Gesundheitswesen 2011; 73(11): 756-760
DOI: 10.1055/s-0031-1291262
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Sind Sie noch zu retten?“ – Psychosoziale Notfallversorgung im ÖGD

Positionspapier des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“Can They Still be Helped?” – Psychosocial and Emergnecy Management in the Public Helath ServicePosition Paper of the Germany Society of Physicians in the Public Health Service
H.-j Kirschenbauer
1   Amt für Gesundheit, Frankfurt
,
U. Teichert-Barthel
2   Gesundheitsamt Ahrweiler
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Publication History

Publication Date:
16 November 2011 (online)

Einleitung

Seit Mitte der 80er Jahre gewinnt die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) für Notfallopfer, Angehörige, Hinterbliebene, Vermissende, Augenzeugen, Ersthelfer, Einsatzkräfte und weitere von Notfällen betroffene Menschen zunehmend an Bedeutung.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst hat, als wichtiger Teil der Gesamtstruktur, eine zentrale Aufgabe in diesem Bereich. Daher gibt der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) mit diesem Positionspapier erste Informationen und Handlungsanweisungen für Gesundheitsämter und andere betroffene Behörden.

In den letzten Jahren, insbesondere nach den Naturkatastrophen (Tsunami) in Süd-Ost Asien (2004) und in den USA (2005), oder dem ICE-Unglück in Eschede 1998, Amokläufe bzw. „School Shootings“ in Erfurt 2002, Emsdetten 2006 und Winnenden/Wendlingen 2009, der Flugzeugkollision in Überlingen am Bodensee 2002, dem Transrapidunglück im Emsland 2006, dem Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall 2006, oder der Panik bei der Love-Parade 2010 in Duisburg, wurde der Ruf nach fachlich fundierter und organisierter Psychosozialer Notfallversorgung immer lauter. Nicht nur die Medien forderten diese Unterstützung, auch die internationale Fachwelt ist sich sicher, dass hier nachhaltige Hilfen etabliert werden müssen.

PSNV als „junge“ Versorgungsstruktur in Deutschland gibt es in fast allen Bundesländern und vielen Kommunen in sehr heterogenen Angeboten, wie zum Beispiel in der Notfallseelsorge, Seelsorge in der Feuerwehr, Polizei (-psychologischer Dienst), Rettungsdienst, Notfallpsychologie, Kriseninterventionsteams (KIT) und der Einsatzkräftenachsorge (Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen/SbE). Die Begriffe und die damit verbundenen Inhalte sind weder einheitlich, noch besteht eine geregelte Qualifizierungsstruktur und damit eine abgestimmte Qualitätssicherung. Mittlerweile existieren fachlich fundierte Erkenntnisse zu unterschiedlichen Fragestellungen. Inzwischen sind allein in Deutschland zahlreiche wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu verschiedenen Themenfeldern der PSNV vorgelegt worden, die eine erste Orientierung liefern. Aufgegriffen und fortgesetzt wurden diese umfassenden Bemühungen um Qualitätssicherung in der PSNV durch den sogenannten „Konsensus-Prozess 2007–2010“, der auf Vorschlag der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) initiiert wurde. Der BVÖGD hat sich von Beginn an aktiv am „Konsensus-Prozess“ beteiligt.

In diesem Prozess konnte ein fundiertes Paket bundesweiter Standards und Leitlinien entwickelt und am 10.11.2010 in Bonn verabschiedet werden. Alle Beteiligte gehen davon aus, dass dies für das Feld der PSNV strukturierende, vereinheitlichende und harmonisierende sowie qualitätssteigernde Wirkung hat. Alle Beteiligten haben sich freiwillig zur Einhaltung der Leitlinien verpflichtet.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst hat, als wichtiger Teil der Gesamtstruktur, eine zentrale Aufgabe in diesem Bereich. Diese kann und sollte er auch unbedingt wahrnehmen. Dazu sind aber zunächst die Kenntnisse und die Informationen über PSNV für die Beteiligten von großem Interesse bevor sie Entscheidungen treffen können.

Dieses Positionspapier des BVÖGD dient dazu, erste Informationen zu transportieren.

Wir sehen uns als Ansprechpartner für dieses Thema und werden auch in Zukunft für fachliche Fragen zu PSNV zur Verfügung stehen.