Aktuelle Neurologie 2010; 37(6): 265
DOI: 10.1055/s-0030-1248574
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Wir werden es schaffen …

We Shall Overcome …H.  Reichmann1
  • 1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
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Publication Date:
03 September 2010 (online)

Prof. Dr. med. Heinz Reichmann

In den großen deutschen Tageszeitungen konnte man lesen, dass die Ärzte in den vergangenen Jahren durch die Initiative von Frau Ministerin Ulla Schmidt deutlich höhere Einkommen erzielt haben. Die Zeitungsleser werden sich daraufhin gefragt haben, warum viele ihrer Ärzte gegen Ende des Quartals die Praxis schließen, warum sie so lange auf Untersuchungstermine warten müssen, wo sie den Ärzten doch wertvolles Einkommen generieren würden, wenn sie möglichst umgehend untersucht würden. Des Weiteren müsste sich jeder vernünftige Zeitungsleser fragen, warum wir in Deutschland angeblich zu wenige Ärzte haben, wo das Einkommen doch so hervorragend sein soll. In fast allen Zeitungsnachrichten steckt neben der quantitativ richtigen Aussage im Detail manches Problem und das betrifft leider uns Neurologen. Neurologen sind davon begeistert, das wohl faszinierendste Organ des menschlichen Körpers, nämlich das Gehirn aber eben auch das Rückenmark, die Muskulatur und die peripheren Nerven und deren Erkrankungen zu erforschen und zu therapieren. Wir haben deswegen von uns selbst ein hohes Selbstverständnis und glauben, für die Gesellschaft äußerst relevante Krankheitsbilder wie Schlaganfall und Demenz sowie neurodegenerative Erkrankungen und vieles mehr an vorderster Front mit hohem Sachverstand zu diagnostizieren und zu behandeln. Da das Gehirn ein entscheidendes Organ für das Zusammenspiel des Körpers darstellt, sind Fehler bei der Behandlung von neurologisch erkrankten Patienten meist einschneidend, irreparabel und forensisch äußerst heikel. Wir behandeln somit unter hohem Gefahrenpotenzial das Zentralorgan des menschlichen Körpers, das zudem auch das beinhaltet, was jeden von uns einzigartig und unvergleichbar macht, nämlich die Persönlichkeit, die Kreativität und die Talente jedes Einzelnen. Sollte man da nicht erwarten, dass man im Vergleich zu den anderen medizinischen Disziplinen zumindest annähernd gleich gut vergütet wird? Da dies nicht der Fall ist, herrscht unter den Neurologen eine hohe Frustration und manch einer schielt neidvoll zum Nervenarzt, der für die gleiche Tätigkeit, z. B. eine Lumbalpunktion, das 3-Fache Honorar einfordern kann (z. B. Neurologe in Berlin 27 €; Nervenarzt in Berlin 78 €). Töricht wäre es jetzt aber, aus diesem neidvollen Blick ein Gegeneinander aufzubauen, ganz im Gegenteil, wir müssen uns gegenseitig stützen, was sicherlich auch für unsere psychiatrischen Fachkollegen gilt. Nur gemeinsam werden wir es erreichen, im Wettstreit mit den anderen Fachdisziplinen die Neuro- und Nervenfächer zu einer besseren Vergütung zu führen. Man wird sich fragen, was dies die Deutsche Gesellschaft für Neurologie zu interessieren hat, wo wir doch einen engagierten und ausgewiesenen Berufsverband sowohl für die Neurologen und Psychiater aber auch für die Nervenärzte glücklicherweise bereits etabliert haben. Nun, eine akademische Gesellschaft wird ausbluten, wenn die jungen Studenten lesen und ständig hören, dass in einer gewissen Fachdisziplin, die zudem auch noch äußerst anspruchsvoll ist, eine vergleichsweise schlechte Vergütung der ärztlichen Leistungen droht. Wir werden dies somit gemeinsam ändern müssen, damit in den Kliniken, in den Forschungslabors, aber insbesondere auch am Patienten in der Praxis ausreichend viele Neurologen weiter tätig sein können. Aus diesem Grunde ist eine der wichtigsten Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie die Nachwuchsarbeit und hier die „Jungen Neurologen”. Im Heft 1 / 2010 und 3 / 2010 konnte sich diese engagierte Gruppe bereits artikulieren. Zusammen mit den jungen Neurologen müssen wir alle Kräfte bündeln, Werbung für unser faszinierendes Fach bei den Studenten, vielleicht sogar schon bei den Oberstufenschülern zu machen. Ich selbst bin davon überzeugt, dass die Zeit für uns arbeitet und dass auch nach Kontakt mit führenden Politikern dort immer mehr die Einsicht Oberhand gewinnt, dass Neurologen eine wichtige Fachdisziplin sind, obwohl sie selbstverständlich von der Zahl her deutlich weniger sind als die großen Disziplinen wie Chirurgie, innere Medizin und Anästhesiologie, die unsere Expertise wiederum sehr häufig konsiliarisch in Anspruch nehmen müssen. Aus dieser Sicht ist Optimismus angesagt und Tatkraft verlangt, um die derzeit außerordentlich misslichen Zustände und Umstände gemeinsam zu verbessern. Hier arbeiten die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Berufsverbände in vorbildlicher Weise zusammen.

Prof. Dr. med. Heinz Reichmann

Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden

Fetscherstr. 74

01307 Dresden

Email: Heinz.Reichmann@uniklinikum-dresden.de

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