Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(4): 285-286
DOI: 10.1055/s-0031-1298396
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Johannes von Mikulicz-Radecki und die Mikulicz-Klemme

Matthias David
,
Andreas D. Ebert
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Publication Date:
02 May 2012 (online)

Der Name von Mikulicz ist in den chirurgischen Fächern mit einem Instrument, der Mikulicz-Klemme ([Abb. 2 a] und [b]), und einigen Operationsmethoden verbunden. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte Johannes von Mikulicz-Radecki (1850–1905) ([Abb. 1]) zu den weltweit führenden Chirurgen. Er war Schüler von Theodor Billroth (1876–1894) in Wien und später der Lehrer von Ferdinand Sauerbruch (1875–1951) in Breslau [1].

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Abb. 2 a und ba Moderne Mikulicz-Klemmen (Quelle: M. David), b Auszug aus dem Katalog des Medicinischen Waarenhauses A.-G. von 1910 [5], links die Mikulicz-Klemme.
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Abb. 1 Porträt von Johannes von Mikulicz-Radecki mit Autograf (1850–1905) (Quelle: Sammlung A. Ebert).

Johannes Anton Freiherr von Mikulicz-Radecki wurde am 16. Mai 1850 in Czernowitz, Bukowina, geboren. Sein Vater Andreas Mikulicz war Forstbeamter und Architekt. Die Mutter Emilia, Freiin von Damnitz, stammte aus einem deutschen, der Großvater aus einem alten polnischen Adelsgeschlecht. 1897 erhielt die Familie in Österreich und 1899 in Preußen den polnischen Adelstitel wieder zuerkannt und nannte sich nun „von Mikulicz-Radecki“ [1].

Seine Ausbildung erhielt Mikulicz in Prag, Wien, Klagenfurt, Hermannstadt und in Czernowitz. Unterstützt durch ein Stipendium begann er 1867 trotz des Widerstands seines Vaters, der eine Diplomatenausbildung wünschte, ein Medizinstudium in Wien und gleichzeitig auch eine Klavierausbildung am Wiener Konservatorium. Mikulicz gab wie viele akademische Zeitgenossen Klavierstunden und verdiente sich so seinen Lebensunterhalt [2]. Nach bestandenem Staatsexamen wurde er bei Theodor Billroth als unbezahlter (Volontär-)Assistent eingestellt. 1880 habilitierte er sich mit einem orthopädischen Thema und heiratete im gleichen Jahr seine langjährige Verlobte (und Klavierschülerin) Henriette Pacher. Nach den zu dieser Zeit in Österreich-Ungarn geltenden Regeln für „Operationszöglinge“ war einem verheirateten Assistenten eine besoldete Anstellung an einer Universitätsklinik untersagt. Hofrat Billroth erwirkte für Mikulicz im zuständigen Ministerium aber eine einjährige Verlängerung des Anstellungsvertrags [1].

Anfang 1879 unternahm Mikulicz eine von Billroth finanzierte mehrmonatige Reise zu bekannten Chirurgen Europas, die ihn u. a. nach London zu Lister (1827–1912) führte. Unter Listers Einfluss setzte er sich nun vehement für die antiseptische Wundbehandlung in der Chirurgie ein. Bekannt wurden seine neuen Arten der Wunddrainage und des Wundverbands, die Mikulicz-Drainagen. Er führte das Jodoform in die Behandlung des chirurgischen Operationsfelds ein. Zusammen mit einem Instrumentenbauer entwickelte Mikulicz 1881 eines der ersten in der Praxis verwendbaren Gastroskope mit Beleuchtung und Spülung [2].

Durch den Einfluss seines Lehrers und Förderers Theodor Billroth gelang es 1882, von Mikulicz gegen das Votum der medizinischen Fakultät der Universität Krakau auf den dortigen Lehrstuhl für Chirurgie zu berufen. Während seiner 5-jährigen Amtszeit erreichte die Krakauer chirurgische Klinik ein hohes wissenschaftliches Niveau und wurde von den Zeitgenossen als eine der besten in der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie angesehen. 1887 wechselte von Mikulicz auf den Königsberger Lehrstuhl – ein weiterer großer Erfolg in seiner Karriere. Die 1544 gegründete Universität im preußischen Norden, die Albertina, war immer als akademisches Sprungbrett ins Deutsche Reich gedacht. An der Albertus-Universität in Königsberg etablierte Mikulicz ein Kooperationssystem zwischen Innerer Medizin und Chirurgie [3].

Im Zenit seines wissenschaftlichen Erfolgs, im Alter von 40 Jahren, nahm er 1890 den Ruf an die schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau an. Mikuliczʼ folgende 15 Jahre in Breslau waren sehr produktiv. Hier entwickelte er zahlreiche Operationen der Abdominalchirurgie insbesondere der Karzinomchirurgie weiter, die heute mit seinem Namen verbunden sind (Paul-Mikulicz- oder Bloch-Mikulicz-Operation, Krönlein-Mikulicz-Methode). Hier führten Dr. Ferdinand Sauerbruch und sein Lehrer Johann von Mikulicz-Radecki im April 1904 die erste elektive offene Thorakotomie durch. Sauerbruch berichtete darüber während des Chirurgenkongresses 1904 in Berlin [2].

Seit 1904 litt Johann von Mikulicz-Radecki offenbar an einem fortgeschrittenen Magenkarzinom, das er im Dezember bei sich selbst diagnostiziert hatte. Er willigte zwar noch in eine Operation durch seinen Freund und Kollegen Anton Freiherr von Eiselsberg ein, der Befund war aber letztlich inoperabel. Johannes von Mikulicz-Radecki starb am 14. Juni 1905 im Alter von 55 Jahren in seinem Haus in Breslau. Im Nachruf auf seinen Lehrer schreibt Sauerbruch (1905) [4] u. a.: „Für ihn war die Medizin ein Ganzes, bei dem alle Teile ineinander greifen und sich verbinden müssen. Sicherlich liegt gerade in seiner Universalität seine Hauptbedeutung als Chirurg…“.

Literatur bei den Autoren.

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Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. h. c. Andreas D. Ebert
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Prof. Dr. med. Matthias David