Radiologie up2date 2012; 12(03): 193-195
DOI: 10.1055/s-0032-1310097
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Von der Summe angeforderter bildgebender Untersuchungen zum radiologisch kontrollierten und optimierten Imaging Pathway -- eine Herausforderung im DRG-System

H.-P. Busch
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Publication Date:
01 September 2012 (online)

In den letzten Jahren haben sich die Bedingungen für Krankenhäuser, im Wettbewerb der Gesundheitsanbieter erfolgreich zu sein, deutlich verändert. Bei kontinuierlich sinkender mittlerer Verweildauer müssen komplexe Krankheitsbilder bei älteren und multimorbiden Patienten zunehmend häufiger in abteilungsübergreifenden Prozessen behandelt werden. Dabei steht neben der medizinischen Qualität der Leistungserbringung die Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt einer erfolgreichen Entwicklung. Hohe medizinische Qualität muss mit einer positiven Differenz von Erlösen und Kosten nicht für einzelne Leistungen, nicht nur für Behandlungsketten in einer Fachabteilung, sondern für den teilweise abteilungsübergreifenden Gesamtbehandlungsprozess von der Aufnahme bis zur Entlassung des Patienten verbunden sein. In diesen Rahmenbedingungen begründet sich der Erfolg eines Krankenhauses nicht mehr ausschließlich durch die Summe medizinisch und ökonomisch erfolgreicher einzelner Fachabteilungen, sondern durch eine erfolgreiche Vernetzung von Abteilungen in Gesamtbehandlungsprozessen. Im DRG-System, in dem Fallpauschalen nicht automatisch mit der Summe der Einzelleistungen steigen, gibt es zur kontinuierlichen medizinischen und ökonomischen Optimierung der Gesamtbehandlungsprozesse keine Alternative. Der daraus folgenden hohen Anforderung an eine systematische Planung und Steuerung von Behandlungsabläufen müssen sich alle Krankenhäuser im Wettbewerb stellen.
Der Wettbewerb der Krankenhäuser ist ein Qualitäts- und Kostenwettbewerb von Gesamtbehandlungsprozessen.
In fast jedem Behandlungsablauf im Krankenhaus stellt die bildgebende Diagnostik einen wichtigen Faktor für die medizinische Qualität, aber auch für die Kosten dar. Die rasante technische Weiterentwicklung radiologischer Methoden, die in der Regel stets aufwendiger und teurer wurden, führt insbesondere in der heutigen Zeit zur verschärften kritischen Betrachtung einer effektiven und effizienten Nutzung (eine hohe Qualität wird immer vorausgesetzt).
Dabei ist eine radiologische Abteilung keine Praxis im Krankenhaus!
Entsprechend den ökonomischen Rahmenbedingungen wird die radiologische Leistungserbringung zunehmend an Imaging-Pauschalen im DRG-System gemessen. Dieses Benchmarking an DRG-Anteilen oder die Analyse der Produktivität darf Leiter radiologischer Abteilungen nicht überraschen und unvorbereitet treffen. Voraussetzung für eine notwendige kritische Diskussion sind gute Methodenkenntnisse und ein tiefes Verständnis der (selbst) zusammengestellten Daten und Fakten. Hier helfen ein gutes Radiologie-Informations-System (RIS), eigene IT-Kompetenz in der Abteilung und eine gute Kooperation mit der Controlling-Abteilung des Krankenhauses.

In der heutigen Zeit werden die von Klinikern in fast beliebiger Reihenfolge häufig bereits vor dem Klinikaufenthalt „prophylaktisch“ angeordneten Untersuchungen im Behandlungsablauf auftragsgemäß von der radiologischen Abteilung befundet und in gemeinsamen Röntgendemonstrationen vorgestellt. Bei der Auswahl der Methoden hat man sich auf ein „sowohl als auch“ geeinigt bis die Kapazitätsgrenze erreicht ist. Abnehmende klinische Erfahrung wird durch eine steigende Anzahl diagnostischer Anforderungen ersetzt. Damit ist die Radiologie „ausgelastet“ und die Zuweiser haben nicht die Qual der Wahl. Entsprechend der Röntgenverordnung muss der Radiologe die Indikation zwar prüfen, doch wer kann sich im klinischen Alltag an die erfolgreiche Ablehnung einer angeforderten Untersuchung erinnern? Dies ist schwierig und kostet in der Regel mehr Zeit als die Durchführung. Zusätzliche freie Kapazitäten (z. B. durch neue Geräte und Personalstellen) werden direkt durch neue Anforderungen aufgefüllt. Insbesondere der Mangel an MRT-Terminen (jeweils „zusätzliche“ Untersuchung am Ende der Diagnostikkette) ist in allen Krankenhäusern ein chronischer Zustand. Ein gut ausgebildeter Mediziner kann jede mögliche Untersuchung medizinisch gut begründen. Eine retrospektive Analyse der diagnostischen Wege unter dem Aspekt eines effizienten und effektiven Einsatzes der personellen und apparativen Kapazitäten (Wurde die CT-Untersuchung kostengünstig erbracht? War die CT-Untersuchung überhaupt notwendig?) findet in der Regel weder bei Klinikern noch bei Radiologen statt.

Wenn die Radiologie nicht zu einer Begrenzung der medizinisch notwendigen Diagnostik in der Lage ist, besteht der von der Klinikleitung häufig gewählte Weg in der internen Leistungsverrechnung mit einem Belohnungssystem für die Verminderung von Leistungsanforderungen oder zunehmend im Abbau von Personal und Geräten in radiologischen Abteilungen. Diese Methode ist gemessen am numerischen Ergebnis (weniger Radiologen können nur weniger Untersuchungen durchführen) immer erfolgreich und erspart mühsame Diskussionen über medizinische Qualität und Notwendigkeiten. Der Radiologie bleibt nur die Wahl, zunehmend in einer unübersichtlichen Anzahl von Anforderungen zur Bildgebung die Auftragsarbeit eines (passiven) Servicecenters zu erfüllen oder in Zusammenarbeit mit den Klinkern an der Steuerung der bildgebenden Diagnostik entscheidend mitzuarbeiten. Dies erfordert dann neue Prozesse, Strukturen, IT-Werkzeuge, aber auch ein neues Denken in Gesamtprozessen in radiologischen Abteilungen.

Bei diesen diagnostischen Abläufen (Imaging Pathways) hat die radiologische Abteilung die Verantwortung für ein hochwertiges diagnostisches Gesamtergebnis, das mit großer Wirtschaftlichkeit erbracht wird. Imaging Pathways sind mit den Klinikern verabredete entsprechend den Leitlinien standardisierte Abläufe der Diagnostik (z. B. Staging eines Rektumkarzinoms). Der Kliniker erteilt die diagnostische Aufgabe (Staging), die radiologische Abteilung muss den Weg auswählen und das Endergebnis liefern. Nach jeder Diagnostik muss dann dem Befund direkt die Entscheidung des Radiologen über das weitere Vorgehen auf dem Weg zur Enddiagnose folgen. Ein unklarer Leberrundherd hat eine direkte Lenkung des Patienten (z. B. mit einem internen Hol- und Bringdienst) zur sonografischen Abklärung zur Folge. So kann das Ergebnis nach kurzer Rückmeldung noch in den CT-Befund einfließen. Am Ende der Diagnostikkette steht neben der Summe der Einzelbefunde ein zusammenfassender schriftlicher Gesamtbefund für die durchgeführten Untersuchungen.

Mit dieser Verantwortung für den gesamten Imaging Prozess muss sich die Radiologie in einem kontinuierlichen Benchmarking den Forderungen nach hoher Effizienz (Produktivität) und Effektivität der Leistungserbringung stellen. Im Mittelpunkt steht die Optimierung von Imaging Pathways in medizinischer, organisatorischer und ökonomischer Hinsicht. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist sicherlich ein Vorteil für Patienten und Krankenhaus.

Die Einführung von Imaging Pathways kann nur gelingen, wenn sie zur „Chefsache“ gemacht wird und der Einsetzung einer Arbeitsgruppe eine persönliche intensive Abstimmung mit den Leitern der klinischen Abteilungen vorausgeht. Für diese Optimierung von Imaging-Prozessen sind entsprechende IT-Werkzeuge und zusätzliche geeignete Mitarbeiter als Investition in eine höhere Prozessqualität, die sich mittelfristig auch ökonomisch rechnet, unbedingt notwendig. Die Schaffung eines Imaging Centers, in dem alle diagnostischen Methoden mit hoher medizinischer Qualität (Expertenstandard) vertreten sind, unterstützt diese Prozessabläufe „unter einem Dach“.

Im Krankenhaus der Zukunft mit weitgehend eigenständigen Abteilungen als Wirtschaftseinheiten werden intern nicht einzelne radiologische Leistungen, sondern Imaging Pathways verrechnet. Ein Verrechnungssystem könnte darin bestehen, dass die radiologische Abteilung die Imaging-Pauschale unabhängig vom Leistungsvolumen erhält und Radiologie und Zuweiser durch einen Bonus an der positiven Differenz von Erlösen (Imaging-Anteilen) und Kosten (entsprechend der DRG-Kalkulation) beteiligt werden. Daraus ergibt sich eine Win-Win-Situation für Anforderer und Radiologie.

In einem großen Imaging-Center (Expertenorganisation) wird die Führung verschiedener interdisziplinärer und interprofessioneller Fachgruppen, IT-Spezialisten und qualifizierten Verwaltungsfachleuten zu einer wesentlichen Managementaufgabe. So kann es der größte Erfolg eines Zentrumsleiters sein, den Weggang einer hoch qualifizierten Fachkraft verhindert, die Klinikverwaltung von der Anschaffung eines zusätzlichen MRT-Geräts der neuesten Generation überzeugt und die Einführung von einzelnen Imaging Pathways mit klinischen Kollegen verabredet zu haben. Dies kostet viel Zeit und Energie und erfordert Vertrauen der Mitarbeiter in neue Wege und Strukturen, aber auch in erfolgreiche Führungskräfte. Im Mittelpunkt steht dann die Managementleistung einer Führungskraft mindestens gleichwertig zur medizinischen Kompetenz – ein neuer Ausblick für Anforderungsprofile.

Im Gesundheitssystem werden sich die Rahmenbedingungen auch in Zukunft kontinuierlich weiter verändern. Es bleibt die Forderung nach hoher medizinischer Qualität, aber vertraute Prozessabläufe, Strukturen, Hierarchieformen und Besitzstände werden nicht bestehen bleiben können. Der Radiologie im Krankenhaus bleibt nur die Wahl, mutig notwendige Ablauf- und Strukturveränderungen selbst in die Hand zu nehmen. Die Radiologie muss in der Diskussion über neue Wege der Prozessoptimierung in Zukunft eine aktivere Rolle übernehmen, sonst wird sie passiv von Konzepten der Unternehmensberater und der Klinikleitungen überrollt. Der beschriebene, sehr schwierige Weg der Weiterentwicklung von Prozessen, Strukturen, Werkzeugen und Personen in radiologischen Abteilungen muss in den Köpfen der Führungspersonen des radiologischen Zentrums beginnen. Eine spannende Zeit für Visionen und neue Ideen.

Hans-Peter Busch, Trier