Notfallmedizin up2date 2011; 6(3): 217-233
DOI: 10.1055/s-0031-1279981
Spezielle Notfallmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verbrühungen und Verbrennungen im Kindesalter

Axel Hennenberger
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Publication Date:
26 July 2011 (online)

Zusammenfassung

Die Brandverletzung im Kindesalter ist nach Unfällen im Straßenverkehr und Ertrinkungsunfällen die dritthäufigste Unfallursache im Kindesalter. 3000 Kinder müssen jährlich infolge eines Verbrennungstraumas stationär behandelt werden. Betroffen sind vor allem Kleinkinder, Jungen häufiger als Mädchen.

Die Verbrennung wird in ihrer Ausdehnung immer überschätzt und in ihrer Tiefe oft unterschätzt. Die betroffene Körperoberfläche lässt sich beim Kind leicht durch die „Handflächenregel“ abschätzen: die Hand des Patienten entspricht einem Prozent seiner Körperoberfläche.

Brandwunden werden in 4 Grade eingeteilt: I° Rötung; II° a Rötung und Blasenbildung, rötlicher Wundgrund; II° b zerrissene Blasen, weißlich-rötlicher Wundgrund; III° weißlicher Wundgrund, trockene derbe Hautfetzen.

Kinder werden in der Notfallversorgung – im Gegensatz zu Erwachsenen – oft mit zu wenig Therapie versorgt. Diese besteht aus Kühlen, Analgosedierung und der Infusionstherapie. Die Kühlung der Wunde sollte nur in den ersten Minuten durchgeführt werden, da sonst die Gefahr einer Hypothermie besteht.

Aus Angst vor Nebenwirkungen werden Kindern leider immer noch potente Analgetika vorenthalten. Zu einer Analgosedierung in der Erstversorgung eignen sich besonders Ketamin in Kombination mit Midazolam sowie sämtliche Opiate, wie zum Beispiel Morphin, Fentanyl oder Piritramid.

Zur Überwindung der Schockphase ist bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen mit Brandverletzungen eine aggressivere Flüssigkeitstherapie notwendig. Die Flüssigkeitstherapie erfolgt mit balancierten, isotonen Kristalloiden (Ringer-Acetat) und falls erforderlich auch mit kolloidalen Lösungen (6 %-HES). Zur Abschätzung der initialen Flüssigkeitstherapie in den ersten Stunden eignet sich die altersentsprechende Urinausscheidung.

Durch verzögerte Behandlung des Verbrennungsschocks kann es zu einer starken Beeinträchtigung sämtlicher Schockorgane wie Lunge, Leber, Niere und Darm kommen.

Nach Aufnahme der Kinder müssen sämtliche Brandblasen abgetragen und mit antiseptischen Lösungen/Salben zunächst abgedeckt werden. Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und Abschätzung der Verbrennungstiefe erfolgt die plastisch-chirurgische Therapie durch Hauttransplantationen.

Wichtiger Therapiebaustein ist die frühe Einbeziehung der Eltern in die Pflege, Physio- und Ergotherapie ihres Kindes sowie die psychologische Betreuung der Eltern und Kinder.

Die Behandlung brandverletzter Kinder ist aufwendig, kostenintensiv und sehr belastend für die Patienten. Durch gezielte Unfallverhütungsprogramme, wie zum Beispiel von der Initiative für brandverletzte Kinder e. V. „Paulinchen“ (www.paulinchen.de), könnte die Zahl brandverletzter Kinderr deutlich reduziert werden.

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Dr. Axel Hennenberger

Abteilung für Neonatologie, pädiatrische Intensivmedizin und Schwerbrandverletzte
Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift

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