Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82(1): 55-56
DOI: 10.1055/s-0033-1356395
Stellungnahme
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme

N. Scholten
Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln
,
H. Pfaff
Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln
,
H. C. Lehmann
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Uniklinik Köln
,
G. R. Fink
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Uniklinik Köln
Kognitive Neurowissenschaften, Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INMB), Forschungszentrum Jülich
,
U. Karbach
Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 January 2014 (online)

Sehr geehrte Herausgeber,

die von Eyding et al. angestoßene, kritische Auseinandersetzung mit unserem Beitrag „Thrombolyse des akuten Schlaganfalls – Eine deutschlandweite Analyse der regionalen Versorgung“ ist wichtig, da Auswertungen, wie von uns vorgenommen, Grundlagen für die Versorgungsplanung darstellen, aber auch Anstoß für vertiefende Forschungsfragen geben können.

Eyding et al. geben zu bedenken, dass unsere zur Analyse herangezogene Datenquelle die tatsächliche Fallzahl nicht korrekt abbilden könne. Unsere Studie basiert auf den in den gesetzlichen Qualitätsberichten veröffentlichten Daten. Wie im Artikel erläutert, sind alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser verpflichtet, einen strukturierten Qualitätsbericht zu veröffentlichen. Das Fehlen solcher Berichte von vereinzelten Krankenhäusern ist bekannt. Doppelt angelegte Datensätze wurden von uns vor der Auswertung bereinigt. Eyding et al. führen weiter aus, dass die Krankenhäuser ausgenommen sind, die nach Bundespflegesatzverordnung abrechnen. Dies betrifft Krankenhäuser, die nicht nach DRG abrechnen und somit auch nicht in den Daten der DRG-Statistik zu finden sind. Hierunter fallen u. a. psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser sowie medizinische Einrichtungen der Polizei oder des Strafvollzugs. Insgesamt werden nur ca. 6 % aller akutstationären Krankenhausfälle nicht nach DRG abgerechnet [1]. Zusammenfassend kann daher davon ausgegangen werden, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der Schlaganfallpatienten nach Bundespflegesatzverordnung abgerechnet und dokumentiert wird. Ein Vergleich der Daten der DRG-Statistik, wie er von Nimptsch et al. [2] ausgewertet wurde, zeigt eine Differenz zu unseren Fallzahlen von lediglich 0,06 % (1200 ischämische Schlaganfall-Fälle) für das Jahr 2010.

Von Eyding et al. wird weiterhin ausgeführt, dass die Zahl der Stroke Units in unserer Auswertung (534) deutlich höher liegt als in eigenen Auswertungen (374). Für die Definition einer Stroke Unit gibt es keine einheitlichen Kriterien. Die Kriterien der Deutschen Schlaganfallgesellschaft, wie sie zur Zertifizierung herangezogen werden, sind eine Möglichkeit. Die von uns für die Analyse herangezogene Definition einer Stroke Unit schließt alle Abteilungen ein, die die neurologische Komplexbehandlung des ischämischen Schlaganfalls codiert haben (8-891 und 8-98b). Bewusst wurde hier jenseits berufspolitischer Erwägungen keine Wertung vorgenommen und angenommen, dass ein Krankenhaus, das diese Prozedur codierte, die geforderte medizinische Ausstattung/Fähigkeit vorhält. Eine Mindestmenge zur Festlegung eines gewissen Qualitätsstandards erscheint auch uns wünschenswert und sinnvoll, jedoch fehlt hierfür bisher eine allgemein akzeptierte Grundlage.

Wie Eyding et al. darlegen, ist es auf Grundlage der Qualitätsberichte nicht möglich, ICD-Codes und OPS-Codes auf Patientenebene zu verknüpfen. Aus diesem Grund beziehen sich unsere Zahlen auf Patienten, die in einem Krankenhaus behandelt worden sind, das grundsätzlich die Voraussetzungen einer leitliniengerechten Schlaganfallbehandlung (entspricht der Möglichkeit der Durchführung der neurologischen Komplexbehandlung) erfüllt. Hiermit wird keine Aussage getroffen über den Anteil der Patienten, die tatsächlich diese neurologische Komplexbehandlung erfahren haben. Dieser Ansatz wurde von uns gewählt, da in unserer Auswertung der Schwerpunkt auf der Erreichbarkeit des Versorgungsangebots lag. Durch die Verknüpfung der ICD- und OPS-Codes, wie es mit den Daten der DRG-Statistik möglich ist, kann ermittelt werden, wie viele Patienten eine neurologische Komplexbehandlung erfahren haben. Aufgrund fehlender klinischer Angaben in den Daten der DRG-Statistik ist hiermit aber noch nicht gesagt, wie viele der ischämischen Schlaganfallpatienten auch tatsächlich eine neurologische Komplexbehandlung benötigen.

Hinsichtlich der Analyse der Thromboseraten war, wie in unserem Artikel ausgeführt, die Einschränkung auf die neurologischen Fachrichtungen aus methodischen Gründen nötig. Was die grafischen Darstellungen und die deskriptiven Beschreibungen angeht, beziehen sich die Auswertungen aber auf die Fachrichtungen Innere, Neurologie und Geriatrie. Hiermit werden also auch die Krankenhäuser abgebildet, die über Telemedizin (TEMPiS Netz) an der Schlaganfallversorgung teilnehmen.

Die von Eyding et al. vorgebrachten Unterschiede hinsichtlich der Thrombolyseraten sind verständlich. Unsere Angaben beziehen sich, wie im Artikel erläutert, auf die Thrombolyserate innerhalb der neurologischen Fachabteilungen, die von uns mit 9,1 % kalkuliert wurde. Wie zu erwarten, ist der Prozentsatz höher, als wenn alle Fachabteilungen mit einbezogen werden, jedoch liegt der Wert ähnlich hoch, wenn man die bundesweiten DRG-Auswertungen von Nimptsch et al. [2] zugrunde legt (8,9 %). Ein direkter Vergleich dieser beiden Werte ist aber auch nicht zulässig, da sich beide Werte auf unterschiedliche Abteilungen beziehen.

Anders als von Eyding et al. gefordert, sind in unserer Auswertung die intraarterielle Thrombolyse und die mechanische Thrombektomie bewusst nicht berücksichtigt worden, da der klinische Nutzen dieser Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden kann [3].

Zusammenfassend werden von Eyding et al. methodische Einschränkungen unserer Studie diskutiert. Diese müssen gegenwärtig, in Anbetracht der Tatsache, dass diese Datenquelle die einzige ist, die es in Deutschland momentan möglich macht, die regionale Versorgung von Schlaganfallpatienten auf Krankenhausebene deutschlandweit darzustellen, jedoch hingenommen werden. Die von Eyding et al. genutzten DRG-Daten sind in Bezug auf kleinräumige, regionale Auswertungen nicht nutzbar, da der Bezug zu einzelnen Krankenhäusern nicht gegeben ist. Auf die vollständigen DRG-Daten ist selbst für wissenschaftliche Fragestellungen bisher leider kein direkter Zugriff möglich. Alle Analysen werden von Seiten des statistischen Bundesamts durchgeführt, so dass ein Einblick in die Originaldaten fehlt. Ergebnisse können des Weiteren nur auf aggregierter Ebene veröffentlicht werden. Dennoch ist für die Auswertung bestimmter Fragestellungen der DRG-Datensatz sicherlich geeignet. Das Ziel unserer Studie ist es jedoch, den Blick auf das regionale Versorgungsgeschehen von Schlaganfallpatienten zu lenken. Dies kann allein mit den Daten der DRG-Statistik nicht geleistet werden, weshalb wir, trotz der methodischen Limitationen, eine Auswertung der strukturierten Qualitätsberichte zumindest auch bis auf Weiteres als nützlich ansehen.