Psychother Psychosom Med Psychol 2011; 61(7): 334-336
DOI: 10.1055/s-0031-1276853
Mitteilung aus dem DKPM
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychometrie und Psychodiagnostik in Psychosomatik, Psychotherapie und Medizinischer Psychologie

Bericht zum zweiten Arbeitstreffen der DKPM-Arbeitsgruppe „Psychometrie und Psychodiagnostik”Psychometry and Psychodiagnostics in Psychosomatics, Psychotherapy and Medicinal PsychologyReport on the Second Meeting of the DKPM Working Group „Psychometry and Psychodiagnostics”Bernd  Löwe1 , Matthias  Rose1 , Inka  Wahl1 , Sylke  Andreas2 , Andreas  Dinkel3 , Thomas  Forkmann4 , Gabriele  Franke5 , Dorothea  Huber6 , Sven  Rabung2 , Heribert  Sattel3 für die DKPM Arbeitsgruppe „Psychometrie und Psychodiagnostik”
  • 1Universitäre Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Schön Klinik Hamburg Eilbek
  • 2Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • 3Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der TU München
  • 4Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
  • 5Psychodiagnostik, Hochschule Magdeburg Stendal
  • 6Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum München-Harlaching
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Publication History

Publication Date:
13 July 2011 (online)

Hintergrund

Die Diagnostik und Schweregradmessung psychischer Beschwerden sowie die Messung des Therapieverlaufs und Therapieergebnisses wird national und international mit einer kaum überschaubaren Zahl verschiedenster Instrumente vorgenommen. Obwohl für die meisten dieser Instrumente zufriedenstellende bis gute psychometrische Kennwerte vorliegen, stellt die Heterogenität dieser Instrumente ein erhebliches Problem dar. Dieses Problem ist in zwei wesentlichen Aspekten begründet:

Es existiert keine grundsätzliche Abstimmung in den Fachgebieten darüber, welche Dimensionen zur Diagnostik, zur Schweregradmessung bzw. zur Therapieverlaufsmessung von psychischen Störungen gemessen werden sollen. Selbst wenn dasselbe Konstrukt gemessen wird, so verhindert die Heterogenität der verwendeten Instrumente in der Regel die direkte Vergleichbarkeit von Ergebnissen zwischen Individuen bzw. von Patientengruppen.

Für die Psychosomatische Medizin, Medizinpsychologie und Psychotherapie wird der wesentliche Nutzen der Psychometrie vor allem in der Möglichkeit gesehen, den Behandlungsverlauf abzubilden und innerhalb der Forschung Prädiktor- und Outcome-Variablen zu messen. Auch wenn es verständlich ist, dass Traditionen bei der Verwendung psychometrischer Instrumente bestehen und dass individuelle Präferenzen bei der Auswahl von Instrumenten berücksichtigt werden, so stellt die mangelnde Vergleichbarkeit von Ergebnissen verschiedener psychometrischer Instrumente doch ein Problem dar. Dies gilt sowohl für die individuelle Messung psychischer Dimensionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten als auch für den Vergleich von Studienergebnissen, wenn diese auf unterschiedlichen Instrumente beruhen. Ein Ziel bei der Messung psychosozialer Dimensionen in Patientenversorgung und Forschung muss es sein, dass bestimmte psychosoziale Parameter, die mit unterschiedlichen Instrumenten gemessen wurden, ebenso gut vergleichbar sind wie somatische Parameter, die mit unterschiedlichen Instrumenten erhoben wurden (z. B. HbA1c-Wert für die Messung der Blutzuckereinstellung). Neben inhaltlichen und psychometrischen Gründen spielen bei der Auswahl psychometrischer Instrumente natürlich auch finanzielle Gründe eine Rolle, da für viele Konstrukte sowohl freie als auch lizenzpflichtige Verfahren existieren.

Das zweite Treffen der DKPM-Arbeitsgruppe „Psychometrie und Psychodiagnostik”, welches am 10. und 11. November 2010 im Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf stattfand, befasste sich mit den vorgenannten Problemen und erarbeitete Perspektiven zu einer Verbesserung der Situation. An dem Treffen nahmen 22 Mitglieder der Arbeitsgruppe teil; die ArbeitsgruppenteilnehmerInnen kamen aus den Gebieten der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie, der Medizinpsychologie und der Psychodiagnostik. Dieser Bericht informiert über den Stand der Diskussion in der Arbeitsgruppe.

Als Grundlage für die Arbeit wurde zunächst die internationale Situation gesichtet. Zu den international verfügbaren Taxonomien bzw. Systemen zur Messung psychosozialer Dimensionen zählen unter anderem die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) [1], das amerikanische Patient Reported Outcome Measurement Information System (PROMIS) [2], das australische Minimum Data Set [3], das englische System Clinical Outcomes in Routine Evaluation (CORE) [4] [5], die deutsche PsyBaDo [6] sowie die internationale World Health Organization Disability Assessment Schedule (WHODAS II) [7]. Von deutschen Fachgesellschaften der Psychosomatik, Psychiatrie, Psychotherapie bzw. Medizinischen Psychologie existieren unseres Wissens derzeit keine abgestimmten und empirisch evaluierten Systeme zur Messung psychosozialer Zielparameter innerhalb professioneller Behandlung. Diese fehlende Abstimmung stellt ein Manko dar; nicht nur wegen der oben genannten Gründe, sondern auch, weil zu erwarten ist, dass die Outcome-Messung in zukünftige Dokumentations- und Finanzierungssysteme (z. B. „pay for outcome”) einbezogen wird und einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätssicherung für ambulante wie stationäre Psychotherapie darstellen wird. Die vorgenannten internationalen Systeme stellen gute Grundlagen für Weiterentwicklungen und Anpassungen an die deutsche Situation dar. Da die Situation in Deutschland sich zum Beispiel durch längere Therapiezeiten im ambulanten und stationären Bereich wesentlich von den Gegebenheiten in den USA oder England unterscheidet, sieht es die Arbeitsgruppe als notwendig an, ein speziell für Deutschland anwendbares System für psychosoziale Outcome-Messung bzw. Diagnostik zu entwickeln.

Literatur

  • 1 World Health Organisation (WHO) .The International Classification of Functioning, Disability and Health – ICF.. Geneva: WHO; 2001
  • 2 Cella D, Yount S, Rothrock N et al. The Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS): progress of an NIH Roadmap cooperative group during its first two years.  Med Care. 2007;  45 (S 01) S3-S11
  • 3 Australian Mental Health Outcomes and Classification Network .Adult national outcomes and casemix collection standard reports.. Queensland: Brisbane; 2005
  • 4 Evans C, Connell J, Barkham M et al. Towards a standardised brief outcome measure: psychometric properties and utility of the CORE-OM.  Br J Psychiatry. 2002;  180 51-60
  • 5 Barkham M, Margison F, Leach C et al. Service profiling and outcomes benchmarking using the CORE-OM: toward practice-based evidence in the psychological therapies. Clinical Outcomes in Routine Evaluation-Outcome Measures.  J Consult Clin Psychol. 2001;  69 184-196
  • 6 Söllner W, Stein B, Hendrischke A et al. A documentation form for the consultation-liaison service: development of the CL-BaDo.  Z Psychosom Med Psychother. 2005;  51 310-322
  • 7 World Health Organisation (WHO) .World Health Organization Disability Assessment Schedule (WHODAS II).. Geneva; 2000

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Bernd Löwe

Universitäre Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Schön Klinik Hamburg Eilbek

Martinistr. 52

20246 Hamburg

Email: b.loewe@uke.uni-hamburg.de

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