Dialyse aktuell 2009; 13(8): 426
DOI: 10.1055/s-0029-1243458
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Neue Behandlungsverfahren – bessere Behandlungsergebnisse?

Michael Nebel
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Publication Date:
25 November 2009 (online)

Die Zahl der Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz steigt weiter an: Entsprechend der letzten vom deutschen Nephrologieregister (QuaSi–Niere) 2006 veröffentlichten Daten werden über 66 000 Patienten mit Dauerdialyse behandelt, dies bedeutet eine Erhöhung der Patientenzahl um 25 000 seit 1995, das heißt um 62  % in 11 Jahren.

Der Patientenzuwachs ist vor allem durch die Volkskrankheiten Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie bedingt – diese sind Grunderkrankung bei 58  % aller neu dialysepflichtigen Patienten. Die größere Effizienz und Qualität der Nierenersatztherapie stellt ein längeres Patientenüberleben sicher und erhöht ebenso wie die allgemein steigende Lebenserwartung die Anzahl der neu dialysepflichtigen Patienten. Der Zuwachs ist besonders hoch bei den älteren Patienten: Die Gruppe der neuen Dialysepatienten über 75 Jahre nahm in den letzten Jahren am stärksten zu, hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre verdoppelt und betrug im Jahre 2006 pro Million Einwohner 900 neu dialysepflichtige Patienten.

Unser Augenmerk sollte sich daher vermehrt auf die Behandlung dieser Altersgruppe richten. Die assistierte Peritonealdialyse (PD) bei alten Menschen ist eine sinnvolle Alternative bei diesen häufig multimorbiden Patienten mit vor allem kardiovaskulären Zusatzerkrankungen, denn sie können in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung dialysiert werden. Eine Shuntanlage ist bei der PD nicht erforderlich, Elektrolytstörungen sind selten und eine kontinuierliche Ultrafiltration ist sichergestellt: Alle Vorteile der schonenden, das kardiovaskuläre System wenig belastenden Behandlung könnten vielen alten Patienten zugute kommen. Ein bisher nicht ausreichend gelöstes Problem ist die Kostenübernahme für die Assistenz. Hier sind die Kostenträger aufgefordert, der zunehmenden Überalterung der Dialysepatienten mit der fehlenden Möglichkeit der Selbstversorgung Rechnung zu tragen, sie bundesweit einheitlich zu regeln und die zusätzlichen Kosten der Dialyseassistenz bei PD durch geschulte Pflegekräfte zu übernehmen.

Trotz verbesserter Dialysetechnologie und Fortschritte in der medikamentösen Therapie ist die Letalität von Dialysepatienten unverändert zu hoch. Das 5–Jahres–Überleben beträgt laut EDTA („European Dialysis and Transplant Association”) für diabetische Patienten 35  %, für Nichtdiabetiker 57  %, die Lebenserwartung für 60–64–jährige Patienten ist laut „United States Renal Data System” 4,5 Jahre. Dialysepatienten versterben zu über 50  % an Herz–Kreislauf–Erkrankungen und haben ein schlechteres Überleben als Patienten mit malignen Erkrankungen von Darm oder Lunge. Daher werden neue Verfahren in der Behandlung von Dauerdialysepatienten unter dem Aspekt des längeren Patientenüberlebens kritisch betrachtet.

Die Hämodiafiltration (HDF) verbindet die bekannten Therapieverfahren Hämodialyse (HD) und Hämofiltration (HF). Neue Dialysemaschinen und die Online–Herstellung eines ultrareinen Substituats rücken die HDF in den Fokus des Interesses. HF und HDF werden allerdings fast ausschließlich in Europa angewandt, in Nordamerika nur in Einzelfällen, in Deutschland als HDF bei 7,3  % der Dialysen (QuaSi–Niere 2006). Der theoretische Vorteil des zusätzlichen konvektiven Transports bei HDF ist im sogenannten Mittelmolekülbereich und bei der Phosphatclearence zu erwarten, die Verträglichkeit der HDF gerade bei heute häufig kreislaufinstabilen Patienten scheint besser zu sein.

Von der HDF profitieren sollten also Langzeitpatienten, die nicht transplantiert werden können. Die verbesserte Behandlungsqualität ist allerdings heute im Vergleich zur HD mit Einsatz von sterilfiltriertem Dialysat, synthetischen High–flux–Membranen und gesteuerter Ultrafiltration klinisch kaum relevant und in den bisher vorliegenden Studien nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Die Ergebnisse der voraussichtlich 2010 beendeten CONTRAST–Studie werden daher mit Spannung erwartet.

Das akute Nierenversagen (ANV) bedarf speziell bei intensivpflichtigen Patienten einer differenzierten Nierenersatztherapie. Bisher ist nicht geklärt, ob eher ein kontinuierliches oder ein intermittierendes Dialyseverfahren die hohe Letalitätsrate reduzieren kann. Der Einsatz von SLEDD („slow efficient daily dialysis”) eröffnet neue medizinische, aber auch ökonomische Perspektiven. Kontinuierlicher und kreislaufschonender Flüssigkeitsentzug, adäquate Detoxikation bei einer Harnstoffclearance (Kt/V) von mindestens 1,2 pro Sitzung und ein geringer Verbrauch an gerinnungshemmenden Stoffen machen SLEDD zu einem unverzichtbaren Instrumentarium nephrologischer Therapie auf der Intensivstation. Der Nachweis eines verbesserten Patientenüberlebens unter SLEDD steht allerdings noch aus und wird bei den multifaktoriellen Ursachen des ANV auch schwierig zu führen sein.

Dr. Michael Nebel

Köln

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