physioscience 2013; 9(1): 40-41
DOI: 10.1055/s-0032-1330651
Veranstaltungsberichte
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Die Zukunft der Gesundheitsberufe: Was können die Hochschulen dazu beitragen – 29./30.11.2012 an der Alice Salomon Hochschule Berlin

R. Behrend
,
A. Heinks
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Publication Date:
26 February 2013 (online)

Diese Tagung zur Zukunft der Gesundheitsberufe lockte Ende November rund 300 Berufsangehörige und Vertreter aus Politik und Wissenschaft nach Berlin. Veranstalter waren außer der gastgebenden Alice Salomon Hochschule (ASH) der Kooperationsverbund Hochschulen für Gesundheit (HoGe) e. V., der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG) e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) e. V. [1]. Nach einleitenden Worten des Moderators Dr. Arnd Hofmeister begrüßte die ASH-Rektorin Prof. Theda Borde die Anwesenden. Sie erläuterte kurz die Entwicklung der ASH mit Fokus auf den dort angebotenen Studiengang Physiotherapie/Ergotherapie, der in Kooperation mit der Wannsee-Schule zuerst dual und seit dem Wintersemester 2011/12 auch primärqualifizierend angeboten wird.

Neben Professoren, Vertretern von Berufsverbänden, Parteien, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen sowie Stiftungen waren auch zahlreiche Studierende verschiedener Gesundheitsberufe aus ganz Deutschland vor Ort. Für Letztere wurde eine Liveübertragung in einen benachbarten Hörsaal organisiert, um allen Interessierten Platz zu bieten. Den offiziellen Grußworten des Staatssekretärs im Berliner Senat für Wissenschaft und Forschung Dr. Knut Nevermann folgte die Einleitung von Prof. Jutta Räbiger, die einen Überblick über die aktuelle Lage der Gesundheitsberufe an den Hochschulen und über das geplante Programm gab.

Dr. Beatrix Schwörer, Leiterin des Referats Medizin des Wissenschaftsrates, stellte die im Juli 2012 erschienenen Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen und erste Reaktionen darauf vor. Der Wissenschaftsrat hatte in seinem Gutachten zunächst 10 – 20 % akademisch ausgebildete Berufsangehörige gefordert. Im Verlauf der Tagung wurde immer wieder Bezug auf die Aussagen des Wissenschaftsrats genommen. Sie stellen für die Gesundheitsfachberufe auf dem Weg zur Akademisierung einen entscheidenden Beleg der Wissenschaft zur aktuellen und kommenden Versorgungssituation dar. Der Wissenschaftsrat, dessen Funktion die Beratung der Bundesregierung ist, setzt sich zum einen aus Wissenschaftlern sowie Personen des öffentlichen Lebens und zum anderen aus Vertretern von Bund und Ländern zusammen [2]. Da die Empfehlungen von allen Beteiligten konsentiert sind, wird ihnen eine weitreichende Bedeutung beigemessen.

Zum Thema Aufgabenneuverteilung und Kooperation als Chance und Herausforderung für die Gesundheitsfachberufe – was folgt für Forschung und Lehre daraus? referierte Prof. Adelheid Kuhlmey von der Berliner Charité auf sehr anschauliche Art und Weise. Als entscheidende Punkte sah sie dabei die komplexer werdenden Versorgungsanforderungen. Zudem ist nach ihrer Einschätzung interdisziplinäre Kooperation mit flachen Hierarchien zukunftsweisend.

Es folgte ein Vortrag von Prof. Axel Ekkernkamp vom Unfallkrankenhaus Berlin, dem Klinischen Zentrum der ASH in der Ausbildung der primärqualifizierend Studierenden. Zum Thema Aufgabenneuverteilung und Kooperation der Gesundheitsberufe in der Versorgungspraxis – was Arbeitgeber für möglich und nötig halten berichtete er rhetorisch gewandt aus seiner Perspektive als ärztlicher Direktor und Geschäftsführer einer Klinik der unfallchirurgischen Maximalversorgung.

Ihm folgte Gerd Dielmann von der Gewerkschaft ver.di mit seinem Vortrag Akademisierung der Gesundheitsfachberufe ja, aber ... – Voraussetzungen und Konsequenzen aus Gewerkschaftssicht. Entscheidender Punkt ist laut Dielmann die bundesweite Einheitlichkeit der Berufsbilder, d. h. keine 2 Ausbildungswege sollen für den gleichen Berufsabschluss mit der gleichen Tätigkeit qualifizieren.

Nach der Mittagspause sprach Heinrich Recken von der Deutschen Gesellschaft für Pflegeforschung e. V. (DGP) in Vertretung von Frau Prof. Stemmer zur Entwicklung der Gesundheits- und Pflegeberufe in Deutschland – Soll und Haben nach 20 Jahren Akademisierung. Er betonte, dass es schon seit Jahrzehnten Bestrebungen der Pflegenden gab, sich zu akademisieren. Heute stellt sich die Situation jedoch nach wie vor so dar, dass noch nicht die vom Wissenschaftsrat benannten 10 – 20 % Akademisierungsquote erreicht sind, sondern die Studienplätze auch im Bereich der Pflege ausgebaut werden müssen.

Mit großem Interesse verfolgten die Besucher den Beitrag zur Hochschulausbildung für Gesundheitsfachberufe in den Niederlanden von Prof.  Ferdinand Bergamo, der an der Zuyd Hogeschool in Heerlen lehrt. Ein Schwerpunkt seines Vortrags lag auf den Tutorien der Lehrenden und Lernenden, die den Studierenden nicht nur eine Hilfe während des Studiums sein sollen, sondern das Ziel haben, das Reflektieren fest in den therapeutischen Alltag zu integrieren.

Als wesentlicher Programmpunkt schloss eine Podiumsdiskussion zum Thema Was muss sich in Politik und Praxis ändern? den 1. Tag ab. Gäste auf dem Podium waren Prof. Ekkernkamp, Gerd Dielmann, Prof. F. Bergamo, Prof. Gerhard Igl von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Andrea Heinks als studentische Vertreterin. Uwe Bochers vom Zentrum für Gesundheitswirtschaft (ZIG) moderierte die Diskussion. Die Teilnehmer sprachen über den Bedarf an akademisch ausgebildeten Kräften in der Berufspraxis und diskutierten, welche Versorgungslücken diese Berufsangehörigen in Zukunft füllen können. Sowohl das Publikum im Saal als auch die Zuhörer im benachbarten Hörsaal konnten zudem Fragen an die Diskussionsteilnehmer stellen.

Den 2. Tagungstag eröffnete Prof. Borde mit ihrem Vortrag zum Beitrag der Hochschulen zur Qualifizierung der Gesundheitsberufe von morgen – was wir leisten und was wir wollen. Sie berichtete über den stetigen Ausbau des 2. Pfeilers im Profil der ASH in Richtung Gesundheit und Pflege neben der traditionellen sozialen Arbeit. Der Hauptteil des Tages war daraufhin 7 Workshops gewidmet, die sich unter anderem mit den The-men Fachspezifischer Qualifikationsrahmen, Versorgungsforschung, Primärqualifizierende Studiengänge und Unterschiede von berufsfachschulischer und hochschulischer Ausbildung beschäftigten. Prof. Eberhard Göpel (HoGe e. V.) stellte am Nachmittag in aller Kürze die Ergebnisse der Workshops vor, die zusammen mit den wichtigsten Informationen und weiteren Tagungsergebnissen auch in Kürze von den Veranstaltern publiziert werden.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine weitere Podiumsdiskussion unter der Moderation von Prof. Räbiger. Auf dem Podium diskutierten Prof. Borde, Mario Czaja (Senator für Gesundheit und Soziales in Berlin), Franz Wagner (Deutscher Berufsverband Pflegeberufe e. V.) und Prof. Göpel über die Umsetzungsmöglichkeiten der im Verlauf der Tagung entwickelten bzw. besprochenen Visionen.

Zusammenfassend war diese Tagung aufgrund ihrer aktuellen und relevanten Themen und einer hochkarätigen Besetzung an Referenten ein voller Erfolg. Die Veranstalter boten in Zeiten der Entwicklung der Gesundheitsberufe eine gelungene Mischung aus Wissenschaft und Praxis sowie Politik und Versorgung. Sie erhielten zudem viel Lob für den reibungslosen Tagungsablauf. Besonders beeindruckend war die außerordentliche Teilnahme und Beteiligung der Studierenden, um deren Zukunft es hier schlussendlich ging.

Im Anschluss an die Tagung fand die offizielle Gründungsversammlung der Bundes-Studierenden-Vereinigung für Gesundheitsberufe (BSVG) statt. Bei diesem Treffen interessierter Studierender auf Initiative der HoGe wurde beschlossen, einen eigenständigen Verein zu gründen.