Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2009; 41(3): 132-133
DOI: 10.1055/s-0029-1213577
Praxis
Das Interview
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

„Eine große Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel in der täglichen Ernährung geht mit einem verringerten Krebsrisiko einher”

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Publication Date:
24 September 2009 (online)

Unser Gesprächspartner: PD Dr. oec. troph. Bernhard Watzl

Studium der Ökotrophologie; Promotion und Habilitation an der Universität Gießen; Privatdozent an der Universität Karlsruhe (TH); dreijähriger Forschungsaufenthalt (1989–1991) an der University of Arizona, Tucson (USA); komm. Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung, Max Rubner-Institut, Karlsruhe; Schwerpunktgebiete: Ernährungsimmunologie mit den Schwerpunkten sekundäre Pflanzenstoffe sowie Präbiotika und Probiotika, Wirkmechanismen von sekundären Pflanzenstoffen beim Menschen, präventive Wirkung von Gemüse und Obst.

DZO: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach sekundäre Pflanzenstoffe in der Prävention von Krebserkrankungen?

Dr. Watzl:
Für alle chemischen Klassen an sekundären Pflanzenstoffen ist in verschiedenen experimentellen Modellen eine antikanzerogene Wirkung nachgewiesen worden. Allerdings weichen die chemischen Strukturen der in diesen Studien eingesetzten sekundären Pflanzenstoffe meist von den Strukturen der sekundären Pflanzenstoffe, wie sie in den Lebensmitteln vorliegen, ab. Allein aus diesem Grund können solche Ergebnisse nur mit Vorsicht auf den Menschen übertragen werden. Unterstützt werden die experimentellen Daten durch die Ergebnisse epidemiologischer Studien, die für eine Reihe von Krebsarten auf ein geringeres Erkrankungsrisiko bei hoher Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen in Form von pflanzlichen Lebensmitteln hinweisen.

DZO: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach sekundäre Pflanzenstoffe in der Therapie von Krebserkrankungen?

Dr. Watzl:
Bisher haben wir keine Hinweise, dass sekundäre Pflanzenstoffe in Konzentrationen, wie sie natürlicherweise in pflanzlichen Lebensmitteln vorliegen, eine therapeutische Wirkung besitzen. Klinische Studien mit dem Monoterpen Limonen, welches in Zitrusfrüchten vorkommt, und mit Curcumin aus Gelbwurz setzten Konzentrationen dieser sekundären Pflanzenstoffe ein, die niemals über Lebensmittel aufgenommen werden können.

DZO: Gibt es bestimmte Pflanzenstoffe, die Sie für besonders wichtig halten?

Dr. Watzl:
Wie gesagt gibt es für alle sekundären Pflanzenstoffe Hinweise, dass sie auf spezifische Weise einzelne Stufen der Krebsentstehung hemmen können. Je nach Krebsart können die Wirkmechanismen unterschiedlich sein. Zudem ist der individuelle genetische Hintergrund in Bezug auf die Verstoffwechselung von sekundären Pflanzenstoffen ein weiterer Faktor, der pauschale Aussagen zur Wirkung beim Menschen nicht erlaubt. Klar ist allerdings, dass eine große Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel in der täglichen Ernährung mit einem verringerten Erkrankungsrisiko einhergeht.

DZO: Was halten Sie davon, sekundäre Pflanzenstoffe hochdosiert als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen?

Dr. Watzl:
Ich lehne die Einnahme hochdosierter sekundärer Pflanzenstoffe als Nahrungsergänzungsmittel ab. Mehrere Studien haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko durch hochdosierte sekundäre Pflanzenstoffe festgestellt. Auf der anderen Seite gibt es keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass derartige Nahrungsergänzungsmittel die Gesundheit fördern.

DZO: Wie stehen Sie zum häufig kontrovers diskutierten Thema Soja und Brustkrebs? Können an Brustkrebs Betroffene Ihrer Meinung nach Sojaprodukte einnehmen?

Dr. Watzl:
Dieses Thema wurde in den letzten Jahren intensiv erforscht. Dabei muss unterschieden werden zwischen der Wirkung von Soja und daraus hergestellten Lebensmitteln auf der einen Seite sowie aus Soja isolierten sekundären Pflanzenstoffen auf der anderen Seite. Soja-spezifische sekundäre Pflanzenstoffe wie die Isoflavone haben eine östrogene Wirkung. In Abhängigkeit von der Höhe des endogenen Östradiolspiegels können solche Phytoöstrogene sowohl eine östrogene als auch eine antiöstrogene Wirkung ausüben. Sojaverzehr vor der Pubertät scheint das Risiko für prämenopausale Brusttumore zu verringern, wohingegen ein späterer Verzehr keine Auswirkungen auf das Brustkrebsrisiko hat. Bei Frauen mit Brustkrebs ist von einer Zufuhr von isolierten Soja-Isoflavonen abzuraten. Grund hierfür ist, dass es kein ausreichendes Wissen über die gesundheitlichen Wirkungen verschiedener Konzentrationen isolierter Isoflavone bei Frauen mit Brustkrebs gibt. Eine Antwort auf diese Fragen kann nur auf der Basis kontrollierter Interventionsstudien durchgeführt werden. Solche Studien wurden bisher nicht durchgeführt.

DZO: Welche Ernährungsempfehlungen würden Sie einem an Krebs Erkrankten geben wollen?

Dr. Watzl:
Es macht keinen Sinn, allgemeine Ernährungsempfehlungen auszusprechen, da Faktoren wie z. B. Art der Krebserkrankung oder Therapiemaßnahmen individuelle Empfehlungen erforderlich machen.

DZO: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Dr. Watzl:
Gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität. In der Praxis heißt das für mich bewusst essen, mit hohem Qualitätsanspruch und viel Genuss, im Kreis meiner Familie und mit Freunden. Ich komme mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zur Arbeit und spiele regelmäßig Basketball.

DZO: Herr Dr. Watzl, vielen Dank für das Gespräch.

Korrespondenzadresse

PD Dr. Bernhard Watzl

Institut für Physiologie und Biochemie
der Ernährung
Max Rubner-Institut, Bundesforschungs-
institut für Ernährung und Lebensmittel

Haid-und-Neu-Str. 9

76131 Karlsruhe

Email: bernhard.watzl@mri.bund.de

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