Gastroenterologie up2date 2010; 6(2): 80-81
DOI: 10.1055/s-0029-1244111
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Identifizierung assoziierter Genvarianten des IL12-Signalwegs bei primär biliärer Zirrhose

Jochen  Hampe
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Publication Date:
22 June 2010 (online)

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Primär biliäre Zirrhose mit HLA-, IL12A- und IL12RB2-Varianten assoziiert

Primary biliary cirrhosis associated with HLA, IL12A, and IL12RB2 variants

Hirschfield GM, Liu X, Xu C, Lu Y, Xie G, Lu Y, Gu X, Walker EJ, Jing K, Juran BD, Mason AL, Myers RP, Peltekian KM, Ghent CN, Coltescu C, Atkinson EJ, Heathcote EJ, Lazaridis KN, Amos CI, Siminovitch KA; University of Toronto and Liver Center, Toronto Western Hospital, Toronto, ON, Canada

Hintergrund: Die primär biliäre Zirrhose tritt familiär gehäuft auf, was auf eine genetische Disposition hinweist. Die Untersuchung von Gideon M. Hirschfield et al. hat nun Hinweise auf die dabei involvierten Genorte geliefert.

Methoden: Um infrage kommenden Genen auf die Spur zu kommen, untersuchten die Autoren das Genom von 2072 Personen aus Kanada und aus den USA, von denen 536 an primär biliärer Zirrhose erkrankt waren. Die übrigen dienten als Kontrollen. Die Genotypisierung umfasste mehr als 300 000 Einzelnukleotidpolymorphismen (SNP). 16 SNP waren möglicherweise mit der primär biliären Zirrhose assoziiert und wurden weiter untersucht. Schließlich konzentrierten sich die Bemühungen bei der Feinkartierung auf 3 Genloci.

Ergebnisse: Eine signifikante Assoziation beobachteten die Autoren zwischen 13 Genloci des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC), auf denen die Proteine der HLA-Klasse II kodiert sind, und einer primär biliären Zirrhose. Am stärksten war diese Assoziation für den HLA-DQB1-Genort, der für die DQ-Betakette 1 des MHC kodiert. Alleine dieser Polymorphismus erhöhte das Risiko für die Entwicklung einer primär biliären Zirrhose um 75 %. Einen ebenfalls signifikanten und reproduzierbaren Zusammenhang fanden die Forscher zwischen 2 SNP im Zusammenhang mit Interleukin-12 und der primär biliären Zirrhose. Es handelte sich dabei zum einen um den IL12A-Locus, der für IL12α kodiert. Hier erhöhten 2 Polymorphismen (rs6441286 und rs574808) das Risiko für die Autoimmunerkrankung jeweils um 54 %. Eine andere relevante SNP betraf den IL12RB2-Locus, der für den IL12-Rezeptor β2 kodiert. Hier ergab sich eine Risikoerhöhung durch das SNP rs3790567 um 51 %. In der Feinkartierung zeigte sich noch eine signifikante Assoziation eines 5 Allele umfassenden Haplotyps, der sich am 3’-Ende des IL12A-Gens befindet. Moderat mit dem Erkrankungsrisiko assoziiert waren außerdem bei der genomweiten Analyse SNP des STAT4- und des CTLA4-Locus sowie von 10 weiteren Genorten.

Folgerungen: Bestimmte Genvarianten scheinen das Risiko einer primär biliären Zirrhose zu erhöhen. Betroffen sind: HLA-Klasse II, Interleukin-12 und Interleukin-12-Rezeptor. Die Autoren vermuten, dass Interleukin-12-vermittelte Immunreaktionen eine Rolle in der Pathogenese dieser Autoimmunerkrankung spielen.

N Engl J Med 2009; 360: 2544 – 2555

(zusammengefasst von Friederike Klein, München)

Ätiopathogenese der primär biliären Zirrhose. Die primär biliäre Zirrhose (PBC) ist die häufigste Autoimmunerkrankung der Leber und hat bei Frauen über 40 Jahren eine Prävalenz von bis zu 1 / 1000. Histologisch ist die Erkrankung von einer granulomatösen Entzündung und der Zerstörung der kleinen Gallenwege charakterisiert. Basierend auf tierexperimentellen Daten und aufgrund der Akkumulation autoreaktiver T-Lymphozyten in der erkrankten Leber wird eine durch CD4-positive T-Zellen vermittelte Pathogenese der PBC angenommen. Auf eine genetische Komponente in der Ätiologie der Erkrankung deuten das etwa 10-fach erhöhte Erkrankungsrisiko in Familien und die mit 60 % sehr deutliche Konkordanz bei eineiigen Zwillingen hin. Damit zeigt die Erkrankung in den epidemiologischen Parametern etwa eine genauso starke Familiarität wie der Morbus Crohn.

Genomweite Assoziationsstudie. Die klare familiäre Häufung der Erkrankung deutet auf zugrunde liegende Risikogene hin und ist damit in ausreichenden Patientenkohorten mit den heutigen Genotypisierungstechnologien problemlos identifizierbar: In einem typischen mehrstufigen genomweiten Assoziationsexperiment haben Hirschfeld und Mitarbeiter bei zunächst 536 Patienten und 1536 Kontrollen nach assoziierten genetischen Varianten für die Erkrankung gesucht und diese dann in unabhängigen Patientenstichproben validiert. Als wesentliche Befunde zeigen sich dabei Assoziationen mit der HLA-Klasse-II-Region, dem Interleukin 12 und dem Interleukin-12-Rezeptor β2, STAT4 (signal transducer and activator of transcription 4) und CTLA4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4). Interessanterweise waren die Assoziationen mit der HLA-Region und CTLA4 bereits aus vorhergehenden Kandidatengenstudien bekannt. Der Neuigkeitswert dieser Studie besteht somit vor allem in der Identifizierung gleich dreier Loci aus dem IL12-Signalweg, nämlich IL12, IL12RB und STAT4, das ein wesentliches Signaltransduktionsmolekül für IL12 darstellt.

Potenzielle Therapiestrategien. Die Modulierung des IL12-Signalwegs stellt aufgrund dieser genetischen Befunde ein attraktives potenzielles Therapieprinzip für die PBC dar. Die relativen Risiken für die beschriebenen Gene liegen im Bereich von 1,5 bis 2,5 und sind damit für eine diagnostische Nutzung ungeeignet. Die lokusspezifischen Risiken liegen auch – insbesondere für die HLA-Region – niedriger als in früheren Kandidatengenstudien, was an der relativ großen genetischen Heterogenität der nordamerikanischen Studienpopulationen liegen mag. In größeren und genetisch homogeneren Populationen, z. B. aus Europa oder Japan, ist mit weiteren und noch klareren Ergebnissen zu rechnen.

Fazit. Insgesamt untermauern die Ergebnisse dieser Studie die T-Zell-Hypothese in der Entstehung der PBC und ordnen sie ätiologisch klar wenigen verantwortlichen Genen zu. Die Erarbeitung des mechanistischen Verständnisses dieser Genvarianten und die Nutzung als Zielmoleküle für zukünftige spezifische Therapiestrategien wird – wie üblich – Jahre dauern, kann aber von der Überlappung der Risikofaktoren mit anderen Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis, dem Lupus erythematodes, Psoriasis, den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und der Sarkoidose profitieren.

PD Dr. Jochen Hampe

Klinik für Innere Medizin I
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Campus Kiel

Schittenhelmstraße 12
24105 Kiel

Email: jhampe@1med.uni-kiel.de

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