Zeitschrift für Komplementärmedizin 2009; 1(6): 1
DOI: 10.1055/s-0029-1240630
Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Wo brennt es?

Dominik Irnich
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Publication Date:
26 November 2009 (online)

Das Thema dieses Heftes betrifft uns alle persönlich. Wir, die in den medizinischen Berufen tätig sind, scheinen besonders empfänglich für Befindlichkeitsstörungen und Krankheitszeichen zu sein, die unter dem Begriff Burn-out-Syndrom zusammengefasst werden. Die Ursachen sind unklar, wir können lediglich Bedingungen und Faktoren definieren, die häufig bei den Leidenden zu finden sind. Da das Burn-out-Syndrom wohl in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, insbesondere bei Heilberufen und Lehrern, gehäuft auftritt, macht es natürlich Sinn, den Zusammenhang zwischen Arbeit und Burn-out unter die Lupe zu nehmen. Hier finden wir 2 hilfreiche Modelle: das Job-Demand-Control-Modell von Karasek und Theorell und das Effort-Reward-Imbalance-Modell von Siegrist. In beiden Modellen spielt das Ungleichgewicht von Anstrengung, Anforderung und Anerkennung im Beruf eine entscheidende Rolle, auch als Ausdruck des (Miss-)Verhältnisses von externer Kontrolle zur Arbeitsintensität.

Denkt man weiter, kann es jetzt nur politisch werden: Einschränkungen der ärztlichen Behandlungsfreiheit, Bürokratisierung, Degradierung von Arzt und Therapeut zum Auftragsgehilfen multinationaler Konzerne zur Steigerung des Shareholder Values, ein durch Beraterverträge von Meinungsbildnern und Politikern gesichertes Informations- und Interessenmonopol der pharmazeutischen Industrie und einseitig motivierte Aktivitäten mancher Standesvertreter können in individuell unterschiedlicher Ausprägung zum Missverhältnis von Anstrengung, Anforderung und Anerkennung im Heilberuf führen. Wissenschaftlich gesicherte Risikofaktoren aus der Arbeitswelt sind hohe Arbeitsintensität, Zeitdruck, monotone Verrichtungen, geringe Aufgabenvielfalt, fehlende Tätigkeitsspielräume, Nachtschichtarbeit, Zeitdruck und geringe soziale Unterstützung.

Ein Schuft, der hier Zusammenhänge zwischen den Risikofaktoren am Arbeitsplatz, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen und somatisch nicht erklärbaren Zuständen wie dem Burn-out-Syndrom sieht. Aus medizinischer Sicht ist die Abgrenzung des Burn-out-Syndroms zu anderen Krankheiten und Syndromen schwierig und teilweise diffus.

Vielleicht beginnen Sie deshalb das Studium dieser zkm mit dem Refresher von P. Henningsen, einem international ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet. Henningsen zeigt die Problematik der Klassifikation beim organisch nicht erklärbaren Leitsymptom Erschöpfung, gibt aber auch erste Perspektiven für den therapeutischen Ansatz.

Noch schwieriger wird es, wenn wir zur Müdigkeit und Erschöpfung die Leitsymptome Schmerz, gastrointestinale Beschwerden und Schlafstörungen hinzunehmen. Dann zeigt sich ein deutlicher Overlap zwischen Reizdarm, Chronic-Fatigue-Syndrom, Fibromyalgiesyndrom, temporomandibulärem Syndrom, somatoformer Schmerzstörung, Multiple Chemical Sensitivity, Neurasthenie und verschiedenen Ausprägungen von Angst und Depression. Man könnte sie auch unter dem Obergriff der chronischen Sensitivitätssyndrome mit unterschiedlich starker Symptomausprägung zusammenfassen.

Hauptkennzeichen ist die vegetative Funktionsstörung mit einer erhöhten intrinsischen Wahrnehmung bei mangelnder Adaptation an äußere (z. B. Arbeitsbedingungen) und innere (z. B. Anger-in) Reize.

Da nun die Ursachen nicht bekannt und die Rahmenbedingungen nicht leicht veränderbar sind, gilt es, bei uns und unseren Patienten therapeutisch den Zustand der Homöodynamik (besserer Begriff als Homöostase) zu verbessern.

Dieses Ziel hat sich die vorliegende Ausgabe gesetzt, indem sie umfassende Therapieoptionen unter Nutzung traditioneller Erkenntnisse sowie bewährter und neuer komplementärer Ansätze aufzeigt.

Und weil es ja auch um uns geht, möchte ich Ihnen besonders den Beitrag von E. Müller-Timmermann ans Herz legen, der Wege zu neuer Arbeitsfreude im Arztberuf beschreibt.

Achten Sie auf sich!

PD Dr. med. Dominik Irnich

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