Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2012; 17(2): 97-102
DOI: 10.1055/s-0031-1281637
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wieviel Biobank braucht die Forschung?[1]

Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit, Selbstbestimmung und ethischer VerpflichtungHow Much Biobanking Requests Research? Conflicts Between Scientific Freedom, Autonomy and Ethical RequirementsJ. Haier1 , F. Ückert2
  • 1Comprehensive Cancer Center Münster, Universitätsklinikum Münster
  • 2Institut für Medizinische Informatik und Biomathematik, Universitätsklinikum Münster
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Publication Date:
16 April 2012 (online)

Zusammenfassung

Das Bedürfnis nach qualitätsgesicherten Biobanken spiegelt sich zunehmend in der wissenschaftlichen aber auch der öffentlichen Diskussion wider. Dabei wird das Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit, Selbstbestimmung der Patienten und ethischer Verpflichtung zur Weiterentwicklung medizinischer Behandlungsmethoden sehr deutlich. Insbesondere die bisherige Orientierung ausschließlich an spezifischen Forschungsprojekten ist immer stärker in Gegensatz zur aktuellen Forschung und dem bereits möglichen Transfer von Forschungsergebnissen zurück an den einzelnen Patienten geraten. Der Deutsche Ethikrat hat in seiner letzten Stellungnahme zu diesem Thema ein 5-Säulenkonzept vorgeschlagen, um vor allem die Schranken des direkten Projektbezuges zu flexibilisieren. Dessen Umsetzung stellt eine Reihe von schwierigen Anforderungen an die jeweiligen Akteure. Hierbei spielen vor allem die Zugriffsregelung, die Sicherung eines umfassenden Datenschutzes sowie die Umsetzung der Anforderungen an die öffentliche Information eine große Rolle.

Abstract

The requirement of quality approved biobanks is reflected by an increasing discussion in the scientific community and the public. Conflicting priorities occur between informational self-determination of the patients, freedom of research and ethical inquiries for improvement of medical treatment. In this context, the orientation towards to specifically determined single research projects is getting in growing contrast to current biomedical research strategies and the mounting opportunities for patients to get direct feedback from research projects that are based on biobank materials. Recently, the German Ethical Advisory Board suggested a concept including five basic requests to circumvent these limitations. The implementation of these requests results in complex structures including data safety, informed consent procedures, public information and data and material access guidance.

1 Die Inhalte wurden anlässlich der Jahrestagung des Arbeitskreises der Ethikkommissionen Deutschlands am 26.11.2010 diskutiert.

Literatur

1 Die Inhalte wurden anlässlich der Jahrestagung des Arbeitskreises der Ethikkommissionen Deutschlands am 26.11.2010 diskutiert.

2 In Analogie zur Aufklärung bei medizinischen Heileingriffen kommt es bei der Information und Aufklärung zur Erlangung der Einverständniserklärung auf die Verständlichkeit an. Gaidzik/Weimer: § 13 Die Krankenhaushaftung, In: Huster, Krankenhausrecht, Beck-Verlag, 1. Auflage 2010, Rn 77–78: „Der Patient ist in aller Regel in einem persönlichen Gespräch aufzuklären. Dabei hat der Arzt auf die Verständlichkeit seiner Ausführungen zu achten. Keinesfalls reicht aus, sich auf die Aushändigung von Broschüren und Aufklärungsformularen zu beschränken. Diese enthalten zwar für den Patienten wertvolle und in der Regel verständliche Informationen zu den angewandten Behandlungsmethoden, ersetzen aber grundsätzlich kein persönliches Aufklärungsgespräch. So steht mit der Aushändigung dieser schriftlichen Informationen nicht fest, dass der Patient diese tatsächlich liest, noch dass er sie auch verstanden hat. Die Formulare sollten zur Grundlage des Aufklärungsgesprächs gemacht werden, um die Aufklärung so verständlich wie möglich zu gestalten. Geboten ist dabei eine Individualisierung des Aufklärungsgesprächs hinsichtlich der spezifischen Risiken des konkreten Einzelfalls durch Unterstreichungen, Streichungen, Zusätze oder Zeichnungen. Dabei ist es wichtig, dass der jeweilige Aufklärungsbogen datiert und von Arzt und Patient unterschrieben wird.“

3 Laut § 40 Abs. 2 und Abs. 2a soll die Aufklärung bei klinischen Prüfungen dem Probanden selbst eine Risikoeinschätzung und Abwägung von Risiko und Nutzen ermöglichen. Zu beachten sind jedoch die Bestimmungen des Datenschutzes (Rehmann, Arzneimittelgesetz (AMG), 3. Auflage 2008, Beck-Verlag, Rn. 5). Deshalb schreibt § 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. c iVm. Abs. 2a AMG vor, dass der Proband mit der Aufzeichnung der Krankheitsdaten, deren Weitergabe an die Auftraggeber der Prüfung sowie die zuständigen Behörden einverstanden ist (s. zu Datenschutz auch Listl, Spickhoff, Medizinrecht, Beck-Verlag, 1. Auflage 2011, Rn. 29).

4 Die Einwilligung des Probanden ist nur wirksam, wenn die Person, die sie abgibt, geschäftsfähig und auch tatsächlich in der Lage ist, das Wesen und die Bedeutung dieser Erklärung zu erfassen. Ob der Betroffene die notwendige Einsichtsfähigkeit hat, ist vom Arzt im Aufklärungsgespräch zu überprüfen.

Prof. Dr. med. Jörg Haier

Comprehensive Cancer Center Münster, Universitätsklinikum Münster

Waldeyerstr. 1

48149 Münster

Email: haier@uni-muenster.de

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