Aktuelle Ernährungsmedizin 2010; 35(6): 310-313
DOI: 10.1055/s-0030-1265924
Kommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Keine Empfehlung für IgG- und IgG4-Bestimmungen gegen Nahrungsmittel[1]

Testing of IgG and IgG4 to Foods is not RecommendedJ.  Kleine-Tebbe1
  • 1Allergie- und Asthma-Zentrum Westend, Praxis Hanf, Herold & Kleine-Tebbe, Berlin
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Publication Date:
01 December 2010 (online)

Zusammenfassung

IgG- und IgG4-Antikörper gegen Nahrungsmittel sind nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht als Indikator für krankmachende Vorgänge misszuverstehen, sondern Ausdruck der natürlichen (physiologischen) Immunantwort des Menschen nach wiederholtem Kontakt mit Nahrungsmittelbestandteilen. Daher ist der allergenspezifische Nachweis von IgG oder IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel zur Abklärung und Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten ungeeignet. Dies gilt auch für chronische Erkrankungen und Beschwerden, deren Ursache in einer vermeintlichen, nicht erkannten Nahrungsmittelunverträglichkeit liegen soll. Zu diesen Krankheitsbildern werden chronische Darmerkrankungen wie Reizdarm-Syndrom, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, entzündliche Hauterkrankungen wie Akne, Neurodermitis, Psoriasis und allgemeine Symptome wie Migräne, chronische Müdigkeit, Übergewicht und viele mehr gezählt. In der üblichen Begründung für IgG-Bestimmungen werden Ursache und Wirkung häufig vertauscht. So werden hohe, physiologisch auftretende IgG-Konzentrationen gegen Nahrungsmittel als Ursache von entzündlichen Prozessen angeschuldigt, obwohl sie vermutlich eher als Folge dieser Veränderungen zu bewerten sind. Für keine der genannten Erkrankungen oder Gesundheitsstörungen liegen gesicherte Hinweise in Form kontrollierter, aussagekräftiger Studien vor, dass ein Nachweis von Serum-IgG- oder IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel einen diagnostischen oder pathologischen Wert besitzt. Die IgG-Antikörpertests sind demzufolge weniger aufgrund potenzieller technischer Mängel, sondern wegen der irreführenden Interpretation von Testergebnissen abzulehnen, die anschließend als Begründung für ungerechtfertigte und häufig einschneidende Diäten verwendet werden. Sie tragen damit zu erhöhtem Leidensdruck, eingeschränkter Lebensqualität, zur Verunsicherung oder sogar Gefährdung der betroffenen Personen bei. Nach wie vor besteht keine Indikation zum Einsatz von IgG oder IgG4-Antikörpertests gegen Nahrungsmittel. Aufgrund fehlender kontrollierter Daten ist diese Form der Diagnostik strikt abzulehnen.

Abstract

Due to current scientific understanding IgG and IgG4 antibodies to foods should not be missinterpreted as an indicator for disease causing mechanisms than rather as a sign of a normal (physiological) human immune response after repeated exposure to food components. Therefore, the allergen specific measurement of IgG or IgG4 antibodies to foods is useless for the work up and diagnosis of various types of food hypersensitivity. This is also true for chronic diseases and health complaints, falsly believed to be caused by an underlying food hypersensitivity, which has not yet been diagnosed. These health problems include chronic inflammatory bowel diseases like irritable bowel disease, Crohn's disease, colitis ulcerosa, inflammatory skin diseases like acne, atopic eczema, psoriasis and general symptoms like migraine, chronic fatigue, obesity and numerous others. The commonly used argumentation for IgG measurements often falsly exchanges cause and effect. More specifically, elevated physiological IgG concentrations to foods are often blamed as a cause for inflammatory responses, instead of being interpreted as a consequence of such pathology. For none of these above mentioned diseases and health complains scientific evidence based on valid, controlled studies has been established, indicating that the presence of serum IgG or IgG4 antibodies to foods might have a diagnostic value or could represent a pathological finding. Measurements of IgG antibodies to foods are therefore not recommended. This conclusion is not necessarily based on technical assay flaws, but rather rejecting the missleading interpretations of such test results, which are often abused as a reasoning to recommend unjustified and frequently drastic diets. These diets will increase the pressure of suffering, decrease the quality of life, promote uncertainty and even place these subjects at further health risks. At present there is no indication for IgG or IgG4 antibody tests to food items. This type of diagnostic procedure is strictly not recommened due to a lack of evidence from properly controlled studies.

1 Hinweis: Die Meinung des Autors entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der Herausgeber.

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1 Hinweis: Die Meinung des Autors entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der Herausgeber.

Priv.-Doz. Dr. Jörg Kleine-Tebbe

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