Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2012; 17(1): 18-22
DOI: 10.1055/s-0031-1273379
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Konzentration und Marktmacht bei Krankenhäusern

Concentration and Market Power in the Hospital SectorA. Schmid1 , V. Ulrich1
  • 1Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre III – Finanzwissenschaft, Universität Bayreuth
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Publication Date:
13 May 2011 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat auf dem deutschen Krankenhausmarkt eine starke Konsolidierung stattgefunden. Die damit einhergehenden strukturellen Veränderungen bergen die Gefahr von starker Konzentration und daraus resultierender Marktmacht. Ziel dieses Beitrags ist es, das Ausmaß der Konzentration im deutschen Krankenhaussektor zu erfassen und im Zeitablauf darzustellen. Methodik: Die Konsolidierung auf dem Krankenhausmarkt wird erstmals unter Berücksichtigung der Trägerzugehörigkeit erfasst. Auf Trägerebene werden basierend auf realen Patientenströmen Konzentrationsindizes errechnet. Diese werden auf ihre Verteilung sowie ihre zeitliche Entwicklung hin analysiert. Ergebnisse: Mehr als ein Drittel aller Krankenhäuser ist im Jahr 2007 in stark konzentrierten Märkten tätig. Seit 2000 hat sich die Zahl der Krankenhausträger um 18 % reduziert. Dies führte zu einem signifikanten Anstieg der Konzentration. Schlussfolgerungen: Eine zu hohe Konzentration kann negative Auswirkungen auf Qualität und Preise von Leistungen haben. Weiterer Forschungsbedarf besteht insb. hinsichtlich der Konsequenzen für Patienten und Kostenträger sowie mit Blick auf die zukünftige Entwicklung selektivvertraglicher Versorgungsansätze.

Abstract

Aim: Over the past decade, the German hospital market has been undergoing significant consolidation. This goes along with increasing market concentration, potentially resulting in increased market power. This article aims at quantifying the degree of concentration of the German hospital sector and at analyzing trends over time. Methodology: This study is the first to consistently examine hospital consolidation on hospital system level. Patient flow data is used to compute concentration measures accounting for system membership. These measures are analyzed regarding their distribution as well as regarding their development. Results: In 2007, more than one third of all German hospitals were located in strongly concentrated markets. Since 2000, the number of hospital systems has decreased by 18 %. This goes along with a significant increase in the degree of concentration. Conclusion: Excessive concentration is likely to have a negative impact on quality and prices of hospital services. The implications for introducing instruments of selective contracting are significant. Further research, especially concerning the consequences for patients and third-party-payers, is highly warranted.

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1 Diese wird am Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder (FDZ) in Kamenz bereitgestellt. Aufgrund des hohen Detaillierungsgrads der Krankenhausstatistik und den damit einhergehenden Datenschutzanforderungen erfolgt der Zugang über kontrollierte Datenfernverarbeitung. Zudem dürfen keine Minima und Maxima ausgegeben werden.

2 Im Verzeichnis sind nur Krankenhäuser enthalten, die einer Veröffentlichung zugestimmt haben. Für das Jahr 2007 war dies beispielsweise für 2028 von 2087 Krankenhäusern, mithin 97,2 % der Einrichtungen, der Fall [11].

3 Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem HHI als Konzentrationsmaß allgemein und im Kontext von Krankenhausmärkten im Speziellen siehe Gaynor und Vogt (2000), S. 1446 – 1447 [6].

4 Zur Diskussion der angemessenen Abgrenzung des Produktmarkts durch das Bundeskartellamt siehe Kuchinke und Kallfass (2007), S. 322 – 324. Die Autoren zeigen ferner, dass unterschiedliche fachliche Schwerpunkte vom Bundeskartellamt durchaus gewürdigt werden, in der Regel aber auf eine weitere Untergliederung verzichtet wird [15].

5 Obwohl seit Langem in der Diskussion, wird dieser Problematik in der Literatur noch immer ein hoher Forschungsbedarf attestiert .

6 Zwanziger et al. vergleichen verschiedene Cut-off-Werte und kommen zum Ergebnis, dass diese Variante zu einer relativ weiten Abgrenzung des Marktes führt. Erhält ein potenziell konkurrierender Krankenhausträger aus keinem der dem relevanten Markt zuzurechnenden Postleitzahlbezirke wenigstens 3 % seiner Gesamtfallzahl, dann stellt er gemäß Definition keinen relevanten Wettbewerber dar und wird bei der Berechnung des HHI nicht berücksichtigt [19]. Um eine Verfälschung des HHI bei bundesweit tätigen Krankenhausträgern zu vermeiden, wurde im Rahmen der Berechnung des relevanten Marktes unterstellt, dass es sich in jedem Bundesland um einen eigenständigen Träger handelt.

7 Die Herbeiführung dieser „Einhäusigkeit“ im Rahmen der Statistik führt dazu, dass beispielsweise die Standorte der Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH in Berlin im Krankenhausverzeichnis als ein Großkrankenhaus mit über 4400 Betten geführt werden (Jahr 2007) [11].

Andreas Schmid

Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre III – Finanzwissenschaft, Universität Bayreuth

Universitätsstraße 30

95447 Bayreuth

Email: andreas.schmid@uni-bayreuth.de

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