Sprache · Stimme · Gehör 2009; 33(3): 103
DOI: 10.1055/s-0029-1241772
Der kleine Repetitor

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Die bukkofaziale Apraxie

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Publication Date:
12 October 2009 (online)

Das Imitieren von Gesichts- oder Mundbewegungen oder von Geräuschen, die mit Lippen, Zunge oder Kehlkopf erzeugt werden, ist eine Fähigkeit, die uns Menschen von anderen Primaten unterscheidet. Bereits Kleinkinder imitieren einfache Gesichtsbewegungen wie Mundöffnung oder Zungenprotrusion, selbst wenn sie ihr eigenes Gesicht nie gesehen haben.

Merke Das orofaziale und vokale Imitationsvermögen bildet vermutlich eine wichtige Voraussetzung für den Spracherwerb.

Patienten mit einer bukkofazialen Apraxie (bfA) haben diese Fähigkeit verloren. Sie haben Schwierigkeiten, nichtsprachliche Bewegungen der Vokaltraktmuskulatur auf Aufforderung oder imitatorisch auszuführen. Wenn man diese Patienten bittet, sich zu räuspern, sich die Oberlippe abzulecken oder die Nase zu rümpfen, reagieren sie oft ratlos, führen fehlerhafte oder zögerliche Bewegungen aus, korrigieren sich mehrfach vergeblich, zeigen angestrengte Suchbewegungen und geben ihre Bemühungen schließlich frustriert auf. Eine Patientin, die aufgefordert wird, ihre Zunge herauszustrecken, öffnet mehrmals angestrengt ihren Mund, phoniert ein /a::/, tastet mit der Hand nach ihrer Zunge, blickt den Untersucher ratlos an und bricht dann hilflos ab. Dabei kann es zu einem späteren Zeitpunkt dazu kommen, dass die gleiche Patientin eine rasche und geschickte Zungenbewegung macht, um sich einen Krümel von der Lippe zu lecken oder die Wangentasche von einem Speiserest zu reinigen, oder dass sie sich deutlich hörbar räuspert.

Merke Eine bukkofaziale Apraxie fällt im Alltag oft gar nicht auf – sie wird erst bei klinischer Prüfung überhaupt erkannt.

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