Dialyse aktuell 2012; 16(S 01): s3-s4
DOI: 10.1055/s-0033-1334057
Zum Thema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Welche Technik und welches Personal brauchen wir?

Marion Bundschu
,
Hans-Martin Schröder
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 January 2013 (online)

Seit den 1980er-Jahren hat sich die Dialysetechnik stetig weiterentwickelt und Meilensteine geschaffen, die den Dialysealltag für den Anwender und den Patienten stark verbessern. Dazu gehören die Proportionierungssysteme für die konstante Dialysatmischung und die dazugehörige Leitfähigkeitsmessung. Als große Erleichterung empfanden wir die Einführung der kontinuierlich gesteuerten Ultrafiltration (UF), um den Flüssigkeitsentzug zu steuern. Damit wurde die Bilanzierung sehr einfach. Musste zuvor der Patient bei den Vitalzeichen genau überwacht und stündlich gewogen werden, braucht man heute nur die notwenige UF-Menge einzustellen und die Dialysetechnik macht alles Weitere.

Früher wurde noch für jeden Patienten der notwendige Transmembrandruck (TMP) für jede Behandlung neu errechnet und manuell mittels Schlauchklemme eingestellt. Der TMP ist die Summe des aktuellen venösen Rücklaufdrucks (abhängig von Blutpumpengeschwindigkeit, Shuntverhältnissen, Kanülenabmessung und Kanülenlage) und des variierbaren Drucks im Dialysatkreislauf. Ferner ist der UF-Koeffizient des verwendeten Dialysators maßgeblich für die UF. Der UF-Koeffizient gibt an, wieviel ml/h bei einem TMP von 1 mmHg filtriert wird. Um die notwendige UF zu erreichen, musste die Pflegekraft das Verfahren mit allen Einflussparametern vonseiten der Technik und des jeweiligen individuellen Patienten verstehen.

Heute braucht man nur noch die gewünschte UF in ml eingeben und die Maschinentechnik macht alles Weitere – es ist nicht notwendig, die technischen Vorgänge und Einflussfaktoren zu verstehen. So ist klar, warum damals so viel Wert auf die Einarbeitung und Weiterbildung der Pflegekräfte gelegt wurde. Eine Einarbeitung von bis zu einem halben Jahr und regelmäßige Fort- und Weiterbildungen waren unabdingbar. Die Technik musste verstanden werden, um sie zu bedienen und bei Komplikationen adäquat reagieren zu können. Dies diente der Patientensicherheit und der Qualitätssicherung.

Das „Wasser“ kommt heute aus der Wand und die notwendigen Geräte für die Wasseraufbereitung stehen im Keller – hinter einer verschlossenen Tür. Die UF wird eingestellt und bei Gerätestörungen, die sich nicht „wegdrücken“ lassen, wird die Maschine ausgetauscht – Fehlerbeschreibung für den Techniker: „defekt“. Ob damit ein Techniker auch etwas anfangen kann? Fehler auf der Blutseite oder Wasserseite oder …? Eine genaue Fehlerbeschreibung wäre für den Techniker hilfreich, denn auch er hat Zeitvorgaben für die Reparatur der Geräte. Für eine genaue Beschreibung müsste die Pflegekraft den Fehler erkennen können.

Bei den früheren, einfachen Geräten war die Pflegekraft notwendigerweise zur Überwachung und Beobachtung von Technik und Patient ständig in der Nähe der Patienten. Dies hat den Patienten Sicherheit vermittelt. Durch die kontinuierliche Kommunikation erfolgte gleichzeitig die psychosoziale Betreuung. Die Technik hat aufgerüstet und die Einarbeitung und Ausbildung der Anwender ist dabei auf der Strecke geblieben. Braucht es heute nicht eher einen Techniker oder kann das noch die Schwester oder die Medizinische Fachangestellte? Brauchen wir bald einen neuen Beruf mit einer Ausbildung, in dem Technik und Pflege gleichermaßen vermittelt werden?

So weit muss es sicherlich nicht kommen, auch wenn immer mehr Technik zum Einsatz kommt. Die Dialysebehandlung erfordert immer mehr technischen Sachverstand bei immer mehr Verantwortung und multimorbiden, geriatrischen Patienten sowie bei sinkenden Personalzahlen. Denn so schön, wie eine bildschirmgesteuerte Bedienerführung auch ist: Wenn der Bediener nur noch Knöpfchen drückt, ohne zu verstehen, was er da eigentlich in Bewegung setzt, wird die schönste Technik dem Patienten letztlich möglicherweise schaden statt nutzen. Unser Appell: Wir brauchen ausreichend und gut qualifiziertes Fachpersonal, das neben der Patientenbetreuung auch die Technik versteht und bedienen kann.