DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2010; 8(04): 40
DOI: 10.1055/s-0030-1254423
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Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Knochen wie Kontinentalschollen

Roger Seider
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Publication Date:
12 October 2010 (online)

Nimmt man das Modell eines Schädels oder auch einen richtigen (Toten-) Schädel in die Hand, so scheint die Wölbung des Schädels, der Hirnschädel, eine ziemlich stabile Sache zu sein. Fest ineinander über die Schädelnähte verzapft, formen die Knochen einen Panzer. Dieser ist notwendig für den Schutz des Gehirns. Gemeinsam mit dem System der Hirnhäute und dem Hirnwasser können selbst heftige Stöße so abgemindert werden, dass die Nervenzellen keinen oder möglichst geringen Schaden nehmen.

Osteopathen haben aber auch eine ganz andere Sichtweise der Schädelknochen: gleichsam schwimmend auf der weichen Masse des Gehirns und des Hirnwassers, vergleichbar mit den Kontinentalschollen auf dem weichen Erdinneren. Der Widerspruch zu dem vorherigen Modell des Hirnschädels als Panzer besteht nur scheinbar.

Um das 2. Modell zu verstehen, muss man sich Folgendes vorstellen: Auf der Oberfläche eines jeden Knochens liegt eine Schicht Knochenhaut: im Bereich des Schädels jeweils eine Schicht außen, der Kopfschwarte zugewandt und eine Schicht innen. Die innere Schicht steht mit den Hirnhäuten in Verbindung: der harten Hirnhaut, der Spinnenhaut und der weichen Hirnhaut. Über Bindegewebsfasern, die durch die Schädelnähte verlaufen, sind äußere und innere Schicht miteinander verbunden. Man könnte sagen, jeder Knochen liegt eingebettet in einer Hülle aus Bindegewebe. Da dies für jeden der Schädelknochen zutrifft, könnte man deren Gesamtheit als ein Patchwork aus Bindegewebe mit eingelagerten Knochen sehen. Genau das entspricht der Entwicklung des Hirnschädels beim Ungeborenen sowie Neugeborenen in den ersten Lebensmonaten.