Fortschr Neurol Psychiatr 2010; 78(3): 129-130
DOI: 10.1055/s-0029-1245239
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bernhard Neundörfer wird Editor Emeritus der „Fortschritte”

Bernhard Neundörfer Becomes Emeritus Editor of the ”Fortschritte”C.-W. Wallesch1
  • 1BDH-Klinik Elzach GmbH, Klinik für Neurologische Rehabilitation, Elzach
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Publication History

Publication Date:
08 March 2010 (online)

Nach fast drei Jahrzehnten als Mitherausgeber der Fortschritte zieht sich Prof. Dr. Bernhard Neundörfer aus dem Alltagsgeschäft unserer Zeitschrift zurück. Bei seinem Eintritt in das Leitungsgremium 1981 bestimmten neben ihm der ebenfalls neu aufgenommene Kurt Heinrich sowie Uwe Henrik Peters und Werner Scheid die Geschicke der Fortschritte. In den folgenden Jahrzehnten hat sich die Herausgeberschaft nach und nach erneuert, auch heute noch sind uns Kurt Heinrich und Uwe Henrik Peters als Editoren Emeriti verbunden.

In den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts hatten die Fortschritte ein recht eigenständiges Profil:

alle Artikel wurden von allen Herausgebern gelesen und bewertet, nur vereinzelt wurde ein externer Gutachter einbezogen, die Fortschritte verstanden sich als ein Handbuch im Wandel, das alle wichtigen Entwicklungen der Fächer Neurologie und Psychiatrie zeitnah (oder was man damals darunter verstand) abbilden und einordnen sollte, es sollte immer ein Vorrat an Manuskripten für 6 Hefte beim Verlag vorhanden sein.

Über diese Eigenheiten ist die Zeit und vor allem die Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts hinweggegangen. Als Kollege im Herausgebergremium, der jetzt 12 Jahre dabei ist, vermisse ich vor allem den Manuskriptumlauf (auf dem Postweg) zwischen den Herausgebern, einmal wegen des Humors der Anmerkungen der Kollegen, zum anderen weil er viel zu meiner eigenen Fortbildung beigetragen hat.

Bernhard Neundörfer wurde 1937 in Worms geboren. Er studierte Medizin in München und Heidelberg und absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Nervenarzt in München, Freiburg und Heidelberg. Der Heidelberger Schule um Vogel und Christian und in der Nachfolge Viktor von Weizsäckers blieb er eng verbunden. Er gehört dem Beirat der Viktor von Weizsäcker Gesellschaft an, und die Fortschritte sind Organ dieser Vereinigung.

Aus Heidelberg ging Neundörfer 1969 als leitender Oberarzt an die Neurologische Universitätsklinik Mannheim, gemeinsam mit Otto Hallen, der ebenfalls der Heidelberger Schule angehörte. 1978 wurde Neundörfer zum Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Lübeck berufen, 1984 dann zum Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Erlangen, die er bis zu seiner Emeritierung 2005 leitete. Wegbegleiter waren vor allem Detlef Kömpf, Detlef Claus, Hermann Stefan, Dieter Heuss, Frank Erbguth, Max Hilz und Josef Heckmann.

Ungewöhnlich für die Heidelberger Schule war Neundörfers früher Fokus auf die periphere Neurologie einschließlich der Muskelkrankheiten (vgl. aber [1]). Seine erste Arbeit in den Fortschritten widmete sich 1972 den Alkoholpolyneuropathien. Im gleichen Jahr habilitierte er sich mit einer umfassenden empirischen Untersuchung über die Polyneuropathien. Ihnen blieb Neundörfer ein Forscherleben lang verbunden. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt wurden dann neurologische Manifestationen von Stoffwechselstörungen. In der Erlanger Zeit traten Untersuchungen über Schmerz und autonomes Nervensystem, Epilepsie, Schlaganfall, Muskelkrankheiten, Neurologische Intensivmedizin, Epidemiologie und Versorgungsforschung/Public Health hinzu. Neundörfers Ouevre umfasst darüber hinaus eine Vielzahl von Arbeiten aus klinischer Perspektive, insbesondere auch aus den Grenzgebieten zu Psychiatrie und Innerer Medizin, was ihn für die Herausgeberschaft der Fortschritte prädestinierte. Neundörfers Veröffentlichungen weisen ihn als einen Lehrstuhlinhaber aus, der „die ganze Breite seines Faches in Forschung und Lehre” vertreten konnte, was heute kaum mehr möglich sein dürfte. Seine Arbeiten zeigen auch, dass gut analysierte Kasuistiken ein wichtiger Bestandteil der klinisch-wissenschaftlichen Literatur sind [2].

In den letzten Jahren seiner Amtszeit war Neundörfer Pionier zweier wichtiger Entwicklungen in der Neurologie. Die eine war die Einführung eines umfassenden Qualitätsmanagements in seiner Erlanger Klinik, die zur ersten Zertifizierung einer Universitätsklinik nach DIN ISO 9000 führte. Das dort entwickelte Qualitätshandbuch erleichtert anderen Kliniken quasi als Folie deren eigene Qualitätsarbeit. Die zweite wichtige Innovation war die Etablierung eines populationsbezogenen Registers zur epidemiologischen Analyse der Versorgung und Prognose nach Schlaganfall. Das Register gibt Hinweise für Veränderungen im Versorgungssystem [6] und ermöglicht auch gesundheitsökonomische Analysen [4]. Aspekte der Schlaganfallversorgungsforschung hat Neundörfer auch den Lesern der Fortschritte nahe gebracht [7] [8]. Die von Neundörfer und anderen angestoßene Einbeziehung des Qualitätsmanagements und der Versorgungsforschung in die Forschungsfragestellungen der Neurologie sichert die Zukunftsfähigkeit unseres Faches [9].

In den Fortschritten hat Bernhard Neundörfer als schriftführender Herausgeber eine wichtige Neuerung eingeführt: den jährlichen Rückblick des Federführenden auf das jeweils angelaufene Publikationsjahr der Zeitschrift [10], der von seinen Nachfolgern im Amt weitergeführt wird [11]. Diese Überblicke sollen den Zusammenhalt der zeitweise auseinanderdriftenden Fächer Neurologie und Psychiatrie stärken und die Existenz der fachübergreifenden nervenärztlichen Zeitschriften legitimieren und sichern.

Zuletzt ein persönliches Wort: Bernhard Neundörfer war mein Doktorvater. Er hat meine Liebe zur klinischen Neurologie geweckt. Im Rückblick waren die Studien- und Betreuungsbedingungen am Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg im Vergleich zu heute geradezu traumhaft. Obwohl ich nie bei ihm gearbeitet habe, bin ich Bernhard Neundörfer immer eng verbunden geblieben. Diese Verbundenheit habe ich im Herausgebergremium der Fortschritte über mehr als 10 Jahre weiterentwickeln können. Ich habe auch in dieser Zeit viel von ihm profitiert. Ich wünsche dem Herausgebergremium der Fortschritte, dass wir auch in den kommenden Jahren von Bernhard Neundörfer als Editor Emeritus Rat und Unterstützung erhalten.

Prof. Dr. Bernhard Neundörfer

Literatur

  • 1 Neundörfer B. Prof. Dr. Paul Vogel – Repräsentant der klinischen Neurologie.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2001;  69 S39-S44
  • 2 Neundörfer B. Kasuistiken – ein bedeutender Teil wissenschaftlicher Publikationen.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2007;  75 507
  • 3 Handschu R, Garling A, Heuschmann P U. et al . Acute stroke management in the local general hospital.  Stroke. 2001;  32 866-870
  • 4 Kolominsky-Rabas P L, Heuschmann P U, Marschall D. et al . Lifetime cost of ischemic stroke in Germany: results and national projections from a population-based stroke registry: The Erlangen Stroke Project.  Stroke. 2006;  37 1179-1183
  • 5 Handschu R, Poppe R, Rauss J. et al . Emergency calls in acute stroke.  Stroke. 2003;  34 1005-1009
  • 6 Handschu R, Reitmayer M, Raschick M. et al . First aid in acute stroke: introducing a concept of first actions to laypersons.  J Neurol. 2006;  253 1342-1346
  • 7 Neundörfer B. Bestimmt die Ausstattung der Schlaganfall-Patienten aufnehmenden Institution deren Prognose?.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2005;  73 67
  • 8 Neundörfer B. Die Bedeutung oraler Antikoagulation bei Vorhofflimmern zur Prävention eines kardioembolischen Hirninfarktes.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2008;  76 393-383
  • 9 Neundörfer B. Brauchen wir in Deutschland Versorgungsforschung.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2009;  77 689-690
  • 10 Neundörfer B. Wie fortschrittlich sind die „Fortschritte Neurologie – Psychiatrie”? Ein Zwei-Jahres-Rückblick.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2008;  76 317-318
  • 11 Kornhuber J. Die „Fortschritte” in 2009.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2010;  78 7-8

Prof. Dr. med. Claus-Werner Wallesch

BDH-Klinik Elzach GmbH, Klinik für Neurologische Rehabilitation

Am Tannwald 1

79215 Elzach

Email: claus.wallesch@neuroklinik-elzach.de

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