Psychother Psychosom Med Psychol 2012; 62(03/04): 149-151
DOI: 10.1055/s-0031-1299010
Fragen aus der Forschungspraxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Evaluation von Behandlungseffekten in quasi-experimentellen Studien

Evaluation of Treatment Effects in Quasi-Experimental Studies
H. Kirchmann
1   Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena
,
R. Steyer
2   Lehrstuhl für Methodenlehre und Evaluationsforschung, Institut für Psychologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Publication History

Publication Date:
02 April 2012 (online)

Was wird erklärt

Je nachdem, welche statistischen Verfahren genutzt werden, können die Schätzungen von Behandlungseffekten in quasi-experimentellen Studien sehr unterschiedlich ausfallen ([Tab. 1]; nähere Informationen zum Datenbeispiel: [1]). Die Verfahren unterscheiden sich darin, welche Einflussgrößen sie über die Behandlungsbedingungen hinaus auf welche Weise berücksichtigen. Auf welche Einflussgrößen muss hierbei geachtet werden? Und welche Verfahren werden der Komplexität der kausalen Abhängigkeiten in quasi-experimentellen Studien am ehesten gerecht?

Tab. 1

Behandlungseffekte am Datenbeispiel Bindungsängstlichkeit in Abhängigkeit vom verwendeten statistischen Verfahren (negative Effektgrößen kennzeichnen eine Verringerung der Bindungsängstlichkeit).

Effektgröße

p-Wert

einfaktorielle ANOVA

0,324

< 0,001

einfaktorielle ANOVA mit Messwiederholung

–0,450

< 0,001

traditionelle ANCOVA

–0,084

0,317

g-ANCOVA Gesamtstichprobe E [g 1(Z)]

–0,076

0,221

g-ANCOVA Behandelte E [g 1(Z) | X = 1]

–0,200

0,015

Nur im Rahmen einer randomisierten Studie (zufällige Zuweisung von Probanden zu Behandlungen) kann erwartet werden, dass vor Beginn der Intervention jedes Merkmal in den Behandlungsbedingungen die gleichen Verteilungen aufweist (und damit auch gleiche Erwartungswerte, Varianzen etc.). Eine Erwartungswertdifferenz zwischen den Behandlungsbedingungen (z. B. behandelt versus nicht behandelt) bzgl. einer Outcomevariable kann hier eindeutig auf die Intervention zurückgeführt und daher als durchschnittlicher Behandlungseffekt interpretiert werden (d. h. als der zu erwartende Behandlungseffekt, wenn eine zufällig aus der Population ausgewählte Person behandelt versus nicht behandelt würde). In der medizinischen Psychologie und der Psychotherapieforschung ist eine randomisierte Zuweisung jedoch nicht immer möglich [2], etwa aus ethischen oder Praktikabilitätsgründen oder wenn Behandlungseffekte unter naturalistischen Bedingungen betrachtet werden sollen. Auch in solchen Fällen will man die Frage untersuchen: Was ist der durchschnittliche Behandlungseffekt?

 
  • Literatur

  • 1 Kirchmann H, Steyer R, Mayer A et al. Effects of adult inpatient group psychotherapy on attachment characteristics: An observational study comparing routine care to an untreated comparison group. Psychother Res 2012; 22: 95-114
  • 2 Black N. Why we need observational studies to evaluate the effectiveness of health care. BMJ 1996; 312: 1215-1218
  • 3 Steiner PM, Cook TD, Shadish WR et al. The importance of covariate selection in controlling for selection bias in observational studies. Psychol Methods 2010; 15: 250-267
  • 4 Breukelen GJP. ANCOVA versus change from baseline had more power in randomized studies and more bias in nonrandomized studies. J Clin Epidemiol 2006; 59: 920-925
  • 5 Steyer R, Gabler S, von Davier A et al. Causal regression models II: Unconfoundedness and causal unbiasedness. Methods of Psychological Research Online 2000; 5: 55-86
  • 6 Steyer R, Nachtigall C, Wüthrich-Matrone O et al. Causal regression models III: Covariates, conditional, and unconditional average causal effects. Methods of Psychological Research Online 2002; 7: 41-68
  • 7 Steyer R, Partchev I. EffectLite for LISREL: A program for the uni- and multivariate analysis of unconditional, conditional and average mean differences between groups [computer software]. Universität Jena. Im Internet: www.statlite.com Stand: 25.6.2008