Klin Monbl Augenheilkd 2010; 227(12): 990-991
DOI: 10.1055/s-0029-1245488
Offene Korrespondenz

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf auf Herrn Professor Erich Weigelin

Obituary for Professor Erich WeigelinF. G. Holz, S. E. Hunt
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Publication History

Eingegangen: 12.5.2010

Angenommen: 17.5.2010

Publication Date:
14 December 2010 (online)

Am 17.3.2010 verstarb Herr Professor Dr. med. Erich Weigelin, emeritierter Professor der Augenheilkunde und bis 1982 Direktor des Klinischen Instituts für Experimentelle Medizin der Universitäts-Augenklinik Bonn, im Alter von 93 Jahren. Seine Person und die Bonner Augenklinik sind seit über 6 Jahrzehnten fest miteinander verbunden.

Erich Weigelin wurde am 18.12.1916 in Tübingen geboren. Seine Jugend verlebte er mit 3 Geschwistern in Stuttgart, wo sein Vater Chefarzt der Charlotten-Heilanstalt für Augenkranke war. Nach dem 1935 bestandenen Abitur leistete er den obligatorischen Arbeitsdienst und studierte ab 1937 Medizin in Tübingen, Rostock, München und Lausanne. 1940 schloss er sein Studium mit der Dissertation „Über die maligne Entartung einer Cyste des Irisstromas” an der Universität Tübingen ab.

Im Herbst 1941 bis zum Kriegsende 1945 wurde er als Arzt zum Militärdienst einberufen und war in verschiedenen Lazaretten in Deutschland, der Sowjetunion und Norwegen tätig. Für sein späteres Leben prägend war die Begegnung mit Prof. Hans Karl Müller, dessen Assistent er 1943 im Lazarett Smolensk der 4. Armee wurde. Das Lazarett war zu dieser Zeit mit mehr als 600 Betten die größte deutsche Augenklinik. Die beiden Ärzte waren dort „rund um die Uhr” im Einsatz. In diesem Lazarett begann die lebenslange Freundschaft der beiden weltberühmten Ophthalmologen.

1946 entschloss sich Erich Weigelin, nicht die Nachfolge seines Vaters in der Augenklinik in Stuttgart anzutreten, sondern folgte der Einladung seines Freundes und Mentors Hans Karl Müller und wurde Assistent an der Bonner Augenklinik, die damals noch in der Wilhelmstraße untergebracht war. Ein Jahr später heiratete Erich Weigelin Bertie Auer, mit der er 58 Jahre eine glückliche Ehe führte. 4 Kinder und 11 Enkel mehrten sein Glück.

Prof. Weigelins wissenschaftliches Hauptinteresse galt der Ophthalmodynamometrie. 1950 habilitierte er sich mit der Arbeit „Über die Anwendung und Beurteilung der Netzhautarterien-Druckmessung”. Es folgten eine große Anzahl hochrangiger wissenschaftlicher Publikationen sowie die mit Prof. André Lobstein verfasste Monografie „Ophthalmodynamometrie”.

1952 wurde Erich Weigelin Oberarzt der Bonner Augenklinik. Ein besonderer Meilenstein in der Geschichte der Bonner Augenklinik wurde 1953 mit der Gründung des „Klinischen Instituts für Experimentelle Ophthalmologie” gesetzt, das Prof. Müller und Prof. Weigelin ins Leben riefen, um die Forschung in allen Bereichen der klinischen und experimentellen Ophthalmologie voranzutreiben. Das Institut war die erste rein ophthalmologisch ausgerichtete Forschungseinrichtung in Deutschland und nach dem Institute of Ophthalmology in London die zweitwichtigste in Europa. Erich Weigelin war zu dieser Zeit schon bewusst, dass eine interdisziplinäre Vernetzung zwischen Klinik und Forschung, insbesondere der Grundlagenforschung, von größter Bedeutung sein würde und erhebliche Synergieeffekte brächte.

Mit Fertigstellung der neuen Augenklinik auf dem Venusberg 1955 konnte auch das „Klinische Institut für Experimentelle Ophthalmologie” eine große Zahl modernster neuer Laboratorien beziehen. Ein Jahr später erfolgte Weigelins Ernennung zum außerplanmäßigen Professor; 1964 wurde er als außerordentlicher Professor auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für experimentelle Ophthalmologie berufen und zum Direktor der Instituts ernannt, zu dem mittlerweile 4 große Abteilungen (Kreislaufabteilung, Biochemische Abteilung, Abteilung für medizinische Statistik und Dokumentation sowie die Abteilung für Entwicklung und Erprobung ophthalmologischer Untersuchungsmethoden) gehörten und das er bis zu seiner Emeritierung 1982 leitete. 1966 folgte schließlich die Ernennung zum ordentlichen Professor. Erich Weigelin war in den Jahren 1972 – 1973 und 1979 – 1981 zudem Kommissarischer Direktor der Augenklinik.

Aufgrund Prof. Weigelins Tätigkeit im Auswahlausschuss der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zur Förderung ausländischer Wissenschaftler und im Bewilligungsausschuss für NATO-Stipendien beim Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie wegen des großen wissenschaftlichen Renommees der Bonner Augenklinik waren zahlreiche ausländische Stipendiaten aus vielen Ländern in Klinik und Institut tätig.

Der Name Erich Weigelin ist verbunden mit einer Vielzahl bahnbrechender Entwicklungen in der Ophthalmologie. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Forschung galten den Problemen der Ophthalmodynamotrie, der Prüfung der Hämodynamik des Auges und der Epidemiologie der Cataracta senilis. Besondere Erwähnung verdient die Einführung und Weiterentwicklung des Ultraschalls. Dabei wurden Messtechniken erarbeitet, standardisiert und immer wieder modifiziert, um eine bessere Vergleichbarkeit zu erreichen.

Auch die Bedeutung der statistischen Auswertung wissenschaftlicher Ergebnisse hatte Weigelin früh erkannt. So konnte mithilfe der Faktorenanalyse eine Vielzahl von Daten der Linsenforschung bewertet werden. Des Weiteren diente diese Systematik, um unterschiedliche klinische Anwendungen in der Glaukomtherapie, der antientzündlichen Therapie sowie bei venösen Verschlüssen zu untersuchen und zu differenzieren.

Neben allen akademischen Erfolgen und Ämtern war Erich Weigelin unermüdlich um das Wohlergehen der Bonner Augenklinik und seiner Mitarbeiter, Schüler und Kollegen bemüht. Seine aufrechte, geradlinige und integrationsfördernde Persönlichkeit bewirkte in schwierigen Situationen stets Ausgleich und Hilfe. Sachliche Strenge, menschliche Wärme und unbegrenzte Einsatzbereitschaft zeichneten ihn aus.

Die Universitäts-Augenklinik unter Leitung des jetzigen Direktors, Prof. Dr. med. Frank G. Holz, veranstaltete im Dezember 2004 im Beisein von Erich Weigelin und vieler ehemaliger und jetziger Mitarbeiter ein Symposium zur Würdigung seines Lebenswerks und seiner Verdienste für die Augenklinik.

Am 17. März endete 93-jährig sein langes, erlebnis- und schaffensreiches Leben, das begonnen in der Kaiserzeit, 2 Weltkriege miterleben musste, aber auch viele große Errungenschaften der Menschheit miterleben durfte, zu denen er auf dem Gebiet der Ophthalmologie in nicht geringem Maße selbst mit beigetragen hatte.

Die Universität Bonn und insbesondere die Augenklinik werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser Mitgefühl gilt seinen Kindern und Enkeln.

Interessenkonflikt: Nein

Dr. Suzan Elizabeth Hunt

Universitäts-Augenklinik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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