Dialyse aktuell 2012; 16(4): 197
DOI: 10.1055/s-0032-1314758
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Mit einer Stimme sprechen

Christian Schäfer
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 May 2012 (online)

Die Pflege benötigt eine starke und einheitliche Stimme, welche die Interessen der Pflegenden in der Öffentlichkeit und der Politik vertritt. Langfristige Pflegestrategien sind in Deutschland leider fast traditionell Mangelware. Wechseln die Regierungskoalitionen nach einer Bundestagwahl oder endet eine Legislaturperiode, ändert die neue (oder auch alte) Regierung allzu gerne eine vielleicht sehr vernünftige Strategie oder beginnt erst gar nicht damit, eine solche auszuarbeiten. Dies geschieht zum Beispiel aus Prinzip, um das eigene politische Profil in das Tagesgeschäft einzubringen und damit Stärke zu demonstrieren, oder weil eine strategische Neuausrichtung kurzfristigen Profit verspricht (in Form von Einsparungen, deren Kehrseite meist nicht erwähnt wird und mit denen man sich z. B. in Haushaltsdebatten profilieren kann, oder in Form von Wählerzufriedenheit und somit -stimmen bei der nächsten Wahl etc.).

Leider eher selten nehmen sich Politiker, Fraktionen und Parteien zugunsten langfristiger positiver Effekte von Strategien (und somit auch zugunsten des Wohles des Volkes) zurück. Aber was erwarten wir? Diese Geschehnisse liegen wohl zu einem großen Teil in der Natur der Politik: Politiker und Parteien wollen gewählt werden! Wenn man die Grundeigenschaften des Systems nicht ändern kann, ist es umso wichtiger, eine langfristige Pflegestrategie in der Politik zu verankern. Darüber, wie man dies anstellen könnte, haben Prof. Stefan Görres, Direktor des Instituts für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen, Prof. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg, und Prof. Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, beim Pflegetag der DAK in Berlin diskutiert.

Nach Görres sollte ein Sachverständigenrat für Pflege gegründet werden, der eine ganzheitliche Strategie für die Pflege und auch Konzepte für deren Umsetzung erstellt. Kruse ist derselben Meinung wie Görres und erklärte, dass ein solcher Rat am besten aus Wissenschaftlern und Praktikern zusammengesetzt sein sollte. Rebscher ist nicht dieser Meinung: Er sieht die Gefahr, dass Politiker Themen wie eine langfristige Pflegestrategie über Gremien geschickt aus dem politischen Geschehen abschieben und gleichzeitig behaupten können, dass sie sich doch darum kümmern. Darüber sei es dann möglich, Diskussionen und Ergebnisse elegant zu verschleppen.

Die Bedenken von Rebscher in Ehren, aber eigentlich ist doch in der gegenwärtigen Situation jeder Schritt, den man in Richtung erhöhte Aufmerksamkeit für die Pflege geht, ein Fortschritt. Von daher kann es derzeit nicht schlecht sein, wenn Impulse von einem Gremium kommen, das für die Pflege spricht. Eine Abstimmung mit den einzelnen Pflegeverbänden wäre allerdings eine Grundbedingung dafür, dass diese Stimme auch einheitlich ist. Was auch passieren wird – es sind für die Pflege auf jeden Fall spannende und entscheidende Zeiten.

Eine sehr löbliche und gute Entscheidung in Richtung Einheitlichkeit haben übrigens die AfnP und der fnb getroffen: Die beiden Verbände haben sich Anfang April dazu entschlossen, auf der politischen Ebene mit einer Stimme für die nephrologische Pflege zu sprechen. Lesen Sie die Verlautbarung zur Gründung der BANP (Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege) auf Seite 210 in dieser Ausgabe der Dialyse aktuell. Die ”professionelle nephrologische Pflege“ ist auch der Schwerpunkt dieses Heftes – ab Seite 215 können Sie sich in die verschiedenen Aspekte des Themas vertiefen. Ich wünsche Ihnen hierbei viele interessante Einsichten.