Klin Monbl Augenheilkd 2012; 229(10): 977-978
DOI: 10.1055/s-0032-1315390
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinderophthalmologie und neue Strategien der Strabismus-Therapie

Pedriatric Ophthalmology and New Strategies of Strabismus Therapy
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Publication Date:
24 October 2012 (online)

Keine Okklusionspflaster mehr bei Amblyopie? Sondern Behandlung am Computer mit kindgerechten Spielen? Dies wäre ein schöner Traum für viele gestresste Eltern. Die von Kämpf und Mitarb. [1], [2] vorgestellte Methode einer computerbasierten Stimulation (Computerspiele in Kombination mit einem horizontal driftenden Sinusgitter) gibt Hinweise darauf, dass dies nicht Zukunftsmusik sein muss. Bau und Mitarb. [3] haben diese Therapiemethode nun auf den Prüfstand gestellt: in einer prospektiven, placebo-kontrollierten Pilotstudie an 15 Patienten mit nicht vorbehandelter Amblyopie konnten sie jedoch keinen signifikanten Vorteil der Stimulationsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe, die die Computerspiele ohne Stimulationsmuster durchführte, finden. Eine diesbezügliche Euphorie scheint derzeit also noch nicht angebracht zu sein.

Zu den wichtigen Instrumentarien in der operativen Schielbehandlung zählt die Faden-Operation nach Cüppers. Zwei Studien des vorliegenden Heftes ergänzen die Palette der Anwendungsbereiche dieser, die Abrollstrecke der Augenmuskeln verändernden Methodik: Gräf und Mitarb. [4] können zeigen, dass bei einem frühkindlichen Innenschielen mit großem Schielwinkel (Fern-Schielwinkel ≥ 20°) dieser durch eine beidseitige Medialis-Rücklagerung in Kombination mit einer Faden-Operation (retroäquatoriale Myopexie) in ca. zwei Drittel der Fälle einzeitig korrigiert werden kann.

Schittkowski und Naxer [5] untersuchen die Anwendung von Fadenoperationen jenseits der meist zugrundeliegenden Indikation „Innenschielen“. Sie können herausarbeiten, dass Fadenoperationen auch bei einer Reihe anderer Erkrankungen (endokrine Orbitopathie, Okulomotoriusparese, okulopharyngeale Muskeldystrophie, mechanische Behinderung nach Orbitatrauma) wirkungsvoll und sehr risikoarm zu einer Entfaltung des Feldes binokularen Einfachsehens beitragen können. Angaben zu einer Dosis-Wirkungs-Beziehung erscheinen hierbei aber kaum möglich.

Prononciert und durchaus auch etwas provokant stellen Motz und Mitarb. [6] ihre Thesen zu einem schlüssigen Gesamtkonzept der Behandlung der Okulomotoriusparese dar, welche sie als „GAU der Binokularität“ bezeichnen, da inkomitante Adduktions-, Hebungs- und Senkungseinschränkungen, sowie torsionale Störungen, aber auch Ptosis, Mydriasis und Akkommodationsverlust zusammentreffen. Gerade letzterer werde häufig nicht ausreichend berücksichtigt: Kontaktlinsen und refraktive Linsenchirurgie sollten deshalb unbedingt mit in das Therapie-Gesamtkonzept einbezogen werden. Andererseits sei es in vielen Fällen auch gerechtfertigt, bei der Okulomotoriusparese funktionelle Monokularität zu akzeptieren.

Zwei Studien befassen sich mit eher seltenen, aber wichtigen kinderophthalmologischen Krankheitsbildern: Greslechner und Mitarb. [7] weisen darauf hin, dass beim Sturge-Weber-Syndrom in 30–70 % der Fälle ein Glaukom auftritt, welches besonders schwer zu behandeln ist. Vor dem Hintergrund gravierender Komplikationsmöglichkeiten geben die Autoren Hinweise für die Operationsplanung.

Die autosomal-rezessive Bestrophinopathie ist mit Mutationen des BEST1-Gens assoziiert, wird aber im Vergleich zur BEST1-assoziierten autosomal-dominanten juvenilen vitelliformen Makuladegeneration (Morbus Best) selten diagnostiziert, was nicht nur auf ihre geringe Prävalenz, sondern auch auf die phänotypischen Unterschiede zur VMD zurückzuführen ist. Preising und Mitarb. [8] stellen die diagnoserelevanten Merkmale (einschließlich: ERG, EOG, FAF, SD-OCT) dieser kindlichen Retinopathie sowie die Ergebnisse ihrer molekulargenetischen Analyse dar.

Mit der Kasuistik eines primären Optikusscheidenmeningeoms weisen Naxer und Mitarb. [9] auf die stereotaktisch fraktionierte Bestrahlung hin, die mittlerweile als Therapie der ersten Wahl empfohlen wird. Demgegenüber sollte eine chirurgische Therapie wegen der hohen Erblindungsgefahr nur Fällen mit schon erblindetem Auge und ästhetischer Entstellung oder Fällen mit fortschreitender intrakranieller Ausbreitung vorbehalten bleiben.

Abgerundet wird das vorliegende Heft durch eine Übersicht über Multiple Sklerose im Kindes- und Jugendalter: Anhand einer Studie von 44 jungen (< 18 Jahre) MS-Patienten können Pfriem und Mitarb. [10] die nicht zu unterschätzende Bedeutung der augenärztlichen Befunde bei der Erstdiagnostik herausarbeiten.