Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(5): 188
DOI: 10.1055/s-0033-1362851
Journal Club
Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schädeldeformitäten – Helm-Therapie bei Kindern mit lagerungsbedingter Schädeldeformität

Further Information

Publication History

Publication Date:
29 October 2014 (online)

Hintergrund: Lagerungsbedingte Schädeldeformitäten bei Säuglingen entstehen durch prolongierte, einseitige Belastungen des plastischen Schädels in Rückenlage. Typischerweise kommt es zu einer unilateralen bzw. bilateralen okzipitalen Abflachung (Plagiozephalus bzw. Brachyzephalus) mit begleitender Asymmetrie von Stirn, Ohren, Wangen und Schläfen. Bei persistierender Deformität trotz physiotherapeutischer Behandlung wird im Alter von 6 Monaten zur Korrektur des Schädelwachstums häufig eine kraniale Orthese (z. B. Helm) angepasst, die bis zum Alter von 12 Monaten 23 Stunden täglich getragen werden muss. Die niederländische Arbeitsgruppe untersucht anhand einer prospektiven Kohortenstudie die langfristige Effektivität einer sechsmonatigen Helm-Therapie im Vergleich zum Spontanverlauf der Schädeldeformität.

Methoden: In die randomisierte, kontrollierte, einfach verblindete HEADS-Studie (Helmet Therapy Assessment in Deformed Skulls) wurden zwischen Juli 2009 und Juli 2011 84 Kinder mit mäßiger bis schwerer nicht-synostotischer Schädeldeformität im Alter von 5–6 Monaten (Geburt > 36 SSW, kein muskulärer Torticollis, keine Dysmorphie-Zeichen) eingeschlossen. 42 Kinder wurden für 6 Monate mit einem speziell angepassten Kunststoffhelm mit Schaumstoff-Auskleidung behandelt, und bei 42 Kindern wurde das natürliche Schädelwachstum beobachtet. Follow-up-Untersuchungen fanden mit 8, 12 und 24 Lebensmonaten statt. Das primäre Outcome umfasste die mittels Schädelvermessung objektivierbare Veränderung der Kopfform. Sekundäre Endpunkte umfassten weitere Gesichts- und Kopfasymmetrien, die motorische Entwicklung, die Lebensqualität sowie Zufriedenheit und Besorgnis der Eltern. Auch das Auftreten unerwünschter Effekte der Helm-Therapie wurde erfasst.

Ergebnisse: Im Alter von 24 Monaten konnten 79 Kinder (94 %) beurteilt werden. 10 von 30 Kindern trugen den Helm bis zum Alter von 12 Monaten. Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Behandlung waren Zufriedenheit (n = 8) bzw. Unzufriedenheit mit dem erreichten Ergebnis (n = 1), Nebenwirkungen (n = 10) und andere (n = 1). Nach 24 Monaten zeigten sich bei den Kindern der Helm- und der Spontanverlauf-Gruppe ähnliche Veränderungen der Schädelform. Die Veränderungs-Scores für die plagiozephale bzw. die brachiozephale Schädeldeformität betrugen -0,2 (95 % CI -1,6–1,2; p = 0,80) bzw. 0,2 (95 % CI -1,7–2,2; p = 0,81). Auch der Anteil an Kindern mit vollständiger Korrektur war in der Helm- und in der Spontanverlauf-Gruppen vergleichbar (10/39; 26 % vs. 9/40; 23 %; OR 1,2; 95 % CI 0,4–3,3; p = 0,74). Hinsichtlich der sekundären Endpunkte zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Alle Eltern der Interventionsgruppe berichteten mindestens eine Nebenwirkung der Therapie (Helm-Akzeptanz, Hautirritationen, Schwitzen, unangenehmer Geruch, Schmerzen, Störfaktor bei Körperkontakt).

Fazit

Aufgrund der Gleichwertigkeit von Helmtherapie und Spontanverlauf sowie der mit der Helmtherapie verbundenen Kosten und Nebenwirkungen raten die Autoren letztlich von einem Helm als Standardbehandlung mäßiger bis schwerer Schädeldeformitäten bei Säuglingen ab.

Dr. Christian Weber, Künzell