Steuerbands zu. Unter anatomischem Gesichtspunkt ist die Unterscheidung von Komplett- und Partialrupturen zwar richtig, nach klinischer Relevanz wäre jedoch die Differenzierung von instabilen und stabilen Rupturen zielführender (Partialrupturen mit verletztem dorsalem Segment sind instabil).

In der vorliegenden Studie weisen die verwendeten 2D-Sequenzen eine In-plane-Auflösung von 0,3 mm×0,4 mm und eine Schichtdicke 3 mm auf (Voxelgröße von 0,3 mm×0,4 mm×3,0 mm). Stellt man diesen geometrischen Parametern die anatomische Dicke des Lig. scapholunatum von 0,8 mm bis 1,2 mm gegenüber [2], dann wird klar, dass das dünne Band aufgrund des Partialvolumeneffekts mit Schichten von 3 mm Dicke nur unzureichend abgebildet werden kann. Derzeit sind 3D-Sequenzen mit Partitionsdicken im Submillimeter-Bereich verfügbar, die das Lig. scapholunatum detailgenau abbilden. In der Klinik des Rezensenten kommt für die T1-Gewichtung eine 3D-FLASH-Sequenz (VIBE®) mit einer Partitionsdicke von 0,4 mm, für die T2-Gewichtung eine 3D-PD-FSE-Sequenz (SPACE®) mit einer Partitionsdicke von 0,5 mm zum Einsatz.

Das Lig. scapholunatum lässt sich in T2-gewichteten Sequenzen dann ausreichend gut abgrenzen, wenn ein signalreicher Gelenkerguss den Kontrast zwischen dem hyalinen Gelenkknorpel und Ligament sowie zwischen den Bandresten im Falle einer Ruptur anhebt. Dagegen ist in T1-gewichteten Sequenzen der Kontrast zwischen dem Gelenkknorpel und dem intrinsischen Ligament gering, sodass sich das Band in dieser ­Sequenzgewichtung regelhaft der subtilen Beurteilung entzieht. Wie die Autoren der Vollständigkeit halber erwähnen, ist die direkte MR-Arthrografie mit ihren distendierenden und kontrastverbessernden Effekten der bildgebende Referenzstandard in der Beurteilung des skapholunären Ligaments [4]. Leider wurde in der vorgestellten Studie kein intraartikuläres Kon­trastmittel verabreicht. Hingewiesen sei auf die wissenschaftlich wenig beachtete, im klinischen Alltag jedoch äußerst hilfreiche Applikation von intravenösem Kontrastmittel in der Diagnostik karpaler Verletzungen. Der Effekt der systemischen Kontrastmittelgabe, der 1995 von Stäbler et al. [5] beschrieben wurde, beruht auf der fokalen Kontrastmittelanreicherung am Verletzungsort, wodurch Rupturen am skapholunären Band auch in T1-Gewichtung kontrastreich zur Darstellung kommen. Pathoanatomische Grundlage ist die lokale Hyperämie des fibrovaskulären Reparationsgewebes, das sich an den ligamentären Rupturenden und der umgebenden Synovialis ausbildet.

Die intravenöse Kontrastmittelgabe ist die „Conditio sine qua non“ im Nachweis und Staging von karpalen Osteonekrosen. Während in den frühen Jahren der MRT-Anwendung versucht wurde, den durchblutungsgestörten, in T1-Gewichtung signalkompromittierten Knochen anhand der ­Signalhöhe in T2-gewichteten Sequenzen in vitale und avitale Bezirke zu differenzieren, gilt es heute anhand intraoperativer Vergleichsstudien als gesichert, dass am Skaphoid die topografische Zuordnung in nekrotische Areale (fehlendes Enhancement), reparative Areale (Hyperenhancement) und normalen Knochen (normales Enhancement) nur anhand T1-gewichteter Sequenzen mit Fettsaturation nach intravenöser Kontrastmittelgabe möglich ist [6] [7]. Nach einer de Quervain’schen Luxa­tionsfraktur kommt erschwerend hinzu, dass der knöcherne Heilungsprozess mit sklerotischem Knochenumbau im Frakturgebiet des Skaphoids zu einer weiteren Signalalteration führt, die am besten in Zusammenschau mit der knöchernen Morphologie einer hochaufgelösten CT-Untersuchung bewertet werden sollte. Erwähnt sei, dass die zitierte Arbeit von Donati et al. [8] nicht die Wertigkeit der Kontrastmittelgabe in der Diagnostik von Skaphoidpseudarthrosen prinzipiell in Frage stellt, sondern vielmehr konstatiert, dass die Akquisition von dynamischen, zeitaufgelösten Bildserien keinen diagnostischen Zusatzgewinn gegenüber dem standardisierten Vorgehen bringt.

Kritisch bewertet werden muss die Anwendung der modifizierten Outerbridge-Klassifikation zur Diagnostik früher Arthrosestadien. Grund ist die Dicke des hyalinen Gelenkknorpels am Handgelenk von lediglich ca. 1,0 mm, die die Diagnose einer reinen Chondropathie anhand der Signalhöhe anhand von 3 mm dicken Schichten aus geometrischen Gründen zweifelhaft ­erscheinen lässt. Ungeachtet der Schichtdicke hat die 3-Tesla-MRT aufgrund des höheren Signal-Rausch-Verhältnisses Vorteile­ in der Detektion von Chondropathien ohne Knorpelhöhenverlust [9], jedoch sind derzeit frühe Knorpelschäden nach wie vor nur mit der Arthroskopie sicher nachweisbar.

Trotz der Diskussionspunkte ist es der unbestrittene Verdienst der Autoren, den diagnostischen Stellenwert der MRT in der ­Diagnostik des skapholunären Ligaments, des Gelenkknorpels und Knochenmarks nach komplexen Luxationsfrakturen evaluiert zu haben. Wünschenswert wäre es, wenn sich zukünftig mehr wissenschaftliche Studien mit den Folgezuständen an den intraartikulären Strukturen der Handwurzel nach komplexen Verletzungen beschäftigen würden, bevor symptomatische Karpalarthrosen einsetzen.

 
  • Literatur

  • 1 Strobel U, Tami I, Andreisek G et al. Vergleich der funktionellen Resultate mit MRT-Befunden nach operativer Versorgung von transskaphoidalen perilunären Luxationsfrakturen: Die Rolle von skapholunären Bandläsionen. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 169-176
  • 2 Sokolow C, Saffar P. Anatomy and histology of the scapholunate ligament. Hand Clin 2001; 17: 77-81
  • 3 Berger RA, Imaeda T, Bergland L et al. Constraint and material properties of the subregions of the scapholunate interosseous ligament. J Hand Surg Am 1999; 24: 953-962
  • 4 Scheck RJ, Kubitzek C, Hierner R et al. The scapholunate interosseous ligament in MR arthrography of the wrist: correlation with non-enhanced MRI and wrist arthroscopy. Skeletal Radiol 1997; 26: 263-271
  • 5 Stäbler A, Kohz P, Baumeister RGH et al. Diagnostik von karpalen Bandverletzungen und Kapselerkrankungen durch die kontrastmittelverstärkte Magnetresonanztomographie (MRT). Radiologe 1995; (Suppl. 90) 35
  • 6 Cerezal L, Abascal F, Canga A et al. Usefulness of gadolinium-enhanced MR imaging in the evaluation of the vascularity of scaphoid nonunions. Am J Roentgenol 2000; 174: 141-149
  • 7 Schmitt R, Christopoulos G, Wagner M et al. Avascular necrosis (AVN) of the proximal fragment in scaphoid nonunion: Is intravenous contrast agent necessary in MRI?. Eur J Radiol 2011; 77: 222-227
  • 8 Donati OF, Zanetti M, Nagy L et al. Is dynamic gadolinium enhancement needed in MR imaging for the preoperative assessment of scaphoidal viability in patients with scaphoid nonunion?. Radiology 2011; 260: 808-816
  • 9 Weber MA, von Stillfried F, Kloth JK et al. Cartilage imaging of the hand and wrist using 3-T MRI. Semin Musculoskelet Radiol 2012; 16: 71-87