Aktuelle Neurologie 2010; 37(9): 467-473
DOI: 10.1055/s-0030-1265965
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

§ 116 b SGB V – Chancen-Risiken-Analyse einer neuromuskulären Spezialambulanz

Economic Analysis of a Neuromuscular Health-Care Centre – Opportunities and Risks of § 116 b Code of Social Law (SGB) VF.  Meier1 , O.  Schöffski1 , B.  Neundörfer2 , D.  Heuss3
  • 1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement
  • 2Nürnberg und Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM), Neurologie am Stadtpark
  • 3Universitätsklinikum Erlangen, Klinik für Neurologie
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 December 2010 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung Mit Einführung des § 116 b SGB V im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) wurden von bundespolitischer Seite strukturelle Voraussetzungen geschaffen, die Versorgungssituation von Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen zu verbessern. Vor allem die Abrechnungsmöglichkeiten nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) sollen die bisherigen Finanzierungsengpässe beseitigen. Methodik Für definierte Gruppen neuromuskulärer Erkrankungen wurde ein standardisierter Leistungskatalog erarbeitet, der Grundlage für die Kosten- und Erlösberechnungen war. Für die Schätzung der Kosten wurden der Deutsche Krankenhausgesellschaft Normaltarif (DKG-NT) und die Interne Leistungsverrechnung (ILV) des Universitätsklinikum Erlangen herangezogen. Bei der Ermittlung der Erlöse wurden die bisherige Pauschale nach § 117 für Hochschulambulanzen und die Einzelleistungsvergütung nach § 116 b zugrunde gelegt. Ergebnisse Die verschiedenen Gruppen sind hinsichtlich des benötigten Leistungsumfangs, und damit der Kosten, sehr heterogen. Werden die anfallenden Kosten den Erlösen nach altem oder neuem Abrechnungsmodell gegenübergestellt, so ist nach beiden Berechnungsmethoden grundsätzlich eine Lücke festzustellen. Die Abrechnung nach § 116 b bringt bei der 1. und bis zu 7 ambulanten Untersuchungen Vorteile, wobei sich dieser Effekt ab der 8. ambulanten Untersuchung umkehrt. Schlussfolgerung Die momentan gültigen Vergütungsstrukturen sind nicht kostendeckend. Auch die Einführung des § 116 b bringt je nach Struktur der ambulanten Einrichtung nur teilweise eine Verbesserung mit sich, wobei dann insbesondere die Häufigkeit der ambulanten Untersuchungen begrenzt werden muss, um diesen Effekt nicht umzukehren. Eine Nachbesserung mit dem Ziel einer kostendeckenden Vergütung im Rahmen des § 116 b oder zusätzliche Erlösverhandlungen zwischen Ambulanz und Krankenkasse könnten helfen, die Versorgungssituation weiter zu verbessern.

Abstract

Background The health care of patients with rare neuromuscular diseases needs to be improved. The novel German legal directive according to paragraph 116b of the Social Security Code V (§ 116 b SGB V) was a first step for reimbursement in regard to rare diseases which could possibly encourage specialised ambulatory clinical institutions to provide ambulatory care for patients suffering from rare diseases. Particularly, the implementation of „Einheitlicher Bewertungsmaßstab” (EBM) should resolve the previous financial shortages. Methods Costs and profits were calculated for six groups of neuromuscular diseases characterised by homogenous medical needs. For all groups a standardised service package was defined and priced with different fee catalogues. In detail, the „Deutsche Krankenhausgesellschaft Normaltarif” (DKG-NT) and internal service charges (ILV) of the University Hospital of Erlangen were applied. To calculate the profits, the so-called flat charge according to § 117 was compared with the EBM. Results The service packages and accordingly the costs for the different groups are heterogeneous. Neither the previous calculation base for reimbursement nor the recent one are cost-covering. To take advantage of § 116 b the frequency of outpatient treatments has to be restricted, in the presented analysis after 7 treatments the new model is at a disadvantage. Conclusion § 116 b was enacted to improve the care for patients suffering from rare diseases. This was achieved only partially. Compared to the model which uses the flat charge according to § 117, the model using the EBM has economic advantages only when the number of ambulatory treatments is severely restricted, but is not yet cost-covering. To improve the health care of patients suffering from neuromuscular diseases further efforts are required.

Literatur

  • 1 Schieppati A, Henter J-I, Daina E. et al . Why rare diseases are an important medical and social issue.  The Lancet. 2008;  371 2039-2041
  • 2 Peters P. The European Commission's views on rare diseases. In: Dijkstra H, Poot E, Wilczek I, eds Biomedical research and orphan medicinal products. Baarn; 1998: 20-30
  • 3 Kuschel F. Die medizinische Versorgung erwachsener Patienten mit Muskelerkrankungen. Berlin; 2006: 107-110
  • 4 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (Hrsg.) .Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität, Band 2: Qualität und Versorgungsstrukturen. Baden-Baden; 2003
  • 5 Reimann A, Bend J, Dembski B. Patientenzentrierte Versorgung bei seltenen Erkrankungen Perspektive von Patientenorganisationen.  Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 2007;  50 1484-1493
  • 6 Koch S J, Arego D E, Bowser B. Outpatient rehabilitation for chronic neuromuscular disease.  American Journal of Physical Medicine & Rehabilitation. 1986;  65 245-257
  • 7 Manow M-L, Paulsen N, Rybczynski M. et al . Analyse der Erlössituation bei der ambulanten Behandlung nach § 116 b SGB V am Beispiel des Marfan-Syndroms.  Medizinische Klinik. 2010;  105 529-537
  • 8 Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (Hrsg.) .DKG-NT – Tarif der Deutschen Krankenhausgesellschaft für die Abrechnung erbrachter Leistungen und für die Kostenerstattung vom Arzt an das Krankenhaus zugleich BG-T vereinbarter Tarif für die Abrechnung mit den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern. 31. überarbeitete Auflage. Stuttgart; Kohlhammer 2007
  • 9 Herzig D, Gleaske G, Schramm W. Out-patients haemophilia treatment in hospital – Status quo of the legal basis for care-agreements.  Hämostaseologie. 2009;  4a 22-26
  • 10 Orlowski U, Wasem J. Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG). Heidelberg, München; Müller 2007: 121
  • 11 Beske F, Ratschko K-W. Das GKV-Modernisierungsgesetz – GMG und seine Auswirkungen. Kiel; Schmidt&Klaunig 2006: 51-52
  • 12 Wohlgemuth W A, Mayer J, Nagel E. et al . Aktuelle gesetzgeberische Initiativen zur Integrierten Versorgung – Auswirkungen auf die ambulante Versorgung am Krankenhaus.  RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren. 2004;  176 484-490
  • 13 Wienke A, Janke K. Ist § 116 b SGB V verfassungswidrig?.  Laryngo-Rhino-Otologie. 2008;  88 407-409
  • 14 Flintrop J, Rieser S. Einblicke in eine unfaire Welt.  Deutsches Ärzteblatt. 2009;  106 540-545
  • 15 Korthus A. Ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V.  Das Krankenhaus. 2010;  102 748-750
  • 16 Gemeinsamer Bundesausschuss .Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V. 2010: 60-64
  • 17 Leber W-D. Refinanzierung ambulanter Klinikleistungen – Der Paragraf 116 b SGB V bedarf einer Ergänzung damit er funktioniert.  Krankenhaus Umschau. 2005;  74 232-234
  • 18 Deutsches Krankenhausinstitut, Hrsg .Krankenhaus Barometer – Umfrage. Düsseldorf; 2009: 49

Florian Meier

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement

Lange Gasse 20

90403 Nürnberg

Email: florian.meier@wiso.uni-erlangen.de

    >